China terrorisiert seine Minderheit

China terrorisiert seine Minderheit

Menschenrechtsverletzungen

Mehr als anderthalb Millionen Uiguren werden laut dem neuesten Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation in chinesischen Umerziehungslagern festgehalten und auf Baumwollfeldern sowie in Textilfabriken zur Zwangsarbeit genötigt. Die „International Labor Organisation“ weist in ihrem jüngsten Bericht auf die Menschenrechtsverletzungen hin. Peter Kern hat ihn gelesen.

Ein schmutziger Trick mit Hintergedanken

Den Wert internationaler Abkommen stellt eine Politik in Frage, die der Macht des Stärkeren noch mit Kriegsverbrechen Geltung verschaffen will. Was Putin der chinesischen Regierung voraus hat, ist die doppelte Anwendung von Gewalt. Die chinesische Regierung ist staatsterroristisch nur nach innen, außenpolitisch schweigen noch die Waffen. Man nutzt die Vereinten Nationen und deren Organisationen als Vehikel, um Reputation einzufahren. Man will angesehenes Mitglied der Weltgemeinschaft sein, ein Prestige, auf das Putin erkennbar keinen Wert mehr legt. Die den Uiguren angetane Gewalt möchte die KP vor der Weltöffentlichkeit verborgen halten. Putins Krieg hilft ihr gegenwärtig dabei.

Der DBG mit seinem Vorsitzende Rainer Hoffmann hat immer wieder die Ratifizierung internationaler Konventionen durch China angemahnt. Insbesondere das Verbot der Zwangsarbeit müsse rasch umgesetzt werden. Das gleiche gälte für das Recht der Beschäftigten, kollektiv den Lohn auszuhandeln. Diese beiden Konventionen hält die Charta der International Labor Organisation (ILO) fest, eine der großen Unterorganisationen der Vereinten Nationen. Wer diese Normen unterzeichnet, unterwirft sich einer ihn bindenden rechtlichen Verpflichtung. China will aber auf das Instrument der Zwangsarbeit nicht verzichten, und freie Gewerkschaften fürchtet die KP wie der Teufel das Weihwasser. Die ILO-Konventionen anzuerkennen, unterlässt die Partei, die auf ihren Parteitagen die Internationale singt lässt, das Lied vom Heer der Sklaven, das um sein Menschenrecht kämpft.

In neuesten Bericht der Arbeitsorganisation (Durchführung der Internationalen Arbeitsnormen 2022) nimmt die Verletzung der Menschenrechte in China breiten Raum ein. Die chinesische Politik argumentiert mit Palmströmscher Logik, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf. Jeder dürfe in der Volksrepublik seinen Job frei wählen, also könne von Zwangsarbeit gar keine Rede; ein entsprechendes Verbot sei daher überflüssig. In dem ILO-Bericht ist von 1,8 Millionen Uiguren und Angehörigen weiterer Turkvölker die Rede, die in der Region Xinjiang und anderen Teilen des Landes unfreiwillig arbeiten müssen. Die ILO stützt sich dabei auf Zahlen des Internationalen Gewerkschaftsbundes. Zwang übe die Staatsgewalt in Form von Umerziehungslagern aus, die in der Nähe von Fabrikanlagen und Baumwollfeldern angesiedelt seien. Mindestens 80.000 der ethnischen Minderheiten wären zudem nach Ost- und Zentralchina umgesiedelt und dort in Garn- und Textilfabriken zwangsweise eingesetzt. Der Transfer dieser Arbeitssklaven firmiere unter dem Namen Xinjiang Aid.

