WALLACH

WALLACH

Marcel Walldorf in Wiesbaden
Marcel Walldorf | © Nils Heck

Der Frankfurter Bildhauer Marcel Walldorf wurde mit dem Arbeitsstipendium des Kunstvereins Bellevue-Saal Wiesbaden für das Jahr 2023 ausgezeichnet. Walldorf erkundet in seiner Einzelausstellung WALLACH in Wiesbaden die männliche Kastrationsparanoia.

Der Begriff “Wallach” bezieht sich auf ein männliches Pferd, das kastriert wurde und in der Regel ruhiger und kooperativer ist als Hengste, und sich leichter in eine Herde integrieren lässt. Wie ist es in der Menschenwelt? Könnte eine Entmaskulinisierung von bestimmten patriarchalischen Weltanschauungen und den damit verbundenen autoritären „Hengstmanieren“ zu einer friedlicheren Koexistenz in unserer Gesellschaft führen? In einer Zeit, in der weltweit der Aufstieg von Autokraten und autokratischen Regimen zu beobachten ist, ermutigt Marcel Walldorf uns auf humorvolle Weise dazu, die Kastrationsparanoia in den Männerdomänen zu beleuchten.

Die Werke in der Ausstellung thematisieren inhaltlich und ästhetisch die Welt des Pferderennsports. Die Reitsportthematik dient dabei als Analogie zu unseren gesellschaftlichen Zuständen, geprägt von Wettbewerb und Leistungsdruck. Walldorfs Arbeiten hinterfragen unsere auf Wettkampf und Leistung getrimmte Kultur sowie unsere beständige Furcht vor dem Scheitern.

Das zentrale Werk der Ausstellung, “Pik Bube”, ist ein lebensgroßes naturalistisches Reiterstandbild eines Jockey-Zentauren. Diese Verschmelzung aus Jockey und Pferd, geformt aus einem trainierten Pferdekörper und einem skeptisch schauenden Reiter mit Gerte in der Hand, vereint den Antreiber und den Getriebenen. Ein üppiger Lorbeerkranz, der bei genauerer Betrachtung aus aneinandergereihten Pferdeohren besteht, begleitet den Zentauren. Diese Arbeit verkörpert eine Interferenz zwischen Siegerkranz und Trauerkranz und weist mit ihrer Doppeldeutigkeit auf die Simultanität von Siegern und Besiegten hin. Ist der Sieger gleichzeitig auch Täter, während die Verlierer als seine Opfer betrachtet werden, und lassen sich die einzelnen Pferdeohren als seine Trophäensammlung verstehen?

Zusätzlich zu dieser Werkgruppe präsentiert die Ausstellung zahlreiche imposante Skulpturen und Rauminstallationen, die auf eindrucksvolle Weise das Wetteifern sowie das schmerzhafte Platzen von Träumen veranschaulichen.

Marcel Walldorf: Pik Bube | © Foto: Robert Schittko

„Meine Kunst scheut keine Kalauer und schont keine Befindlichkeiten, vor allem nicht meine eigenen. Wortspiele und absurde Bildmetaphern machen mir Spaß, selbst und gerade bei ernsten Themen. Hinter dem vordergründigen Humor verbirgt sich eine hintergründige Melancholie, ein scharfer Blick auf die Abgründe und Bruchstellen der Gesellschaft sowie eine präzise skulpturale Formensprache. Dahinter steckt der Wunsch über die Missstände dieser Gesellschaft ins Gespräch zu kommen.“, erklärt Marcel Walldorf.

Marcel Walldorf, geboren 1983 in Friedberg (Hessen) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er studierte Visuelle Kommunikation, Zeichnung und Bildhauerei an der HfG Offenbach und der Kunstakademie Dresden. Er wurde 2011 durch den Skandal um seine Skulptur „Pinkelnde Petra“ einem breiten Publikum bekannt. Gemeinsam mit Anna Nero und Robert Schittko betreibt Marcel Walldorf seit Jahresbeginn die Ausstellungsplattform MARS in Frankfurt am Main.

Letzte Änderung: 14.11.2023  |  Erstellt am: 14.11.2023

Marcel Walldorf: WALLACH

Eröffnung:
16. November 2023, 19 Uhr

Einführung:
Dr. Christian Janecke, Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach

Austellungsdauer:
17. November – 23. Dezember 2023

Kunstverein Bellevue-Saal
Wilhelmstraße 32
65183 Wiesbaden

www.marcel-walldorf.com

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