mAqom – Kirche und Zuflucht

mAqom – Kirche und Zuflucht

Kirchenasyl

Das Dilemma ist so nicht auflösbar. So sinnvoll es für eine demokratische Politik ist, dass die Kirchen sich daraus fernhalten sollten, so sehr verdient das durch kein staatlich verbrieftes Recht gesicherte Kirchenasyl Unterstützung, wenn es Menschen vor bürokratischer Willkür schützt. Doris Stickler stellt den Verein „mAqom – Kirche und Zuflucht“ vor, der dafür Lobbyarbeit macht.

„Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“

mAqom

Wer die Bibel liest, wird auf unzählige Fluchtgeschichten stoßen. Moses, David und Jakob mussten ebenso ihre Heimat verlassen wie Jesus, der schon als Kind in Ägypten Zuflucht fand. Ihre Gründe gleichen in hohem Maße denen, die heute Menschen zur Flucht bewegen: drohender Tod, wirtschaftliche Not, religiöse Überzeugungen. Der vor zwei Jahren in Frankfurt gegründete Verein „mAqom – Kirche und Zuflucht“ bezieht sich denn auch ausdrücklich auf eine Weisung der Schrift.

Das Matthäuswort „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ ist „biblischer Anspruch und Auftrag und gehört zum grundlegenden Selbstverständnis der Kirche“, stellt die Satzung gleich Eingangs klar. Diesem biblischen Auftrag kommt der unter dem hebräischen Begriff für Raum, Obdach, Zuflucht firmierende Verein mit Lobbyarbeit für Kirchenasyl nach.

Unter anderem fungiert mAqom als Forum für Engagierte und Betroffene, sensibilisiert für die Belange Geflüchteter, setzt sich dafür ein, kirchliche Räume als Zufluchtsstätten nutzbar zu machen, berät Gemeinden und kommentiert die hiesige Flüchtlingspolitik mit kritischem Blick. Wie etwa die 2018 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verschärften Auflagen für Kirchenasyl bei Dublin-Verfahren.

Mussten Geflüchtete, die in anderen Ländern erstmals europäischen Boden betraten, zuvor sechs Monate in kirchlichen Räumen verbringen, um hierzulande einen Asylantrag stellen zu können, wurde die Frist auf 18 Monate verlängert. Dass das BAMF Anfang des Jahres die Fristverlängerung zurückgenommen hat, nennt der mAqom-Vorsitzende Tobias Krohmer einen „Riesenerfolg“.

Die Bundesländer hätten bei Kirchenasylen allerdings schon zuvor sehr unterschiedlich reagiert. Der Verein konzentriere seine Aktivitäten auf Hessen, wo die Justiz fast immer zugunsten der Geflüchteten entschieden habe. Dem Referenten für gesellschaftliche Verantwortung im evangelischen Dekanat Hochtaunus ist jedenfalls „kein Fall von misslungenem Kirchenasyl bekannt“.

Gegenwärtig würden in der Kirche in Hessen/Nassau 16 Gemeinden durch Kirchenasyle 20 Erwachsene und sieben Kinder vor der Abschiebung bewahren. Bis auf eine Ausnahme handele es sich um Dublin-Fälle, die bei Kirchenasylen bundesweit die Mehrheit stellten. In den vergangenen zwölf Monaten seien hessenweit 23 Kirchenasyle erfolgreich beendet worden. Die Corona-Pandemie habe glücklicherweise weder zur Auflösung bestehender Kirchenasyle noch zur Verhinderung neuer geführt.

Tobias Krohmers Erfahrung nach wenden sich die Gemeinden meist wegen praktischer Angelegenheiten an mAqom. Gelte es im Vorfeld zu klären, ob das Asyl überhaupt Erfolg verspricht – „Wir haben auch schon abgeraten“ –, gehe es später um den Austausch von Erfahrungen, organisatorische Fragen oder das Vorgehen bei Krankheitsfällen. In einer Gemeinde sei beispielsweise eine Frau während des Asyls an Krebs erkrankt.

„Der Verein leistet Hilfestellungen und will Gemeinden die Scheu nehmen, in ein Kirchenasyl einzusteigen“, fasst Nicole Lauterwald von der Rödelheimer Cyriakusgemeinde das generelle Anliegen zusammen. Wie die von Anfang an im Vorstand aktive Diplom-Archivarin beobachten kann, entpuppt sich der Schritt „für die meisten Gemeinden als positive Erfahrung“. „Oft werden sie dann zu Mehrfachtätern.“ Einige seien inzwischen auch mAqom beigetreten.

Da der Verein keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, kann er selbst zwar kein Asyl gewähren. „Wir versuchen derzeit aber im Rahmen von Gebäudeentwicklungen kirchliche Räume für Geflüchtete und Kirchenasyle zu bekommen“, sagt Tobias Krohmer. Welche Fallstricke in dieser Hinsicht lauern, habe eine freikirchliche Gemeinde in Nordrhein-Westfalen zu spüren bekommen.

Das von ihr gewährte Kirchenasyl sei aufgelöst worden, weil die hierfür zur Verfügung gestellte Wohnung nur angemietet war. „Es gibt kein staatlich verbrieftes Recht auf Kirchenasyl. Wir können uns nur auf die Menschenwürde im Artikel 1 des Grundgesetztes berufen, auf Beißhemmungen des Staates hoffen und sehen was geht.“ Kirchenasyl sei ohnehin „immer die Ultima Ratio“.

Umso wichtiger ist Tobias Krohmer die breite Vernetzung von mAqom. Die reicht von der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration (FIAM) der Diakonie Hessen und der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) über den Hessischen Flüchtlingsrat, Pro Asyl und den Paritätischen Wohlfahrtsverband bis zu den politischen Parteien.

Seit der Gründung stellte mAqom – Kirche und Zuflucht zudem zwei Fachtage zu Fragen des Kirchenasyls auf die Beine und bezog wiederholt öffentlich Stellung. Wenn die BAG am 30. August zum zweiten Mal zum deutschlandweiten Tag des Kirchenasyls aufrufen wird, ist der Verein natürlich mit von der Partie. Gottesdienste, Plakate und Beiträge in Sozialen Medien sind bereits in Vorbereitung.

Weitere Informationen und Kontaktdaten: www.maqom.de

Letzte Änderung: 15.09.2021  |  Erstellt am: 13.09.2021

Zum Kirchenasyl in Deutschland:

1983 wurde in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche zum ersten Mal ein Kirchenasyl in der heutigen Form gewährt. Auslöser war der tragische Tod von Cemal Altun, der nach dem Militärputsch in der Türkei nach Deutschland geflohen war. Der damals 23-Jährige wurde ein Jahr lang in Auslieferungshaft gesteckt und schließlich vor Gericht gestellt. Aus Angst vor einer Abschiebung stürzte er sich während der Verhandlung aus dem Fenster des Saals. Kurze Zeit später öffnete die Heilig-Kreuz-Gemeinde ihre Türen für Geflüchtete. Da sich in den Folgejahren das Asylrecht hierzulande deutlich verschärfte, wurde 1994 die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gegründet. Der Vorstoß wurde damals nicht nur seitens der Politik, sondern auch von Kirchenleitungsseite missbilligt. Letztere hat ihre Haltung inzwischen geändert und unterstützt das Kirchenasyl.

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Kommentare

ute knie schreibt
mAqom ist ein sehr guter Beitrag von Doris Stickler zu Kirchenasyl mit umfassender Information, besten Dank. Ute Knie

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