Bertolt Brecht und Frankfurt

Bertolt Brecht und Frankfurt

Bertolt Brecht (1898 – 1956)
Gedenktafel | © Walter H. Krämer

Am 10 Februar 2023 wäre Bertolt Brecht 125 Jahre alt geworden. Ein Anlass, an erfolgreiche Brecht-Jahre in Frankfurt am Main zu erinnern. Unter Generalintendant Harry Buckwitz (1951-1968) ) waren insgesamt 15 Brecht-Stücke an den Städtischen Bühne zu sehen. Elf davon inszenierte Harry Buckwitz – anfangs auch gegen den Widerstand konservativer und reaktionärer Kräfte in der Stadt – selbst. Er ließ sich nicht beirren und spielte Brecht und setzte den Autor damit in der Stadt und auch in der Bundesrepublik durch. Aus Anlass dieses Geburtstages erinnert Walter H. Krämer an erfolgreiche Brecht-Jahre in der Stadt und macht darauf aufmerksam, dass seine Stücke gespielt werden sollten in der ehemaligen „Brechtstadt“ – denn der Autor hat uns immer noch viel zu sagen.

Bertolt Brecht und Frankfurter Kultur- und Theatergeschichte

Brecht-Büste  | © Foto: Walter H. Krämer

Das waren andere Zeiten damals, als zu Bertolt Brechts 70. Geburtstag am 10. Februar 1968 die Büste des Dichters – gestaltet von dem Künstler Gustav Seitz – im Chagallsaal der Städtischen Bühnen enthüllt wurde und der damalige Oberbürgermeister Willi Brundert voller Stolz verkünden konnte: „Frankfurt, die Goethestadt, ist zur Brechtstadt geworden!“

Zu verdanken hatte man diese Begeisterung für Bertolt Brecht und seinen Stücken wesentlich dem damaligen Generalintendanten der Städtischen Bühnen Harry Buckwitz, der seit 1952 mit seinen insgesamt 15 Frankfurter Brecht-Inszenierungen – davon 11 von ihm selbst als Regisseur – den nach dem Krieg in Westdeutschland heftig umstrittenen und bekämpften Autor nicht nur in Frankfurt am Main durchzusetzen, sondern seinen Werken auch den Weg auf die westdeutschen Bühnen erleichtert und geebnet hat.

Zum 70. Geburtstag des Schriftstellers und Dramatikers Bert Brecht stiftete der Patronatsverein den Städtischen Bühnen eine Bronzebüste, Die 1960 geschaffene Bronze wurde am 10.02.1968 enthüllt.

Eine Metalltafel an der Wand informierte über die Werke Brechts, die in den Jahren 1951 bis 1968 im Haus inszeniert wurden.

Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Ost-Berlin. Er zählt zu den bedeutendsten deutschen Dichtern des 20. Jahrhunderts und kann getrost als Klassiker der Weltliteratur bezeichnet werden. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Nach ersten Theatererfolgen in München zieht Brecht nach Berlin. Beschäftigt sich mit marxistischer Theorie und entwickelt seine Form des epischen Theaters.

Als Kommunist von den Nationalsozialisten verfolgt, verlässt er 1933 Deutschland, geht über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden und Finnland. 1941 flieht er in die USA, nach Los Angeles und New York, wo er auf einen aktiven Kreis deutscher Emigrierter trifft. Nach Verhören vor dem Ausschuss für unamerikanische Tätigkeit 1947 kehrt Brecht zurück nach Europa und gründet mit seiner Frau Helene Weigel in Berlin (Ost) das Berliner Ensemble.

