Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah

Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah

Snap Shot #1
Mahnmal für die österreichischen Opfer der Schoah am Wiener Judenplatz | © Michele Sciurba

Die Reihe „Snap Shots“ widmet sich Schnappschüssen, die keinen Filter brauchen. Hier treffen Bilder, unvermittelt mit dem Handy fotografiert, auf Worte, die einen Gedanken auf den Punkt zu bringen suchen. Diese Momentaufnahmen konzentrierter Aufmerksamkeit sind so unterschiedlich wie die Wege, die zum gemeinsamen Ziel führen: ein offener Austausch über was uns bewegt und als Menschen verbindet. Wir laden unsere Autor:innen dazu ein, sich mit kleinen oder großen Gedanken an der Reihe zu beteiligen.

Ich stehe gemeinsam mit dem Künstler Thomas Draschan am Judenplatz im ersten Bezirk von Wien. Wir erinnern uns an die Entstehungsgeschichte des Mahnmals der britischen Künstlerin Rachel Whiteread, das heute wieder von besonderer Relevanz ist.

Nach außen gewandte, unzählige Bücher aus Stahlbeton, dessen Titel wir nicht ohne weiteres lesen können, wie die Namen der Opfer, denen das Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah gedenkt. Eine nach innen gerichtete Bibliothek mit Flügeltüren, die sich nicht öffnen lassen. Die grausame Vergangenheit bleibt verschlossen und unveränderbar.

Mahnmal für die österreichischen Opfer der Schoah am Wiener Judenplatz | © Foto: Michele Sciurba

In den steinernen Boden sind die Namen der Konzentrationslager eingelassen. Ein zum Mahnmal gehörendes, vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes geführtes elektronisches Gedenkbuch gedenkt den Leben der 65.000 österreichischen jüdischen Opfern der Schoah mit etwa 400.000 Datensätzen.

Auf dem Wiener Judenplatz stehen Thomas und ich eine Weile gemeinsam da, ohne zu sprechen, vor einem Maß an Leid, dass sich nicht fassen lässt. Hannah Arendt nannte die von den deutschen Nationalsozialisten organisierte industrielle Massenvernichtung der Juden in Europa ein Menschheitsverbrechen, das keinen geschichtlichen Vorläufer besaß. Im Ausschwitz-Museum ist noch heute ein Berg Schuhe zu sehen, der die Unfassbarkeit des Unmenschlichen verkörpern soll. Die Füße, die diese Schuhe einst trugen, und die Namen der jüdischen Opfer dürfen niemals vergessen werden.

Seinerzeit kritisierte ein Teil der Bevölkerung, der neben dem bereits existierenden Mahnmal gegen Krieg und Faschismus von Alfred Hrdlicka kein separates Mahnmal für die jüdischen Opfer wollte, die Errichtung des von Rachel Whiteread entworfene Holocaust-Mahnmals, das in Richtung Drahtgasse blickt und am 25.10.2000 enthüllt wurde. Das aktuelle soziopolitische Geschehen zeugt davon, dass Antisemitismus immer noch tief in der Gesellschaft verwurzelt ist.

Kann es genügend Denkmäler geben, wenn Antisemitismus in unserer Welt noch kein Ende gefunden hat? Wir denken nein.

Letzte Änderung: 24.07.2024  |  Erstellt am: 23.07.2024

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Kommentare

Karin May schreibt
Ich kann dem Inhalt des Artikels nur zustimmen. Es darf kein Vergessen geben für diese Verbrechen, keine Verharmlosung und keine Verdrängung des Erinnerns.
thomas schreibt
Very much indeed

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