Michael Hohmann ist unerwartet gestorben. Er leitete die Frankfurter Romanfabrik und schuf mit seinem ambitionierten Programm einen kulturellen Schwerpunkt, der über die Stadtgrenzen hinaus wirkte. Harry Oberländer hat dem rührigen Gestalter einer wachen künstlerischen und intellektuellen Szene einen Nachruf geschrieben.
Der Tod Michael Hohmanns am 25. Dezember hat mich fassungslos gemacht. Die Nachricht kam unerwartet, überraschend, sie kam als Schock. Michael Hohmann wurde am 13.9.1954 in Darmstadt geboren, er wurde 68 Jahre alt.
Mit der Romanfabrik, deren Geschäftsführer und künstlerischer Leiter er war, zog er 1999 von der Uhlandstraße im Frankfurter Ostend in das Uniongelände auf der Hanauer Landstraße um. Ich habe an diesen Veranstaltungsort, an dem es Literaturlesungen, Musikveranstaltungen, Ausstellungen und politische Diskussionen gab, nur gute Erinnerungen. Unsere frühe Bekanntschaft konnte im Lauf der Jahre zu einer Freundschaft werden, weil wir – als Literaturveranstalter in verschiedenen Häusern – zwar Konkurrenten waren, uns aber mit dem Ranking nicht weiter abgegeben und unnötig belastet haben. Als Michael aus dem Vorstand des Hessischen Literaturrats ausschied, übernahm ich seine Aufgabe, die Partnerschaft mit der Aquitaine zu betreuen. Eine der letzten Lesungen, bei der mein 2018 verstorbener Freund Paulus Böhmer gemeinsam mit mir auftrat, fand in der Romanfabrik statt. Kaddish jetzt für Michael Hohmann.
In seinem Roman L’arbre du pays Toroja , auf Deutsch unter dem Titel Die Kostbarkeit des flüchtigen Lebens erschienen, erzählt Philippe Claudel vom Volk der Toroja, die auf der Insel Sulawesi in Indonesien leben. Das Leben dieses Volkes wird auf eine Weise vom Tod beherrscht, die uns Europäern befremdlich erscheinen mag. Über Wochen und Monate wird die Beerdigung vorbereitet und geplant. Alle Familienmitglieder, in manchen Fällen Tausende, die über kleine Inseln verstreut leben, müssen eingeladen werden. Für die Trauergäste baut man bootsähnliche Holzhütten. Bis zur Bestattung wird der Leib des Verstorbenen konserviert, der noch nicht als tot, sondern als krank gilt. Danach wird er in heiligen Klippen am Ozean beerdigt, bewacht von Holzidolen. Aber auch Bäume werden ausgehöhlt, um Leichen aufzunehmen. Ihre Rinde wächst langsam wieder zusammen und so beginnt die Reise der Toten zum Himmel im geduldigen Rhythmus des wachsenden Baumes.
Salut Michael, bon voyage
Letzte Änderung: 02.01.2023 | Erstellt am: 01.01.2023
Kommentare
Es wurde noch kein Kommentar eingetragen.