Katzen würden Kitarren kaufen

Katzen würden Kitarren kaufen

Cornelius Quabeck in Köln
Cornelius Quabeck: Katzen würden Kitarren kaufen (blue), Linolschnitt, 2021

Der Musiker und Autor Frank Spilker über den Künstler Cornelius Quabeck und die gemeinsame Leidenschaft: das Gitarrespielen. Eine Ausstellung in Köln.

Cornelius Quabeck und ich haben ein Faible für die gleiche Gitarrenmarke.

Wenn man unter Musikern ins Plaudern kommt und Instrumente oder 19-Zoll-Geräte innerhalb kurzer Zeit, ohne dass man sich groß kennt, zum Thema werden, weiß man normalerweise, dass man einen Fuß im Steigbügel haben sollte. Viel zu oft ersetzt das Sammeln von Geräten oder Gitarren die eigentliche Arbeit, oder wie ich sagen würde, das eigentliche Vergnügen. Und oft haben die „Musiker“, bei denen das so ist, im Laufe der Zeit eine ganz perfide Technik entwickelt, dem Gegenüber in einer Gesprächssituation ein Schuldgefühl zu vermitteln, sobald diesem während einer längeren Konversation über Kabel, Nieten und Muffen die Augen zufallen, die paradoxerweise gleichzeitig in der näheren Umgebung einen Bekannten oder eine Bekannte zu erspähen versuchen, die den oder die Gesprächsunwillige aus der Situation befreien könnte.

Und dann kommt es wiederum zu Situationen, wo man selbst zu einer Art Nerd, Sammler oder auch einfach nur Fan von etwas Technischem wird, weil es zum Beispiel um die Gitarrenmarke geht, die sonst niemand aus der eignen Peer Group schätzt. Und dann hat man mal den oder die Richtige am Wickel und dann kann man endlich mal darüber reden. Aber ist eine Gitarre überhaupt etwas rein technisches? Ist eine Marke mit Identifikationspotential nicht per Se schon Teil der Pop kulturellen Sub-Kultur? Ist die Gitarre nicht, von ihrem Kultstatus einmal ganz abgesehen, ein Kunstwerk an sich und nicht bloß schnödes Handwerk?

Das mit dem Identifikationspotential ist bei der Marke „Hamer“ so eine Sache. An klingende Namen wie Rickenbacker, Burns (60s), Höfner (Beatles) oder die großen amerikanischen Hersteller (Gibson, Fender, Gretsch etc…), reicht ihr Ruf nicht heran. Wenn überhaupt war sie ein Begriff in der Metal Szene der 80er Jahre. In den mittleren bis späten 70ern wurden von der Firma hauptsächlich „Custom“ Gitarren gebaut, Einzelanfertigungen also, die unter anderem auf dem Flying V Modell von Gibson beruhten. Promotet, sprich, genutzt und in der Öffentlichkeit gespielt wurden diese von B Bands wie „Wishbone Ash“ oder „Jethro Tull“. Eine Phalanx der Ödnis von denen „Cheap Trick“ noch das Highlight waren.

1980 kam ein schlicht gestaltetes, einfarbig oder bunt lackiertes Modell heraus, das sich allgemein von den Gitarrenmodellen der siebziger Jahre abhob, die meist versuchten, „natürlich“ oder „menschlich“ zu wirken, indem sie die Holzmaserung erkennen ließen oder eine gewisse innere Wärme z.B. durch eine „Sunburstlackierung“ nach außen hin vermittelten. Die „Hamer Special“ wurde mein Modell, weil sie eine Musterunterbrechung symbolisierte und damit das zum Ausdruck brachte, was ich unter Punk verstand. Gleichzeitig referenzierte ihre Lackierung den Konstruktivismus der frühen 20er Jahre, ohne dass der Designer sich dessen wahrscheinlich vollkommen bewusst war. Zu dieser Zeit wurde viel experimentiert, um der Marke „Hamer“ einen Platz im hart umkämpften Mittelklasse Markt zu sichern. Ein Glücksfall für mich: das Ding sah nicht nur gut aus, es war auch noch gut verarbeitet und zuverlässig. Die Marke Hamer ist vor ein paar Jahren eingegangen. Alle Versuche, im Markt zu bestehen, waren gescheitert, sie wurde an Fender verkauft und 2014 schließlich ganz aufgegeben. Was geblieben ist, ist eine Legende, die damit beginnt, dass ein paar Leute in Illinois hervorragende Custom Gitarren bauen. Und genau das tun sie teilweise heute noch.

