Shared Realities

Shared Realities

MARS Ausstellungsraum

Die Gruppenausstellung, in Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main, zeigt junge Positionen der Malerei, betreut von Avery Schramm & Jihae An.

Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven und Lebenserfahrungen bildet nicht nur den Kerngedanken des von Kimberlé Crenshaw in den späten 1980er Jahren entwickelten Konzepts der Intersektionalität: auch in der Kunst ist die kritische Praxis von großer Bedeutung, vermag sie es gesellschaftliche Hegemonien herauszufordern, den Blick für unterrepräsentierte Sichtweisen zu schärfen und soziale Fragen ästhetisch zu reflektieren. Diese feministische und postkoloniale Theorie zeigt, dass Identitätsmerkmale wie Gender, Herkunft, Klasse, Sexualität oder Behinderung nicht isoliert betrachtet werden können. Sie sind miteinander verwoben und beeinflussen die ineinandergreifenden Mechanismen von Diskriminierung und Privilegien.

Betrachtet man ein Kunstwerk, das aus einer Vielzahl an Farben, Texturen, gar Techniken besteht, und dessen Gesamtheit erst durch die Einzigartigkeit jedes seiner Teile entsteht, so spiegelt auch Gesellschaft diese Einheit durch Vielfältigkeit wider. Ähnlich dem Konzept der “Einheit im Mannigfaltigen” von T. W. Adorno entsteht ein Ganzes nicht etwa aus Gleichförmigkeit, sondern durch Anerkennung und Wertschätzung inhärenter Unterschiede. Intersektionalität erkennt die Bedeutung von Diversität – mithin Dissonanz – als integralen Bestandteil gesellschaftlicher Verhältnisse an. Eine Sensibilisierung für intersektionale Diskurse ist somit von großer Relevanz, denn sie trägt dazu bei, Verständnis und Empathie zu fördern, anstatt Vorurteile zu schüren.

Die Ausstellung “Notes on Shared Realities” nähert sich, wie Thema und Titel bereits intendieren, aus unterschiedlichen Perspektiven diversen Aspekten der Intersektionalität. Die Arbeiten, die im Rahmen des Maltechnik-Kurses von Avery Schramm an der HfG Offenbach entstanden sind, greifen dabei weit über das Medium Malerei hinaus.

Grafische Arbeiten von Annie Devlin (*1996) widmen sich der Verschränkung zweier scheinbar gegensätzlichen Kulturen – Nascar und Hunderennen – vor dem Hintergrund gendertypischer Zuschreibungen und Klassenunterschieden. Die Drucktechnik schafft förmlich Überlappungen, die beide Sphären in eine spätkapitalistische Glücksspiel-Logik einbetten. Cosima Daum (*2000) vermittelt durch surreale Charaktere Darstellungen von Isolation und Gemeinschaft. Ihre Werke können als Metaphern für die oft unterliegenden Strukturen gesellschaftlicher Vereinzelung verstanden werden und regen dazu an, über die Natur des Miteinanders nachzudenken. Auch die realistischen Malereien von Soyeong Jeong (*2001) widmen sich zwischenmenschlichen Beziehungen. Insbesondere charakterisieren sie Motive der Freundschaft und Nähe. Ihre Bilder erwecken einen Eindruck von Intimität, der gleichzeitig von einem befremdlich voyeuristischen Blick gebrochen wird. Die Werke von Kristina Garac (*1994) thematisieren die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und Heilungsprozesse.Trotz der Popularität von Mental Health Awareness, erfahren sie gesamtgesellschaftlich nach wie vor wenig Akzeptanz. Garacs Arbeiten sind dabei von der Reflexion ihres eigenen, kroatischen Kulturkreises geprägt.

In Keramikarbeiten verknüpft Helena Hoffmann (*1998) eigene Kindheitserinnerungen mit der Auseinandersetzung über die weibliche Identität. Sie hinterfragt dabei die von patriarchalen Schönheitsidealen zugewiesene Femininität, die etwa im Tragen langer Haare zum Ausdruck kommt. Olga Lackner (*1996) greift in ihrer Keramikarbeit das Motiv des Mundes auf. Nicht nur der Sprechakt, sondern auch die Fetischisierung des weiblichen Körpers haften ihm an. Lackners Arbeit ist inspiriert vom Alltäglichen, in dem geschlechtsspezifische Erfahrungen und patriarchale Strukturen sichtbar werden. Die Grafiken von Vincent Brod (*1997) kritisieren männliche und kapitalistische Wertvorstellungen mit einem humorvollen Ansatz. Durch Referenzen aus Pop- und postdigitaler Kultur stellen sie bestehende Geschlechterrollen und gesellschaftliche Normen in Frage. Aus einer weiblichen Perspektive bezieht sich Nani Lee (*1991) auf die Idee männlicher Romantik, die symbolhaft im Motiv des Saxophons kulminiert. Mit der angestrengten Mimik des Pustens, die den teils traurigen Bemühungen der Verführung gleichkommt, verweist Lee auf einen Machismus, der belächelt werden darf. Die Arbeiten von Nellis Lisa Sartor (*1997) beschäftigen sich mit der Materialität von Luxusgütern, wie Schmuck und Textilien. Haben diese oft eine weibliche Konnotation, so sind sie gleichzeitig nur einer bestimmten Klasse zugänglich. Intersektional fallen hier verschiedene Formen kapitalistischen Begehrens zusammen.

Der zweite Teil der Ausstellung wird im Basis-Projektraum mit weiteren Künstler:innen vom 4.-14.5.2024 statt finden.

Letzte Änderung: 14.03.2024  |  Erstellt am: 14.03.2024

Notes on Shared Realities

Mit Arbeiten von: Annie Devlin, Cosima Daum, Helena Hoffmann, Nani Lee, Nellis Lisa Sartor, Olga Lackner, Soyeong Jeong und Vincent Brod

Dauer der Ausstellung:
16.-28.3.2024

MARS-Projektraum
Ginnheimer Landstr. 35
60487 Frankfurt am Main

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