HEAVY META / SHADOWLAND

HEAVY META / SHADOWLAND

JAGODA BEDNARSKY und FELIX KULTAU im OLDENBURGER KUNSTVEREIN

In der Ausstellung HEAVY META/SHADOWLAND verdichtet sich die langjährige Zusammenarbeit der beiden in Berlin lebenden Künstler, die vor kurzer Zeit das Stipendium der Pollock-Krasner-Foundation erhalten habe.

Das Unheil hat sich angekündigt: Leerstellen klaffen im grinsenden Gebiss einer vormals rosigen Zukunft. Kein gutes Omen, so ein Zahnverlust, sagt die Traumdeutung. Tod, Konflikt, Kontrollverlust – Auslegungssache. Die Attraktion des Unheimlichen verbietet Eindeutigkeit. Jagoda Bednarsky und Felix Kultau optieren auf die skurrile Verheißung rauschhafter Bildwelten. Der Ausbruch aus der gesellschaftlichen Ordnung ist auf Kultaus Spindtüren nur eine Tollkirsche weit entfernt. Bednarskys Gockel trippen bereits. Mit irren Pupillen und Augenringen bis an den Kehllappen wabern sie inmitten psychedelisch vibrierender Farbfelder. Schon erschöpft, aber noch wach.
Zum fünften Mal stellen Bednarsky und Kultau gemeinsam aus. „Heavy Meta / Shadowland“ ist das Destillat eines Ringens um Abgrenzung. Bednarsky und Kultau haben gemeinsam an der Frankfurter Städelschule studiert, ihre künstlerische Praxis individuell entwickelt und das Gegenüber doch immer wieder im eigenen Werk durchscheinen sehen. Die Scheu vor dem Topos Künstlerpaar sollte sich, wenn nicht als unbegründet, dann als bezwingbar erweisen. Im Oldenburger Kunstverein mag Kultaus hölzerner Paravent den Blick auf Bednarskys Malerei verstellen, gleichzeitig dirigiert das vermeintliche Hindernis Betrachtende der Leinwand entgegen. Der Umweg schärft den Blick: ihr Tropfen, seine Träne, ihr verblassendes Rosenmeer, seine übergroße Heilpflanze.
„Heavy Meta / Shadowland“ ist satt an Reizen und Referenzen. Spitze Nippel, sakrale Fensterbögen, Gaukler an Schalmei, Artemis vor Hirsch. Hinter der ästhetischen Überwältigung schwelen Unbehagen und Skepsis in Anbetracht einer Gegenwart, in der existenzielle Angst als Anxiety verwässert und die Frontkamera des Smartphones als Substitut zwischenmenschlicher Nähe herhalten muss. Fasziniert von der Groteske wandeln Bednarsky und Kultau lustvoll auf den Pfaden schwarzer Romantik. Im Schummerlicht der Leuchtkästen unter dem prüfenden Blick der Mondsichel berühren sich in ihrem „Heavy Meta / Shadowland“ Fantasie und Wahnsinn. „Dunkle Ahnungen eines gräßlichen, mir drohenden Geschicks breiten sich wie schwarze Wolkenschatten über mich aus.“ So prophezeit der Student Nathanael seinen Untergang in E. T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“. Der Schatten wird Vorbote des Verhängnisses.
Wer aufsteigt, wird andere in den Schatten stellen. So heißt es doch. Auch Bednarsky und Kultau werfen Schatten – jedoch solche, die ineinandergreifen, wo sie im Kern zusammengehören. Die schicksalhafte Verklärung des Abgründigen liegt ihnen fern. Kultau kommentiert konformistisches Ordnungsmobiliar mit einem Sechs-Punkte-Plan zum Glück. Bednarsky theatralisiert die Abendröte mit Schleife. Die Überzeichnung der Sehnsucht rückt den Traum in die Realität.
Einst ließ Heinrich Heine ein Fräulein am Meere stehen. Die Sonne ging unter und das Fräulein seufzte ob des anstehenden Verlusts. Da kam, frei nach Bednarsky, der Herr Romantik und sagte: „Komm mal runter, die kommt ja morgen wieder.“ Am Ende des Ausstellungsraums inszeniert ein Vorhang einen Anfang. Eine hölzerne Hand rafft den Stoff für ein klein wenig betörende Perspektive – and they say chivalry is dead.

Jagoda Bednarsky

Gaps appear in the pearly smile of a once-bright future, signalling the arrival of disaster. In dream interpretation, the loss of teeth is not a good omen. Death, conflict, loss of control – it’s a matter of interpretation. The attraction of the uncanny forbids unambiguity. Jagoda Bednarsky and Felix Kultau opt for the ludicrous promise of intoxicating visual worlds. On Kultau’s locker doors, the breakdown of the social order is only a belladonna away. Bednarsky’s roosters are already tripping. With mad pupils and eye rings extending to the wattles, they swirl amidst psychedelically vibrating fields of colour. Already exhausted, but still awake.
Bednarsky and Kultau are exhibiting together for the fifth time. “Heavy Meta / Shadowland” is the distillate of a struggle for demarcation. Bednarsky and Kultau studied together at the Städelschule in Frankfurt, developed their artistic practice individually, and yet always saw the other shine through in their own work. The aversion toward the topos of the artist couple would prove to be, if not unfounded, then surmountable. In the Oldenburg Kunstverein, Kultau’s wooden screen may obstruct the view of Bednarsky’s painting, but the supposed obstacle directs viewers towards the canvas at the same time. The diversions sharpen the view: her drop, his tear, her fading sea of roses, his oversized medicinal plant.
“Heavy Meta / Shadowland” is replete with stimuli and references. Pointed nipples, sacred window arches, juggler with shawm, Artemis and the stag. Behind the overpowering aesthetic, trepidation and scepticism simmer in the face of a future where existential dread is diluted as anxiety and the front camera of a smartphone serves as a substitute to interpersonal connection.
Enthralled by the grotesque, Bednarsky and Kultau take a sensual stroll down the paths of black romanticism. In the dim illumination of the light boxes, under the scrutinising gaze of the crescent moon, fantasy and madness touch in their “Heavy Meta / Shadowland”.
“Dark forebodings of a cruel, threatening, fate spread themselves over me like dark clouds,” is how the student Nathanael prophesies his downfall in E. T. A. Hoffmann’s “The Sandman”. The shadow becomes the harbinger of doom. Those who rise cast a shadow over others. Or so they say. Bednarsky and Kultau also cast shadows, yet these shadows entwine where they fundamentally belong together. The fateful transfiguration of the abject is far from their minds. Kultau comments on conformist organisational furniture with a six-point plan to obtain happiness. Bednarsky theatricalises the evening glow with a ribbon. The exaggeration of longing pushes the dream into reality.
Heinrich Heine once had a maiden stand by the sea. The sun was setting and the maiden sighed at the impending loss. Then, freely adapted from Bednarsky, Mr. Romantic came along and said, “Calm down, it’ll be back tomorrow.” At the end of the exhibition space, a curtain enacts a beginning. A wooden hand gathers the fabric to provide a little bit of beguiling perspective – and they say chivalry is dead.

Letzte Änderung: 06.07.2023  |  Erstellt am: 16.06.2023

JAGODA BEDNARSKY & FELIX KULTAU
HEAVY META / SHADOWLAND

Dauer der Ausstellung:
bis 30. Juli 2023

OLDENBURGER KUNSTVEREIN
Damm 2a
26135 Oldenburg
https://www.oldenburger-kunstverein.de/

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