Image Capital von Estelle Blaschke und Armin Linke

Image Capital von Estelle Blaschke und Armin Linke

Ausstellung
Armin Linke: Priva, tomato greenhouse, Priva Campus, De Lier, Netherlands, 2021  | © Armin Linke for the project Image Capital by Estelle Blaschke & Armin Linke, 2021

Fotografie kann Werte generieren oder zur Wertschöpfung genutzt werden. Ganz besonders reizvoll ist es dann, wenn sie „im Zentrum kapitalistischer Gesellschaftslogik“ präsentiert wird. Das zuvor im Museum Folkwang in Essen und im Centre Pompidou in Paris sowie – gerade beendet – im MAST Bologna präsentierte Langzeitprojekt „Image Capital“ von Estelle Blaschke und Armin Linke gastiert zurzeit in Eschborn. Es erkundet die Fotografie in ihrer Funktion als Informationsmedium. Die Ergebnisse dieser künstlerisch-wissenschaftlichen Forschung sind über eine Webpublikation frei und jederzeit zugänglich. Seltener bietet sich dagegen die Gelegenheit, die Deutsche Börse Photography Foundation in Eschborn zu besuchen. Isa Bickmann empfiehlt dazu in ihrer Kurzkritik den „Open Saturday“ am 20. Januar 2024.

Im Zuge eines erweiterten Fotografiebegriffs gilt es, sich mit bildgebenden Prozessen zu beschäftigen, die Nutzbarmachung durch Kapitalinteressen sichtbar machen und die Digitalisierung betreffende Denkanstöße liefern. In vier Kapiteln, wobei das vierte speziell für den Ausstellungsort der Neuen Börse geschaffen wurde, formen die Fotografiehistorikerin Estelle Blaschke und der Künstler Armin Linke aus ihren Befunden eine Art „Landschaft“, wie sie es selbst nennen. Großformatige Fotografien Linkes sind zu Triptychen geteilt, wobei das Fotopapier sich in den Raum wölbt, und die Forschungsergebnisse Blaschkes liegen in Vitrinen als gleichwertiger Teil der Rauminstallationen.

Deutlich wird besonders im Bezug auf die Speicherung von Bildern und Daten, welche wichtige Rolle nach wie vor die analoge Fotografie spielt. Das Kapitel „Memory“ widmet sich dem Archivcharakter von Fotosammlungen, visualisiert mit einem wunderbaren Werk Linkes. Es handelt sich um einen Blick in die Fotothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, eine der größten und bedeutendsten Fotosammlungen der kunsthistorischen Forschung, das die Jetztzeit über eine Überwachungskamera, mit dem Fotokopierservice für Forschende und dem betagten Karteikasten vereint.

Dass der analoge Mikrofilm immer noch das Mittel der Wahl ist, wenn es um die Sicherung und Speicherung geht, mag im Abschnitt „Protection“ überraschen. Schon der Gründer von Kodak, George Eastman, der übrigens in der Bankbranche tätig war, investierte in dieses Medium. Es schlägt mit einer prognostizierten Lebenszeit von 500 Jahren digitale Formate um Längen. Der Iron Mountain Data Center im US-amerikanischen Boyers (Pennsylvania), 70 m unter der Erde in einer ehemaligen Kalksteinmine mit 200 Hektar Fläche, ist so ein Ort, an dem Linke fotografiert hat. Er zeigt das historische Bildarchiv von Getty Images.

Fotografische und filmdokumentarische Einblicke in die Orchideen- und Cocktailtomatenzucht lassen Überraschendes über Agrarproduktion im Kapitel „Mining“ lernen. Während die Orchideenproduktion, in der die Pflanzen über die Fotografie laufend kontrolliert und rund um die Uhr betreut werden, alles völlig automatisiert abläuft, werden allein für das Befestigen der Zweige an den Haltstäben menschliche Hände gebraucht, da Maschinen bei diesem Produktionsschritt dann doch zu grobschlächtig sind. Die Fotografie ist hier reines Instrument, das in der Firma Ter Laak Orchids über KI-Prozesse die Produktion von 8 Millionen Orchideen überwacht und optimiert. Die beiden Feldforscher erzählen, wie für bestimmte Märkte produziert wird, da man in Südeuropa eher Orchideen mit geöffneten Blüten kauft und in Nordeuropa geschlossene Blüten bevorzugt.

Thematisch schließt sich der Abschnitt Currency an mit visuellen Darstellungen von auf Mikrofilmen dokumentierten Schecks bis hin zur visuellen Unterstützung der Bewegungen von echten Geldmengen oder Finanzdatenströmen und reagiert damit auf den Ausstellungsort. Es sind gerade die hochtechnologisierten Funktionen der digitalen Fotografie als Informationstechnologie, die hier deutlich machen, wie abhängig wir davon sind. Unsere Kultur(geschichte), unsere Produktion, unser Kapital stehen immer mehr in Abhängigkeit von dieser revolutionären Erfindung des 19. Jahrhunderts.

Letzte Änderung: 17.01.2024  |  Erstellt am: 11.01.2024

Image Capital von Estelle Blaschke und Armin Linke

Dauer der Ausstellung:
13. Oktober 2023 bis zum 21. Januar 2024

Deutsche Börse Photography Foundation
The Cube
Mergenthalerallee 61
65760 Eschborn

https://www.deutscheboersephotographyfoundation.org

Ein Besuch ist nur im Rahmen von Führungen und Veranstaltungen möglich. Am „Open Saturday“, Samstag, dem 20. Januar 2024, kann man zwischen 11 und 16 Uhr ohne Voranmeldung kostenfrei die Ausstellung auf der oberen Ebene des Foyers besuchen (ein Ausweisdokument ist vorzulegen). Dabei empfiehlt sich auch ein Besuch der Präsentation der Neuerwerbungen der Foundation im Erdgeschoss. Die im intercom Verlag erschienene digitale Open–Access–Publikation kann über https://image-capital.com kostenfrei abgerufen werden.

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