Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild
Im Frankfurter Museum Angewandte Kunst beginnt eine Schau, die es in sich hat. Sie rekonstruiert in Teilen die Sammlung des hochangesehenen Mäzens Maximilian von Goldschmidt-Rothschild, der 1907 als einziger Jude von Kaiser Wilhelm II. in den preußischen Freiherrenstand erhoben worden war – und 1938, mit Mitte neunzig, gezwungen wurde, seine Schätze und Immobilien an die Stadt Frankfurt zu verkaufen. Sein Wohnhaus wurde zum Museum für Kunsthandwerk, seine Gemälde kamen ans Städel, die Skulpturen an das Liebieghaus. Es schmerzt, zu lesen, wie sich die Museumsdirektoren nach dem Krieg gegen die Rückgabeforderungen der Erben wehrten. Ein Großteil wurde dann doch restituiert und 1950 bei Auktionen in alle Welt zerstreut. Jetzt sind viele der erstaunlichen Objekte, Reliquien, Schnupftabakdosen, Miniaturen, Louis-XV-Möbel, wieder in Frankfurt zu sehen, zum Beispiel der manieristische Hippokamp als Trinkgefäß und die lustige Eule, die ebenfalls vom Ende des 16. Jahrhunderts stammt und nun als Leihgabe aus Los Angeles angereist ist. Durch seine Sammlung ist zu spüren, welche Liebe und Wertschätzung Maximilian von Goldschmidt-Rothschild für Objekte verschiedenster Jahrhunderte hatte. Es ist, als ob sich lauter Fenster mit Blick auf die Weltgeschichte öffnen.
Das Museum Angewandte Kunst widmet sich als erstes Museum in der Ausstellung Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild dem Privatsammler und Mäzen sowie seiner einstigen Kunstsammlung. In ihrer Geschichte spiegelt sich der Lebensweg ihres im Nationalsozialismus als Jude verfolgten Sammlers wider. Im Fokus der Ausstellung stehen daher der NS- verfolgungsbedingte Verkauf der Sammlung an die Stadt Frankfurt am Main im Jahre 1938, die anschließende Übereignung ihrer kunsthandwerklichen Stücke an das Museum für Kunsthandwerk (heute Museum Angewandte Kunst), und die Rückgabe eines Großteils der Sammlung an die rechtmäßigen Erben nach dem Zweiten Weltkrieg.
Als einzige Person jüdischer Herkunft erfuhr Maximilian von Goldschmidt-Rothschild unter Kaiser Wilhelm II. 1907 die Erhebung in den preußischen Freiherrnstand. In seiner Person vereinen sich beruflicher Erfolg, Bildung und philanthropisches Engagement. Als leidenschaftlicher Kunstsammler pflegte er europaweit Kontakte zu Museumsdirektoren und Kunsthändlern. Seine mehr als 1500 Objekte umfassende Privatsammlung galt Anfang des 20. Jahrhunderts als eine der bedeutendsten in Deutschland.
Diese musste er 1938, wie auch seine Residenz, das Rothschild-Palais, unter nationalsozialistischer Verfolgung an die Stadt Frankfurt verkaufen. Das Palais und mithin der kunsthandwerkliche Teil der Sammlung wurden zum Museum für Kunsthandwerk II. erklärt. Die Gemälde der Sammlung erhielt das Städel Museum, die Skulpturensammlung übernahm das Liebieghaus. Dieser Ankauf durch die Stadt Frankfurt war der wohl spektakulärste Fall städtischen Kunst- und Eigentumserwerbs während der NS-Zeit in Frankfurt.
Auf das Ersuchen der Erben um Restitution der Sammlung seit 1945 versuchten die Stadt Frankfurt und die seit des NS weiterhin verantwortlichen Museumsdirektoren sich zunächst vehement einer Rückgabe zu erwehren. Anfang 1949 restituierten die Museen schließlich den Großteil der Kunstgegenstände im Zuge eines Vergleichs zwischen den Erben und der Stadt Frankfurt. Zahlreiche Objekte wurden 1950 auf zwei großen Auktionen in New York versteigert oder verteilten sich über den US-amerikanischen Kunsthandel weltweit auf Museen und Privatsammlungen. Bis in die Gegenwart verleiht die Herkunft aus der einstigen Sammlung Maximilian von Goldschmidt-Rothschilds den Objekten einen besonderen Provenienzwert.
Die für das Museum Angewandte Kunst in der Erarbeitung und Ausführung aufwendigste Ausstellung Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild präsentiert die Sammlung und ihre Biographie im Spiegel der Geschichte des Museum Angewandte Kunst. Dabei stützt sie sich mit einer kritischen Betrachtung der eigenen Institutionsgeschichte auf die jüngsten Ergebnisse der Provenienzforschung am Museum. Diesbezüglich präsentiert und hinterfragt die Ausstellung Objekte der Sammlung, die sich noch heute im eigenen Bestand befinden.
Zudem kommen erlesene internationale Leihgaben aus namhaften Museen und aus dem Privatbesitz hinzu: seltene mittelalterliche Reliquien, wertvolles frühneuzeitliches Kunsthandwerk (Gefäße, Silberpokale, Bestecke, Skulpturen, Majoliken, Email-Gläser, Porzellan, Miniaturen und Schnupftabakdosen), aber auch erlesene altmeisterliche Gemälde sowie Louis XV. Möbel. Die Kontextualisierung der Kunstobjekte und der Sammlungsgeschichte im Spannungsfeld von „Leerstelle“ und „Rekonstruktion“ bietet hierbei den ästhetischen Ausgangspunkt. Die Ausstellung ist für Frankfurt am Main von besonderer (kunst)historischer Relevanz und (kultur)historischer Brisanz und stellt gleichzeitig erstmals zeitgenössische globale Zusammenhänge zwischen den Exponaten und ihrer Provenienz her.
Letzte Änderung: 27.01.2023 | Erstellt am: 27.01.2023
Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild
Eröffnung: Freitag, 27. Januar 2023, 19 Uhr
28. Januar – 4. Juni 2023
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt
www.museumangewandtekunst.de
Kommentare
Es wurde noch kein Kommentar eingetragen.