String Quartet for Six Players, 1976 - 2023

String Quartet for Six Players, 1976 - 2023

Stephen Prina in der Kölner Galerie JUBG

Der amerikanische Konzeptkünstler, Musiker und Komponist Stephen Prina arbeitet in seinen Werken Aspekte der Entwicklungen in der Kunst der vergangenen Jahre auf. Prinas musikalische Performances entstehen aus einer Reihe von Langzeitprojekten, die er häufig in verschiedenen Ausstellungs- und assoziativen Kontexten neu ordnet und darstellt.

In Los Angeles ist Stephen Prina der Mann für das “Schwierige” und “Ernsthafte”. Wie kein anderer bringt er das unbedarfte Publikum dazu, stundenlangen, scheinbar ereignislosen Performances pflichtbewusst beizuwohnen oder sich an brutal unkonventionellen Werken zu ergötzen. Umgekehrt ist er dafür bekannt, dass er als versierter Formanalytiker seine Präzision und Geduld auch auf brutal Konventionelles anwendet. Mit anderen Worten: Prina versteht es und ist sogar berüchtigt dafür, das Niedere zum Hohen zu erheben.

„You’d think that people would’ve had enough of silly love songs, I look around me and I see it isn’t so. Some people want to fill the world with silly love songs, and what’s wrong with that“, will der ehemalige Beatle Paul McCartney ca. 1976 wissen, „cause here he goes again: I love you I love you I love you I love you!“

“Silly Love Songs” stieg im selben Jahr, in dem der legendäre Künstler, Musiker und Dozent Stephen Prina im zarten Alter von 21 Jahren das zwar ernstgemeinte, aber nicht völlig unkomische String Quartet for Six Players komponierte, auf Platz eins der amerikanischen Pop-Charts ein. Das heutige Publikum kann sich glücklich schätzen, dass der reife Stephen Prina weder vor Pop noch vor Liebesliedern zurückschreckt, auch wenn man ihm nachsagt, dass er zur Zeit dieser ersten ehrgeizigen Komposition über der Frage brütete, wie die Musik nach Schönberg und Cage aussehen könnte.

Das Quartett in d-Moll, Mozarts Hommage an seinen Freund und Mentor Joseph Haydn, steht in krassem Gegensatz zur kanonisierten Avantgarde, die Prinas schöpferische Neugier und formale Kühnheit beflügelt. Teile des launischen Kammermusikstücks, das eine gehörige Portion Sturm und Drang enthält, sollen durch die Geräusche von Mozarts Frau inspiriert worden sein, die im Nebenzimmer ihr erstes Kind gebar. Doch statt die Komposition in jugendlicher Respektlosigkeit zu zerhacken, hat Prina sie nach dem Zufallsprinzip erweitert und elegant verfremdet. Ich bin überzeugt, dass auch Gelegenheitshörer*innen die Spannung zwischen dem makellosen Original und dem Versprechen seiner unendlichen Mutation ohne weiteres aushalten können. Erzeugt wird diese Mutation, indem der Dirigent zum Würfelspieler wird, der jeweils eine*n Spieler*in anweist, an den Anfang der Partitur zurückzukehren. Der Mann, der alle zusammenhält, muss dies also auch dann noch tun, wenn er ihnen befiehlt, sich zu zerstreuen. Das Ergebnis dieser präzisen und doch zufälligen Auflösung grenzt ans Psychedelische und eröffnet eine Dimension der Partitur, die an den Roman Die Bibliothek von Babel denken lässt: Die Zeichenkonstellationen und ihre Bedeutungen winden sich spiralförmig in die Höhe, in endlosen Konfigurationen von Sinn und Unsinn – eine Borges’sche Hommage an die Formbarkeit des menschlichen Bewusstseins.

Letzte Änderung: 15.11.2023  |  Erstellt am: 15.11.2023

Stephen Prina
String Quartet for Six Players, 1976 – 2023

Eröffnung:
15. November 2023
18-21 Uhr

Dauer der Ausstellung:
15. November – 16. Dezember 2023

JUBG
Albertusstrasse 13-17
50667 Köln

https://jubg.space/

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