Rache - Geschichte und Fantasie

Rache - Geschichte und Fantasie

Jüdisches Museum Frankfurt
Baseballschläger des Bear Jew aus

Von Gott zu Quentin Tarantino: Eine außergewöhnliche Ausstellung nimmt erstmals den Topos "Rache" in der jüdischen Kulturgeschichte in den Blick. Die Schau spannt einen Bogen von biblischen Erzählungen über rabbinische Schriften, judenfeindliche Mythen und jüdische Legenden bis hin zu populärkulturellen Erzählungen. In ihrem Zentrum stehen Zeugnisse der Ermordeten, die Rache für das Verbrechen der Schoa einfordern.

Rache ist ein schillernder Begriff. Er evoziert starke Gefühle wie auch Erinnerungen an überlieferte Ge-schichten. Rachehandlungen üben Vergeltung für Demütigung, Entrechtung, Gewalt und Mord. Sie folgen einer Logik von Gerechtigkeit, die außerhalb der heute geltenden Rechtsordnung liegt. Das war nicht immer so. In der Antike galt gemeinhin das Rechtsprinzip, dass Gleiches mit Gleichem zu vergelten sei. Dieses Rechtsprinzip liegt auch der Wendung „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ in der Tora zugrunde.

Im Laufe der Geschichte wurde diese Wendung von christlicher Seite häufig als Beweis für den Primitivismus des so genannten Alten Testaments angeführt. Dass die Rabbiner sie stets als eine Aufforderung interpretierten, Schadensersatz zu leisten, fand dabei keine Beachtung. Im Mittelalter kursierten viele Mythen über Rachehandlungen von Jüdinnen und Juden. Sie dienten häufig der Legitimation von Pogromen. Auch nach der Schoa war die Angst groß, dass jüdische Überlebende Rache nehmen könnten. Tatsächlich fanden jedoch nur wenige Rachehandlungen statt. Die Mehrzahl der Überlebenden und Hinterbliebenen hat vergeblich darauf gewartet, dass der systematische Raub und Massenmord rechtlich angemessen geahndet wird. Dieses Ausbleiben von Gerechtigkeit wirkt bis heute nach und beflügelt die Fantasie.

Die Ausstellung folgt den Spuren dieser Fantasie in der jüdischen Kulturgeschichte. „Rache: Geschichte und Fantasie“ präsentiert historische Dokumente und Fotos, Zeremonialobjekte und jüdische Schriften, Comics, Film- und Videoarbeiten, Werke der bildenden Kunst sowie zeitgenössische Auftragsarbeiten in einer szenischen Ausstellungsarchitektur. Die Ausstellung spannt einen Bogen von biblischen Geschichten über rabbinische Schriften bis hin zu jüdischen Legenden und Rachehandlungen von Jüdinnen und Juden an nationalsozialistischen Tätern. Ihren Ausgangspunkt bilden populärkulturelle Geschichten, in denen übermächtige Figuren sich für Machtlose einsetzen oder Rache an ihren Peinigern üben.

Jacopo Ligozzi (1547-1627), Judith und Holofernes, 1602 | © Foto: Galleria degli Uffizi, Florenz

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Rache: Geschichte und Fantasie“ präsentiert verschiedene Formen der Selbstermächtigung über die Jüdinnen und Juden zugefügte Gewalt. Sie beginnt mit einer Requisite aus Quentin Tarantinos Film “Inglourious Basterds” und endet mit einer Videoinstallation zu popkulturellen Rachedarstellungen. Dazwischen entwickelt sie einen Parcours, der zwischen historischen Geschichten und kulturellen Erzählungen oszilliert. Neben rächenden Figuren in der hebräischen Bibel geht der Rundgang sowohl auf rabbinische Schriften wie auch auf judenfeindliche Verschwörungsmythen ein. Er thematisiert Legendenfiguren wie Lillith und Golem ebenso wie jüdische „Outlaws“, die sich als Piraten und Räuber oder „Kosher Nostra“ organisieren. Zentrum des Rundgangs bilden die wenigen historischen Racheakte, die Jüdinnen und Juden an Repräsentanten des Nationalsozialismus verüben.

Die Ausstellung präsentiert historische Dokumente und Fotos, Werke der Bildenden Kunst, zeremonielle Gegenstände und jüdische Schriften, graphische Literatur, Film- und Videoarbeiten in einer szenischen Ausstellungsarchitektur. Sie mündet in einem Archiv-und Bar-Raum, in dem Graphic Novels und literarische Erzählungen, Videospiele und Fernsehserien, sozial- und geisteswissenschaftliche Texte zu finden sind. Besucher*innen können an der Bar mit den Ausstellungsmacher*innen sowie mit Künstler*innen ins Gespräch kommen, welche die Ausstellung im Rahmen eigens ausgeschriebener Residencies weiterentwickeln und kommentieren.

Gustave Doré, Der Tod Samsons, 1866, Holzstich, Illustration zur Bibel | © Foto: Jüdisches Museum Frankfurt

Begleitprogramm und -publikation

Ideengeber der Ausstellung ist der Lyriker und Publizist Dr. Max Czollek. Zusammen mit Museumsdirektorin Prof. Dr. Mirjam Wenzel und Kurator Erik Riedel gibt er auch die Publikation zur Ausstellung im Hanser-Verlag heraus. Ein umfangreiches kulturelles Programm mit Konzerten, szenischen Lesungen und Performances begleitet die Ausstellung. Zu Beginn findet ein wissenschaftliches Symposium zum Thema „Un-/Versöhnlichkeit – Kritische Erinnerungskulturen der dritten Generation” in Kooperation mit dem DFG-geförderten Nachwuchsforscherinnen und –forscher-Netzwerk „3G Positionen der dritten Generation nach Zweitem Weltkrieg und Shoah“ statt.

Letzte Änderung: 30.01.2022  |  Erstellt am: 30.01.2022

RACHE. GESCHICHTE UND FANTASIE

Jüdisches Museum Frankfurt
Bertha-Pappenheim-Platz 1
60311 Frankfurt am Main

Dauer der Ausstellung:
18.03.2022 – 17.07.2022

PurimParty und Vernissage
am 17.03.2022

Die jüdische Kulturgeschichte der Rache basiert auf dem Wunsch nach Selbstermächtigung, der für gegenwärtige Selbstverständnisse von jungen Jüdinnen und Juden von Bedeutung ist. An diesem Abend wird dem Wunsch freien Lauf gelassen. Mit einem Konzert der Klezmer Rock-Band Jewish Monkeys feiert das Jüdische Museum Purim – jenes traditionelle Fest, an dem sich alle aus Freude über die Rettung der persischen Jüdinnen und Juden vor dem geplanten Massenmord verkleiden und gemeinsam alkoholische Getränke genießen dürfen. Die Purim­Party umfasst folgende Elemente:

20 Uhr: Führungen durch die Ausstellung
21 Uhr: Konzert Jewish Monkeys
22.30 Uhr: DJ-Set Max Czollek und Daniel Laufer

Snacks und Drinks können gekauft werden. Wer verkleidet ist, zahlt keinen Eintritt; alle anderen zahlen 10 Euro.

Anmeldung unter: besuch.jmf@stadt-frankfurt.de

„Rache. Geschichte und Fantasie“ wird von einem umfangreichen kulturellen Programm begleitet, das neben Veranstaltungen auch Residenzprogramme und einen Podcast umfasst. Die Ausstellung wurde von Janis Lutz, Erik Riedel und Prof. Dr. Mirjam Wenzel in Zusammenarbeit mit dem Lyriker und Publizisten Dr. Max Czollek kuratiert.

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