DIE WEHEN DER MODERNE ODER ETÜDEN DER FORM
Max Baur war in seinem Schaffen stark durch die Avantgarde und das Bauhaus beeinflusst. Mit seiner eigenwilligen künstlerischen Arbeit wie auch mit seiner meisterhaften Auftragsfotografie für Werbung, Architektur und Industrie etablierte Baur ganz neue, eigene Sichtweisen – dabei war er immer Meister der schlichten Eleganz, mit einem begnadeten Gefühl für die Schönheit der einfachsten Formen. Seine Fotografien sind nun in Wiesbaden bei Klaus Kleinschmidt ausgestellt.
Vor 125 Jahren – am 4. Februar 1898 – erblickte er das Licht der Welt – sein Licht. Vor bald 35 Jahren – am 16. Dezember 1988 – starb er in Aschau. Er hinterließ der Nachwelt ein Werk von Lichtbildern, das in seiner Schönheit einzigartig ist. Max Baur, geboren damals in Günzburg an der Donau, gilt als Wegbereiter der Fotografie im 20. Jahrhundert. Vor dem 1. Weltkrieg absolviert er seine Lehre als Buchhändler. In den 1920er Jahren verdient er seinen Lebensunterhalt mit Jobs. Seine erste Werkstatt gründet er 1928 in Wernigerode. Die Landschaft des Harz inspiriert ihn zu einer staunenden Haltung. Viele der frühen Arbeiten zeigen Landschaften. Wenig später entdeckt Max Baur seine Passion für die Architektur. Wahre Ikonen im ‘Geist des Bauhaus’ gelingen ihm in dieser Zeit. Im Jahr 1928 eröffnet der Autodidakt, der zunächst nur ‘Bauhaus’ im Sinn hat, dabei später durchaus Eigensinn entfaltet, den ersten florierenden Postkarten-Verlag.
Im Jahr 1933 lernt Max Baur den Schriftsteller Hermann Hesse kennen. Dessen Form der Prosa hat es ihm angetan – und jenem: Baurs Poetik luzider Form. Aus Ästheten werden Freunde. Zum Licht drängt Baur fortan: “Licht ist für uns Lichtbildner alles.” Er nimmt diese Berufung wörtlich. Im Folgejahr 1934 erwirbt der Fotograf seinen Meistertitel und wird Mitglied der renommierten Gesellschaft Deutscher Lichtbildner. Ein Besuch in Sanssouci wird ihm schließlich zur Erweckung. Im selben Jahr noch verlegt Baur sein Atelier nach Potsdam, wo ihm mit Aufnahmen von dem Park sorglose Elegien gelingen. Bald folgen kühnere Werke von Architekturen. Damit gerät er in die Scheren der Politiken seiner Zeit. Albert Speer wird auf Max Baur aufmerksam. Versöhnt letzterer doch wie kein anderer vor ihm und jemals auch nach ihm die Weihen der Klassik mit den Wehen der Moderne. Ihre Geburt hilft dem Genie zum Werk auf. Speers Spitze?
Die Vorbilder aus der Epoche der Weimarer Klassik schienen mit dem Tod Goethes 1832 perdu. Die Weimarer Republik ist – ein Säkulum später – im Jahr 1932 am Ende. Dem Wandel trotzt die Epoche die Wiedergeburt der Antike im dritten Aufguß ab. Dabei feierte weiland anno 1840 der geendete Klassizismus seine zweite Reprise in Gestalt des deutschen Biedermeier. Die Nazis streben nach der Heroik eines ‘neuen Klassizismus’ mit politischem Pathos. Max Baur geht einen anderen Weg. Den der Sachlichkeit. Privat zieht Max Baur nach Potsdam, wo 1937 sein erster Fotoband erscheint. Im Jahr 1944 desertiert er nach Süddeutschland. Und Potsdam ruft. Zurück dorthin verläßt er die Stadt mit seiner Familie 1953 abermals und läßt sich diesmal endgültig in Aschau im Chiemgau nieder. Dort eröffnet er sein Atelier für Fotografie. Max Baur stirbt 1988 in München. Seine zahlreichen Mappenwerke über Potsdam, Rügen, deutsche Städte, Landschaften, Kirchen weisen ihn als vollendeten Meister in seinem Metier aus. Heute gilt er als einer der ganz großen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Keiner verband Eleganz in der Komposition so gekonnt und kongenial mit der stillen Wucht der Wehmut jener Klassik gegenüber der erwachten Moderne.
