
Die Reihe „Snap Shots“ widmet sich Schnappschüssen, die keinen Filter brauchen. Hier treffen Bilder, unvermittelt mit dem Handy fotografiert, auf Worte, die einen Gedanken auf den Punkt zu bringen suchen. Diese Momentaufnahmen konzentrierter Aufmerksamkeit sind so unterschiedlich wie die Wege, die zum gemeinsamen Ziel führen: ein offener Austausch über was uns bewegt und als Menschen verbindet. Wir laden unsere Autor:innen dazu ein, sich mit kleinen oder großen Gedanken an der Reihe zu beteiligen.
We stand with Ekrem Imamoglu. We stand for Democracy in Türkiye. Ich entdeckte das Statement zur Verhaftung von Ekrem Imamoglu, dem gewählten Bürgermeister von Istanbul, als ich mit meinen Freunden Ardi Goldmann und Yusuf Tüm, der als Kurde die Auswirkungen autoritärer Politik am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, die Piazza della Signoria in Florenz überquerte. Ein starkes Zeichen europäischer Solidarität, dachte ich, mit klarem Wertekompass tritt man hier für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit ein.
Am 19. März 2025 wurde Ekrem Imamoglu in den frühen Morgenstunden verhaftet. Nicht, weil er ein Verbrecher wäre, sondern weil er ein Symbol ist. Ein Symbol dafür, dass die Macht ins Wanken geraten ist. Diese Verhaftung ist kein rechtsstaatlicher Vorgang – sie ist ein politischer Akt. Eine Botschaft. Eine Drohung. Eine Lüge im Gewand der Justiz. Wenn eine Regierung ihren stärksten Gegner nicht an der Wahlurne besiegen kann, dann greift sie zu anderen Mitteln.
Das autoritäre Projekt der türkischen Regierung endet nicht an der Grenze zur Opposition. Während innenpolitisch Andersdenkende verfolgt und entrechtet werden, trägt dieselbe Regierung ihre Gewaltpolitik über die Landesgrenzen hinaus. Die Türkei unterstützt nicht nur faktisch islamistische Milizen in Nordsyrien und wirkt an der Zerstörung eines ohnehin zerbrechlichen Friedens mit. Sie bombardiert kurdische Autonomiegebiete im Nordirak und in Rojava – Gebiete, in denen Menschen sich mühsam Selbstverwaltung, Bildung und Gleichberechtigung aufgebaut haben. Diese Luftangriffe treffen keine Terroristen. Sie treffen Bauern, Kommunalpolitiker, Lehrende, Kinder. Das ist nicht nur Unrecht – es ist ein gezielter Angriff auf alle, die sich nicht mit Unterdrückung abfinden wollen, weder innerhalb noch außerhalb der Staatsgrenzen.
Die Geschichte lehrt uns: Repression ist das letzte Mittel derer, die wissen, dass sie keine Zukunft haben. Imamoglus Verhaftung richtet sich nicht nur gegen eine Einzelperson. Sie ist ein Angriff auf die Möglichkeit politischer Veränderung. Auf freie Wahlen. Auf das demokratische Prinzip selbst.
Was hier geschieht, ist keine bloße innenpolitische Krise. Es ist ein Test für die Türkei, für Europa und für jede Gesellschaft, die sich demokratisch nennen will. Die Frage ist: Wird man hinsehen oder wegsehen? Wird man verstehen, dass Demokratie nicht das ist, was auf dem Papier steht, sondern das, was wir verteidigen, wenn es darauf ankommt? Wir sind noch hier. Und wir sehen hin.

Letzte Änderung: 03.05.2025 | Erstellt am: 19.04.2025
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