Andy Hope 1930 & Henning Strassburger

Andy Hope 1930 & Henning Strassburger

Galerie JUBG in Köln

In ihrem Werk untersuchen die beiden Künstler die Rolle der Malerei als Filter der Ästhetik einer Massenkultur. Strassburgers Selbstportraits als Star lösen sich in der unendlichen Bilderflut auf, die man aus der Popkultur kennt. Die Portraits von Andy Hope 1930 zeigen fast ausschließlich nicht-menschliche Wesen. Zur Ausstellung in Köln erscheint eine Edition.

Als Henning Strassburger ein Kind war, damals in den 1990ern, saß er daheim vor der Glotze. „Ich bin voll die Generation MTV und Viva. Musik und Bild, Musik und Video sind für mich nicht zu trennen,“ sagt der heute 39-Jährige und lacht. Das ist ein Grund, warum er so gerne die Ausstellung im JUBG-Space machen wollte und wenn es heißt, seine Kunst untersuche die Möglichkeiten klassischer / analoger Malerei in einer von digitalen Bildern überfluteten Gesellschaft, dann ist eben nicht nur an Instagram oder Tiktok zu denken, sondern erst einmal an die 100.000 Videos, die sich der Maler in seiner Jugend reingezogen hat. Seine Selbstportraits als pickeliger Justin Bieber, alternder Las Vegas Star oder Pete Doherty sind ferne Reminiszenzen daran, weil sie zugleich den Abstand verdeutlichen, den die Sachen heute zu ihm haben. Bieber war noch gar nicht auf der Welt, als Strassburger in Meißen Musikvideos guckte. Dafür hat der Popstar in Strassburgers Portrait die Pickel im Gesicht, die der Maler vielleicht früher hatte. Das macht ihn, Bieber, zugleich ein bisschen hässlich, eine kleine Gemeinheit, stutzt ihn auf Normalmaß und nimmt ihm etwas vom Charisma, das alle großen Popstars seit Jesus Christus umweht. Der Held im Verfall.

Verfall ist auch mit das Erste, das Strassburger zu Doherty einfiel, als wir sprachen. „Alles im Pop hat eben sein Momentum und Dohertys Zeit – die kleine Hochphase um 2000, als ich jung war und er mit Kate Moss zusammen –, die ist vorüber.“ Strassburger setzt diesen Abstand ins Bild, indem er dem Idol von damals sein Gesicht von heute leiht. Sein Doherty ist ein Portrait im Untergang. Eine Ruine oder eine Allegorie, wie Walter Benjamin gesagt hätte: Ein Bild, das auf etwas Verlorenes verweist und diesen Verlust gleichsam ins Bild bringt, etwas zugleich rettet und preisgibt.

Die Portraits von Andy Hope 1930, der mit Strassburger ausstellt, zeigen fast ausschließlich nicht-menschliche Wesen. Die Serie Heedrahtrophia, aus der drei Portraits in der Ausstellung versammelt sind, greift ein Monster aus der japanischen Popkultur der 1970er auf und überführt es in die Gegenwart. Die Portraits zeigen nicht nur ein Monster, sie sind selbst monströs, indem sie uns mit der schieren, betören- und verstörenden Gewalt der Malerei konfrontieren.

Dem Künstler gelingt das, weil er die Popkultur nicht einfach nachahmt, sondern sie künstlerisch verwandelt, indem er in ihre Darstellung die Formensprache der avantgardistischen Kunst einfließen lässt. Dazu gehören z.B. suprematistische Farbfelder wie im Portrait Number One (2019), das mit der Figur des ersten Offiziers des Raumschiffs Enterprise als einziges ein menschliches Antlitz zeigt, oder surrealistische Elemente wie in dem Portrait Dark Times (2014), das eine Frauenfigur aus verschiedenen Elementen zusammensetzt. Die Skulpturen entstehen ähnlich. Two 4000 (2017) ist eine Art Roboter aus Malewitsch-Formen. The Disappeared I und The Disappeared II (2018) verwandeln Maschinen, auf die der Künstler in einer Science-Fiction-Geschichte aus den 1960er-Jahren gestoßen ist, in surreale Skulpturen. Die Arbeitsweise von Andy Hope 1930 lässt sich mit dem aus Botanik entliehenen Begriff der Pfropfung beschreiben, also dem Aufsetzen eines Zweiges auf einen fremden Stamm, denn der Künstler zitiert die Formen und Figuren nicht nur, sondern führt sie wirklich wie Stamm und Zweig zusammen. Er pfropft eine Figur der Popkultur auf den Stamm der avantgardistischen Kunst oder andersherum: die Formensprache der avantgardistischen Kunst auf den Stamm der amerikanischen Popkultur. Und so, wie in der Botanik nähren und verwandeln sich auch hier beide. Die Popfigur nährt die avantgardistische Form. Die avantgardistische Form verwandelt die Popfigur.

Die beiden künstlerischen Positionen zeigen nicht nur komplementäre Formen der Kunst und des Pop, dessen Geschichte sie reflektieren, sondern verhandeln auch seinen Bezug zur Zeit. Die Arbeiten von Andy Hope 1930 entreißen halb versunkene Figuren der Popkultur dem virtuellen Raum unseres Gedächtnisses und geben ihnen mit den Mitteln der Kunst wieder eine physische Realität und Gegenwart. Sie vergegenwärtigen Vergangenes. Daraus erwächst ihnen eine Aura der ewigen Gegenwart.

Strassburgers Selbstportraits als Popstar lösen sich in die unendliche Reihe von Starportraits auf, die wir seit MTV kennen. Sie vergänglichen Gegenwärtiges. Darin entsprechen sie dem Augenblick, der sich stetig entzieht und dem Nichtsein zustrebt. Indem sie sich in unser Bildgedächtnis auflösen, wechseln sie vom physikalischen Raum, in dem wir sie anschauen, in den virtuellen Raum der unendlichen Bildreihen, auf die sie verweisen. Damit evozieren sie eine Vorstellung von Ewigkeit, aus der ihnen, wie den Arbeiten von Andy Hope 1930 auch, eine besondere Aura erwächst, ein Leuchten an den Rändern, das den Anschein einer Transzendenz erweckt und die Frage aufwirft, ob der Pop nicht insgesamt auratisch ist.

Letzte Änderung: 17.11.2022  |  Erstellt am: 17.11.2022

Andy Hope 1930 & Henning Strassburger

Eröffnung: 18. November 2022, 18-21 Uhr

Dauer der Ausstellung:
18. November – 17. Dezember 2022

JUBG
Albertusstrasse 13-17
50667 Köln
www.jubg.space

JUBG @ Art Cologne 2022
Hall 11.2 / Booth B402
16.-20. November 2022
www.artcologne.de

divider

Kommentare

Es wurde noch kein Kommentar eingetragen.

Kommentar eintragen