Die Natur war zeitlebens seine Leidenschaft. Max Baur wurde vor allem durch seine Pflanzen- und Landschaftsstudien zu einem großen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Er selbst bezeichnete sich lieber als ,Lichtbildner’. Denn Licht war für ihn das wichtige gestalterische Mittel der Fotografie. Zum ersten Sujet geriet ihm die Architektur, in der er das ideale Außenlabor seiner Lichtstudien fand. Potsdam hatte es ihm
angetan und das Schloss Sanssouci, wo er viel Zeit verbrachte und die Umgebung als unnahbar-nebulöse Elegie wahrnahm. Er nahm sich dabei stets Zeit, um das Motiv bei idealer Lichtführung perfekt in Szene zu setzen. Diese Liebe zum Detail und die Freude an fließenden Formen finden sich in seinen Fotografien wieder. Seine Werke wirken stoisch und für ein letztes Mal kontemplativ. Sie sind modern und dabei romantisch. Max Baur fand im Geist der Zeit, wie kaum ein anderer zuvor, den Blick der Neuen Sachlichkeit. Gesucht hat er ihn mit äußerster Stilisierung. Er gilt gewissermaßen als der ‘Erfinder’ der Sachaufnahme in der Werbung – und liebte die Blumen.
In seinem Schaffen ist Max Baur stark durch die Avantgarde und teils durch das Bauhaus beeinflußt. Mit seiner Fotografie, sonders den Auftragswerken für Werbung und Industrie, etabliert er eine radikal neue Sichtweise – immer in schlichter Eleganz und mit einer Begabung für die Schönheit purer Formen. In seinen Architektur- und Industriebildern nimmt er die formalen Ausdrucksmittel heutiger Bildsprachen voraus. Als Landschafts-Fotograf ist Max Baur bis heute wenigen bekannt. Das ist umso erstaunlicher, da seine Bilder in ihrer Strahlkraft, zumal ganz mühelos, an die großen Namen der amerikanischen Landschafts-Fotografie eines Ansel Adams oder Edward Weston heranreichen. Seine Stillleben künden vom Aufbruch in die Moderne und prägen bis heute die Werbefotografie: sachliche Formstudien von Alltagsdingen in kühler Harmonie und seltener Stilisierung – zudem betont fokussiert in der Lichtführung und extrem stringent in der Perspektive.
Kleinschmidt Fine Photographs zeigte 2014/15 zum Auftakt ‘Studien mit der Kamera’ – die erste One-Man-Show mit rarer Vintage Qualität. Darin eine Auswahl schönster Veduten von Max Baur. Jene 23 Miniaturen schenkte er zu Weihnachten 1948 Ruth Pausin mit der Widmung – “meinem jüngsten Lehrling zugeeignet”. Die zweite One-Man-Show 2017 trug den Titel ‘Lichtbild als Landschaft’. Diese gab Einblick in den Prozeß einer Umwandlung bei Max Baur: aus Licht wird Form, als Form gerinnt Landschaft zum Lichtbild. Die dritte Werkschau mit dem gleichermaßen elegischen wie erzählenden Titel ‘Im Park von Sanssouci’ bestach mit Originalen aus dem Frühwerk von Max Baur, das seltsam zwischen Modernität und Romantik schwankt. Sie zeigte: jedes Lichtspiel trieb immer auch ein Schattenspiel inmitten dieser von allerlei Zäsuren bedrohten 30er Jahre. “Sorglos” im Sinn der Idylle war damit auch jene Baur-Schau nicht. Wo indes die Schatten länger wurden, wie an der Potsdamer Friedenskirche dort, da wich alsbald auch das Licht. Es dämmerte.
Die vierte Ausstellung ‘Etüden der Form’ ist eine einzige Hymne auf die Eleganz. Apollo hätte im Olymp der Götter gewiß seine himmliche Freude daran gehabt bei derart viel Ebenmaß im Bildaufbau. Doch all dies Ebenmaß und der Stil waren für Max Baur nicht Selbstzweck, sondern dienlich. Sie dienten jenem Antiken-Ideal: “edle Einfalt, stille Größe” – eben der Wesentlichkeit. Es ging ihm darum, das Wesen der Dinge im Lichte des Bildes zu ergründen. Sein Motto dabei: “Es gibt nur eine Sonne.” In den USA hat man Max Baurs Rang längst erkannt. Diese vierte One Man Show zu einem bestimmten Sujet oder Topos bestückt mit Originalen von Max Baur – alle 25 sog. Vintage Abzüge, datiert, signiert von Hand aus dem Frühwerk – beginnt am Vortag zu seinem 125. Geburtstag – am 3. Februar. Die Schau endet am 17. März 2023.
Text: Klaus Kleinschmidt
Letzte Änderung: 01.03.2023 | Erstellt am: 01.03.2023
DIE WEHEN DER MODERNE
ODER ETÜDEN DER FORM
125 JAHRE MAX BAUR
Dauer der Ausstellung:
3. Februar – 17. März 2023
Kleinschmidt Fine Photographs e. K.
Steubenstraße 17
65189 Wiesbaden
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