Die jährlichen Berichte der ILO sind identisch aufgebaut; die Unternehmensverbände, die Gewerkschaften und die jeweiligen Regierungen äußern sich, und die ILO bezieht abschließend Stellung. Im Falle Chinas ist dieses Verfahren vereinfacht; spricht doch der Staat zugleich für das Lager der Unternehmer. Wer aber bringt die Klagen der Gewerkschaften vor, kann doch von freien Zusammenschlüssen keine Rede sein? Der Internationale Gewerkschaftsbund, der IGB, versteht sich als die Stimme der abhängig Beschäftigten. Deren inländische Vertreter, die inhaftierten Gewerkschafts- und Arbeitsrechtsaktivisten, haben keine Stimme.

Der Gewerkschaftsbund bezieht seine Informationen von Zeugen, deren Aussagen die Xinjiang Victims Database festhält. Die leidvollen Erfahrungen von über 35.000 Angehörigen verfolgter Ethnien sind hier festgehalten. Wer wissen will, was Zwangsinternierung bedeutet, wird in dieser öffentlich zugänglichen Datenbank fündig. Als zusätzliche Quellen dienen Zeugenaussage aus erster Hand, Aussagen von Familienangehörigen, Forschungsunterlagen und statistische Daten. Fotografien der mit Wachtürmen, hohen Mauern und Stacheldraht versehenen, zu Ausbildungszentren erklärten Gebäude ergänzen das Material.

Die gewerkschaftliche Recherche hat ein weit verbreitetes, auf Zwangsarbeit beruhendes Programm der chinesischen Regierung bestätigt, das Menschenrechtsgruppen seit mehreren Jahren anprangern. In die Fänge dieses System könne schon geraten, wer einmal ins Ausland gereist ist, mit Ausländern per E-Mail kommuniziert, einen Reisepass beantragt oder regelmäßig an religiösen Ritualen teilnimmt. Wer gezwungen werde, die Uiguren-Provinz zu verlassen, könne sich nicht weigern, denn sonst werde seine Familie mit Verhaftung bedroht. Man wolle ihn seiner Muttersprache entwöhnen, indem man ihn in Kurse zwinge, um Mandarin, die chinesische Hochsprache, zu lernen. Sicherheitsbeamte sorgten für seine ständige physische und virtuelle Überwachung. Er könne sich nicht frei bewegen, denn seine arbeitsfreie Zeit müsse er in seinem Schlafsaal verbringen.

Bei der Fabrik- und Feldarbeit sei ein Zwangsarbeiter überlangen Arbeitszeiten und überzogenen Leistungsvorgaben ausgesetzt. Sein Lohn werde durch Abzüge für Essen und Schlafen auf ein Minimum reduziert, sofern er überhaupt Lohn erhalte. Einen Job außerhalb dieses Zwangsregimes auf den Arbeitsmärkten Zentralchinas oder der Ostküste zu finden, sei ihm unmöglich. Wer nicht wie ein Han-Chinese aussähe und kein Mandarin spreche, mache sich verdächtig und gerate leicht in die Fänge der Polizei. Dem Zwang sich zu assimilieren, seien etwa 13 Millionen Angehörige der turksprachigen oder muslimischen Minderheit ausgesetzt.

Das Recht, sein Beschäftigungsverhältnis frei zu wählen, hat China ratifiziert, im Unterschied zu den erwähnten Konventionen. In der gesamten Region Xinjiang gilt dieses Menschenrecht nicht. Wie reagiert nun die chinesische Regierung auf den ihr vorgehaltenen Rechtsbruch? Der ILO-Bericht gibt die regierungsamtliche Wortwahl wieder, die das System der Zwangsarbeit zum harmlosen Programm umdeutet: Armutsbekämpfung, Berufsausbildung, De-Extremisierung sind die verwendeten Stichworte. Der lokale Mindestlohn werde gezahlt. Muslime werden aktiv angeleitet, sich an die sozialistische Gesellschaft anzupassen, damit religiöse Gläubige ihr Land und ihre Landsleute lieben. Man helfe den Einzelnen, sich von den Ideen des Terrorismus und des religiösen Extremismus zu befreien. In den als Internaten bezeichneten Lagern praktiziere man eine Pädagogik der psychologischen Rehabilitierung, der Verhaltenskorrekturen und der ideologischen Bekehrung.

