SEITENWECHSEL: Barcelona

SEITENWECHSEL: Barcelona

Tagebuchnotizen
Kathrin Schadt | © privat

SEITENWECHSEL heißen Tagebuchnotizen aus dem Rheinland, aus Riga, Portland, Oregon; aus Barcelona und Kathmandu. Kathrin Schadt ist eine von sechs Autorinnen und Autoren des zweiten SEITENWECHSELS, der von Faust-Kultur aufgenommen wird. Sie schreibt aus Barcelona, kleidet Erlittenes, Wünsche, aber auch die Leere und das Schweigen in ein poetisches Gewand.

Kathrin Schadt – Barcelona, 25.6.2021

Brief an Ron

Ist wie ein Sandkorn.
Aus Licht. Eingepflanzt als
neue Welt zu wachsen wanderlustig.
Nah und fern wehig. Sein Mondenkind hält
es in ihrer Höhle derweil warm. Umschlossen seins
das einzige Licht dort in der Dämmerung. Alles neu zu machen
auferstehen lassen einen neuen Zyklus von vorn und vorn beginnen
wieder und wieder gemeinsam Welt neu erdenken womit fangen wir an!
Einen Unbesiegbaren wünsch ich mir wie wäre das einer der endlich frei sein
wird von meinem Kummer und Schmerz. Der aufstehen wird immer und immer
wieder. Der keine Angst haben soll der meine Angst nicht haben. Lass ihn uns Vinzent
nennen. Hört er uns schon seinen Namen flüstern? Lass ihn uns mit Zukunft bekleiden
mit unserem Jetzt ausstatten. Lass ihn uns befreien von unserer Vergangenheit bis er
selbst Vergangenes ausleuchten kann. Ein paar Wochen Zeit hat er ja schon. Ein Licht
korn. Lichtjahre entfernt ist schon vergangenes Licht. Wusstest Du? Noch während
wir aufsehen ist es schon erloschen. Und dort wo wir ihn sehen ist er schon nicht
mehr. Und das Weltall durchpflügt nur noch von Finne bis Schwanzflosse ein
Gesang. Und wie das Licht dann bald rotschwarz im Nichts verhallt. Und
lässt im Gegenzug keine Sprache zurück. Für niemanden der davon
wusste. Nur eine Austrittswunde. An Stelle eines Lichtkorns
bleibt also Stille. Auch die kann unendlich sein.

Letzte Änderung: 08.11.2021  |  Erstellt am: 07.11.2021

Geschrieben werden Tagebuchnotizen, die zeitgleich an verschiedenen Orten und in verschiedenen Ländern entstehen und in der WORTSCHAU veröffentlicht werden. An einem bestimmten (vorgegebenen) Tag machen sich sechs Autorinnen und Autoren Notizen darüber, wo sie sich an diesem Tag aufhalten, woran sie arbeiten, was sie erleben, wie sie sich durch den Tag bewegen und was sie bewegt. Jeder und jede ist jedoch frei, eine poetisch-verfremdete Wahrheit oder wirklich an diesem Tag Erlebtes aufzuschreiben.
Auf diese Art entsteht simultan ein Tagebuch, das einen vielschichtigen Blick auf eine jeweils individuell erfahrene Welt wirft. Was alle vereint und auch den tieferen Anlass des Seitenwechsels ausmacht, ist der genaue Tag, auf den alle sich beziehen. Das öffentliche und private Geschehen dieses Tages an ganz unterschiedlichen Orten mit seinen Chancen und Gefahren und der mittlerweile alles überformenden Corona-Krise geben den gemeinsamen Fokus vor.
Die erste Folge startete mit einem Montag (dem 19. Juli 2019), die zweite mit einem Dienstag etc. Dem sich wiederholenden Prinzip der festgelegten Tage, die sich dem Wochenablauf anpassen, entspricht der simultane Perspektivwechsel. Das macht den Reiz des Projekts aus.

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