Der Frankfurter Oper gelingt eine unterhaltende Inszenierung der vergessenen Oper von Domenico Cimarosa „L’Italiana in Londra". Stefana Sabin hat die Aufführung gesehen und sich amüsiert.
Vielleicht war er nicht der berühmteste, aber der populärste italienische Komponist der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts: Domenico Cimarosa, 1749 in Aversa geboren und 1801 in Venedig gestorben. Den ersten Erfolg hatte er in Neapel, daraufhin wurde er nach Rom berufen, wo seine Oper „L’italiana in Londra“ im dortigen Teatro Valle 1778 uraufgeführt wurde und ihn in ganz Europa bekannt machte. Da war Cimarosa erst 25. Als er mit 52 starb, hatte er um die 65 Opern geschrieben, die die Tradition der „Opera buffa”, jener Art komischer Oper mit Rezitativen zwischen den Arien, mit realistischen Handlungen und mit Happy End, zugleich geformt und geprägt haben.
Und dennoch sind die meisten Opern Cimarosas in Vergessenheit geraten, da sie weder an Mozart vor ihm noch an Rossini nach ihm heranreichten. Dass Cimarosas Musik nicht zufällig an Mozart erinnert, meint auch der britische Dirigent Leo Hussain, der die Neuinszenierung der „Italiana in Londra“ an der Oper Frankfurt leitet. Er sieht eine musikalische Nähe zur Ouvertüre der „Zauberflöte“ und zu Ensemble-Nummern aus „Le Nozze di Figaro“. Und dass Mozarts Susanna ihre Nebenbuhlerin Madama Brillante nennt, ist wohl eine Anspielung auf Cimarosas Italiana, in der eine der beiden weiblichen Figuren so heißt.
Cimarosas Madama Brillante führt eine Pension, in der sich vier Gäste aufhalten: die titelgebende Italienerin, die schöne Livia, die sich als Enrichetta ausgibt und ihrem Geliebten Arespingh nachtrauert, sodann der italienische Lebemann Don Polidoro und der holländische Geschäftsmann Sumers, die beide Enrichetta zu erobern versuchen und sich bei Madama Brillante Unterstützung erkaufen, schließlich Milord Arespingh, der seinerseits Livia nachtrauert und diese zurückzugewinnen versucht. In bewährter Buffo-Art braucht es mehrere Verstrickungen, bis die früheren Geliebten wieder zueinander finden und ein anderes neues Paar entsteht, so dass das Ganze in einer fröhlichen Ensemblenummer enden kann.
Es gibt nur 5 Figuren in der Oper und keinen Chor – eine ideale Besetzung in dieser pandemiebestimmten Zeit! –, und einziger Ort der Handlung ist die Pension. Für die Frankfurter Inszenierung hat Paul Steinberg ein eher abstraktes, durchaus elegantes Bühnenbild entworfen, das sowohl eine Hotelhalle als auch eine Bar suggerieren kann. Nur wenige Requisiten – ein Sessel, in dem jeder immer mal Platz nimmt; eine Hotel-/Bartheke, an der alle irgendwann stehen; eine Telefonzelle, in der sich am Ende Livia und Arespingh ausgiebig versöhnen – strukturieren und verdeutlichen die Handlung. Die Kostüme von Doey Lüthi sind karikaturistisch überzeichnet (Madama Brillante, Sumers und Don Polidoro) bzw. zeitlos (Milord Arespingh und Livia).
Schon gleich zu Beginn ist das spielerische Element der Inszenierung von R. B. Schlather erkennbar, als nämlich die in Rosa gekleidete und blondgelockte Madama Brillante aus einer Tasse mit dem britischen Union Jack trinkt – als Hinweis, dass die Handlung der Oper in London spielt. Sonst aber geht Schlachter sparsam mit Lokalkolorit um und konzentriert sich vielmehr auf die Komödie. Er hält die Sänger immer in Bewegung – Angela Vallone als Livia, Bianca Tognocchi als Madama Brillante, Theo Lebow als Sumers, Gordon Bintner als Don Polidoro und Juri Samoilov als Arespingh singen und agieren – agieren singend und treiben die Komödie durch alle Turbulenzen munter voran. Das frontale Singen, ohne das viele Inszenierungen nicht auskommen, gibt es bei Schlachter nicht, denn er nimmt die „Opera buffa” ernst. Dass der Abend tatsächlich so gut gelingt und die Leichtigkeit der Musik eine beschwingte Stimmung überträgt, ist der herausragenden musikalischen Leistung der Sänger zu verdanken, aber auch ihrem schauspielerischen Talent. Entsprechend gab es anhaltender Applaus.
Letzte Änderung: 12.10.2021 | Erstellt am: 06.10.2021
L’italiana in Londra
Domenico Cimarosa – 1749–1801
Intermezzo in musica in zwei Akten
Text von Giuseppe Petrosellini
Uraufführung 1778, Teatro Valle, Rom
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Musikalische Leitung:
Leo Hussain
Inszenierung:
R.B. Schlather
Bühnenbild:
Paul Steinberg
Kostüme:
Doey Lüthi
Licht:
Joachim Klein
Dramaturgie:
Mareike Wink
Livia:
Angela Vallone
Madama Brillante:
Bianca Tognocchi
Sumers:
Theo Lebow
Milord Arespingh:
Iurii Samoilov
Don Polidoro:
Gordon Bintner
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
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