Im September 2016 bestellt Cornelius Quabeck seine eigene persönliche Gitarre bei Mike Shishkov. Es wird die Nummer 80 aus der Hand des ehemaligen Hamer Gitarrenbauers unter eigenem Namen werden und die erste Shishkov Flying V. Das ist ein halbes Jahr nach dem Umzug von Quabeck nach Glasgow ins Westend auf die Wilton Street. Da es mit dem Malen dort noch nicht so voran geht, wird erst mal eine Gitarre bestellt. Das ist für mich als Musiker eine vollkommen nachvollziehbare Handlung. Im April 2017 geht es dann nach Barkhamsted in Connecticut, wo das Holz ausgesucht und die Inlays (das sind die Muster auf dem Griffbrett) nach Linolschnitten des Malers gefertigt werden. Es wird aber noch einmal ein ganzes Jahr dauern, bis die Gitarre endlich fertig sein wird.

In der Zwischenzeit findet Quabeck die Antwort auf die Frage „Was malen?“ in seinem direktem Umfeld. Das Fenster im Wohnzimmer seiner Wohnung wird zum Rahmen des ständig wechselnden Naturschauspiels. Flächen und Farben des Himmels. Die Malerei steht im Mittelpunkt. Er arbeitet jetzt hyperaktiv: ein Bild pro Monat. Insgesamt werden es 19 Ansichten. Seine Art der figurativen Malerei entspricht nicht dem Ansatz der lokalen Szene in Glasgow und aus dem Gedanken „in Glasgow wird lieber auf Plastiktüten gemalt, als auf Leinwand,“ entstehen später tatsächlich Illustrationen auf Plastiktüten, die dann bei Martin van Zomeren in Amsterdam gezeigt werden. Die Ansichten des Himmels von Glasgow müssen erst einmal warten. Zwischendurch wird auch immer wieder Musik gemacht. Seit Juli 2018 mit der endlich gelieferten Kult Gitarre. Im Sommer 2020 nachdem auch die Fenster endlich mit einer Ausstellung gewürdigt worden sind, entstehen zum erstem Mal Bilder von der Gitarre vor dem Glasgow Himmel. Es wird eine Serie von Portraits, die nach Kirchentonarten benannt sind. So fusionieren nicht nur der Himmel, die Malerei und das Illustrative der Portraitserie miteinander, sondern letztlich auch das Visuelle und die Musik, zumal neben den Bildern auch noch ein Album entsteht (Die hektischen Flecken – Mikroaggression). Zu dem Album wiederum erscheinen Illustrationen und Transkriptionen, weil ja, wenn nicht alles eins ist, zumindest alles mit allem zusammenhängt.

Frank Spilker, März 2022

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Cornelius Quabeck and I both have a soft spot for the same guitar brand.

When you start chatting among musicians without knowing each other very well, and musical instruments or 19 inch equipment become topical pretty much straight away, you usually know that you should have one foot out the door. Too often, the collecting of equipment or guitars replaces the actual work or, as I would say, the actual enjoyment. The musicians in question have oftentimes developed perfidious techniques over time to convey a feeling of guilt to their vis-à-vis as soon as one is starting to fall asleep during a lengthy conversation about cables, rivets, and sleeves, the half-shut eyes desperately scanning the location for any familiar face to save one from this situation. And then there are situations where you find yourself in the role of some sort of nerd, collector, or simply fan of something technical because it is about, let’s say, a guitar brand nobody from the peer group appreciates. And then you encounter the right person at the right place, and you can finally have a conversation about it. But is a guitar even solely technical? Isn’t a brand with considerable identification potential a part of a pop-cultural subculture per se? Isn’t the guitar, leaving aside its cult status, an artwork in itself and not just mere handicraft?