Die Zahl der Armen in der uigurischen Region sei deutlich zurückgegangen, heißt es in der Einlassung der Zentralregierung. Die Beschäftigungsquote sei um fast 20 Prozent gestiegen. Die KP China sieht sich auf dem besten Weg, sicherzustellen, dass Menschen aus allen ethnischen Gruppen in einem menschenwürdigen Umfeld mit Freiheit, Gleichheit, Sicherheit und Würde arbeiten. Ihren Kritikern hält sie vor, das Problem der so genannten ‚Zwangsarbeit‘ in Xinjiang… rücksichtslos aufbauschen und fügt hinzu, dies sei nichts anderes als eine glatte Lüge, ein schmutziger Trick mit Hintergedanken.

Die Berichterstatter der ILO, darunter Rechtswissenschaftler, Menschenrechtler und oberste Richter ihres Landes, machen sich diese Sicht nicht zu eigen. Ihre Stellungnahme ist so nüchtern wie für das chinesische Regime vernichtend. Sie konstatieren einen Rassismus, der eine schwerwiegende Form der Diskriminierung darstellt. Freiheit von Diskriminierung sei ein grundlegendes Menschenrecht. Man sei alarmiert angesichts zahlreicher Berichte über die Inhaftierung einer großen Anzahl von ethnischen Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten, die unter dem Vorwand der Bekämpfung des religiösen Extremismus in Isolationshaft gehalten werden, oft über lange Zeiträume, ohne dass sie angeklagt oder verurteilt werden.

Völlig inakzeptabel sei es, die Uiguren zu verpflichten, der Polizei ihre Reisedokumente auszuhändigen und ihr Recht auf Ausreise zu hintertreiben. Ebenso verwerflich sei eine in Hochsicherheitstrakten durchgeführte Politik der Berufsbildung.

Niemand dürfe zu einer Arbeit gezwungen werden, die er ablehne. Auch dürfe niemand daran gehindert werden, den Arbeitsplatz auf eigenen Wunsch zu verlassen. Alle Chinesen müssten ohne Ansehen ihrer Ethnie, ihres Geschlechts oder ihrer Religion die Möglichkeit haben, ihre Begabungen zu nutzen und Qualifikationen zu erwerben. Das Verbot von Zwangsarbeit sei die unabdingbare Voraussetzung für die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Was in westlichen Ohren nach Tautologie klingt, ist für die Uiguren ein uneingelöstes Menschenrecht.

Die Internationale Arbeitsorganisation, nach dem ersten Weltkrieg entstanden, geht auf die Initiative der sozialdemokratischen Gewerkschaften zurück. Diese sahen sich – im Unterschied zum kommunistischen Flügel der Arbeiterbewegung – den von der französischen Revolution formulierten Menschenrechten verpflichtet. Der kommunistischen Internationale galten Freiheit und Gleichheit als die wirklichen Verhältnisse überdeckende Phrasen. Von freiem und gleichem Tausch könne zwischen Arbeit und Kapital keine Rede sein. Sei der Kapitalismus abgeschafft, seien auch seine ideologischen Überhöhungen hinfällig. Die Kommunistische Partei Chinas steht in dieser auf Josef Wissarionowitsch Stalin zurückgehenden Tradition. Xi Jinping und sein Politbüro wollen nicht wahrhaben, was die vom sogenannten westlichen Marxisten formulierte Kritik des Stalinismus schon früh herausgestellt hat: Der Kanon der Menschenrechte ist nicht abzuschaffen; ihm ist überall, auch in der ökonomischen Sphäre, Geltung zu verschaffen. Das macht eine freie Gesellschaft aus.

Geheime Dokument: Uiguren-Lager | © Foto: Human Rights Project/Screenshot

Letzte Änderung: 09.04.2022  |  Erstellt am: 08.04.2022

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