The thing with the identification potential is a little ambiguous for the brand “Hamer”. It can’t compete with fine-sounding names like Rickenbacker, Burns (60s), Höfner (Beatles), or the big American manufacturers (Gibson, Fender, Gretsch, etc…). If at all, it might have been a household name in the metal scene of the 80s. During the mid-to-late 70s, they were mainly building custom guitars, one-off productions for that matter, based on Gibson’s Flying V model among others. They were promoted – that is publically played – from B bands like “Wishbone Ash“ or “Jethro Tull“. A drabness of which “Cheap Trick“ certainly were the highlight.

Then in 1980, a simply designed, monochrome or brightly varnished model was released, standing out from the other guitar models of the seventies that were oftentimes trying to seem “natural” or “human” by revealing the grain of the wood, or by expressing a certain inner warmth through a “sunburst finish” for example. The “Hamer Special” became my model because it symbolized a pattern break, and thereby underlined my understanding of punk. At the same time, its varnish referenced the constructivism of the early 20s, probably without the designer being fully aware of it. At that time there was a lot of experimentation to secure “Hamer” a hard-fought spot within the middle-class market. A stroke of luck for me: not only did the thing look good, but it was also well-crafted and reliable. The brand Hamer was abandoned a few years ago. All attempts to survive on the market had failed, and it was sold to Fender until they let it die for good in 2014. What remains is a legend that begins with a few people in Illinois building excellent custom guitars.

And that’s exactly what some of them are still doing to this day.

In September 2016, Cornelius Quabeck orders his very own custom guitar from Mike Shishkov. It will mark number 80 from the hands of the former Hamer guitar builder under his own name, and the first Shishkov Flying V. This is half a year after Quabeck’s move to Wilton Street in Glasgow’s west end. Since painting isn’t progressing that well there, a guitar is being ordered – an act completely reasonable to me as a musician. In April 2017, the wood is being selected in Barkhamsted, Connecticut, and the inlays (the patterns on the fingerboard) are being manufactured based on the painter’s linocuts. It will take another whole year until the guitar will finally be finished. In the meantime, Quabeck finds the answer to the question “What to paint?” in his immediate surrounding. The living room window becomes the frame of the constantly changing spectacle of nature. Surfaces and colors of the sky. Painting is central. He now works hyperactively: one painting per month. They will amount to 19 sights. His style of figurative painting is not in line with the approach of the local Glasgow scene, and from thinking “In Glasgow, people prefer to paint on plastic bags rather than on canvas”, actual illustrations on plastic bags arise, which are then shown by Martin van Zomeren in Amsterdam. The views of Glasgow’s sky will have to wait first. Music is also being made in between. From July 2018 on with the finally delivered cult guitar. In summer 2020, after even the window paintings have finally been honored with an exhibition, paintings of the guitar in front of Glasgow’s sky emerge. It will be a series of portraits, named after church modes. This way, not only the sky, the painting, and the illustrative features of the portrait series merge together, but ultimately the visual and the music as well, especially since an album is being created alongside the paintings (Die hektischen Flecken – Mikroaggression). In turn, illustrations and transcriptions for the album appear, because if everything is not one, at least everything is connected with everything else.

Frank Spilker, March 2022

Letzte Änderung: 22.03.2022  |  Erstellt am: 22.03.2022


Cornelius Quabeck
Katzen würden Kitarren kaufen

Eröffnung:
25. März 2022 / 16-21 Uhr

Dauer der Ausstellung:
25. März – 23. April 2022

JUBG
Albertusstrasse 13-17
50667 Köln

www.jubg.space

https://corneliusquabeck.com/
https://frankspilker.de/

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