Der Name Bertolt Brecht ist mit der Stadt Frankfurt eng verbunden. Bereits 1923 inszenierte Richard Weichert am Schauspielhaus sein Drama „Trommeln in der Nacht“ und im Dezember 1926 die Uraufführung von dessen Einakter „Die Hochzeit“ Diese Inszenierung provozierte allerdings einen heftigen Theaterskandal und das Stück wurde abgesetzt – womit Brecht allerdings keinesfalls einverstanden sein konnte und war. Als das Schauspielhaus 1927 bei „seinen“ Autoren wegen eines Beitrags für eine Festschrift anfragte, antwortete er schroff: „Ich verstehe Sie gar nicht! Selbstverständlich gehöre ich nicht zu dem ‚Kreis Ihrer Autoren‘. Das sagt Ihnen ein flüchtiger Blick auf Ihr Repertoire.” (siehe hierzu auch: Brechtstadt Frankfurt. Zum 50. Todestag des Dramatikers in diesem Jahr von Dr. phil. Sabine Hock)

Ein Jahr später (1928) wurde seine (und Kurt Weills) „Dreigroschenoper“ an Arthur Hellmers Neuem Theater mit Theo Lingen als Mackie Messer und Brechts geschiedener Frau Marianne Zoff als Lucy ein großer Erfolg.

Zum Abschluss der Festwoche zur 50-Jahr-Feier des Opernhauses 1930 wurde die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ mit der Musik von Kurt Weill gegeben. Nach der Premiere am 16. Oktober 1930 hetzte die Presse gegen das „trostlose Machwerk“ und in den Frankfurter Nachrichten war zu lesen „So endet das Opernhausjubiläum glücklich in der Kloake“.

Das rief die Nationalsozialisten auf den Plan und während der zweiten Vorstellung, mitten im zweiten Akt, stürmten Dutzende von Randalierern unter der Parole „Deutschland erwache!“ das Opernhaus, unterbrachen mit Gebrüll und Pfiffen die Vorstellung, warfen Stinkbomben und Feuerwerkskörper ins Publikum.

Nach dem Krieg (1949) wurde im Komödienhaus, einem Nachkriegsprovisorium der Städtischen Bühnen in einer Sachsenhäuser Turnhalle, „Herr Puntila und sein Knecht“ aufgeführt. Eine der ersten Premieren der Städtischen Bühnen im wiederaufgebauten „Großen Haus“, dem früheren Schauspielhaus am heutigen Willy-Brandt-Platz, war am 30. Januar 1952 Brechts Oper „Das Verhör des Lukullus“ mit der Musik von Paul Dessau.

Schon wenige Monate später – am 16. November 1952 – brachte Buckwitz die deutsche Erstaufführung des Parabelstücks „Der gute Mensch von Sezuan“. Anderthalb Wochen nach der erfolgreichen Premiere nutzte jedoch der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Wilhelmi seine Etatrede in der Stadtverordnetenversammlung zu heftigem Protest gegen die Aufführung. Es sei nicht zu vertreten, so wetterte er, dass „in unserer heutigen politischen Situation von einem zum Kommunismus sich bekennenden ‚Dichter‘ ein derartiges Propagandastück“ ohne jeden künstlerischen Belang gespielt werde, worin zudem „das Göttliche in schamloser Weise lächerlich gemacht“ werde.

In die öffentliche Diskussion, die er damit entfachte, schaltete sich auch Ernst Beutler ein. Der Direktor des Freien Deutschen Hochstifts interpretierte das Stück als „ein eminent christliches Märchen“, mit dessen Inszenierung sich die Städtischen Bühnen auf die Tradition des Theaters als moralische Anstalt besonnen hätten: „So lange die Leitung unseres Theaters menschlich und künstlerisch so ernste Wege geht, wie in dieser Aufführung des Stückes von Brecht, sollten wir sie unterstützen. Sie hat es schwer genug.“

1955 setzte Harry Buckwitz in Frankfurt die westdeutsche Erstaufführung von „Der kaukasische Kreidekreis“ an. Wieder kam es zu Protesten, diesmal vonseiten der christlichen Arbeiterbewegung. Doch der Generalintendant ließ sich in seiner künstlerischen Überzeugung nicht beirren.

Die Schauspielerin Käthe Reichel, die als Gast des Berliner Ensembles auf Brechts Empfehlung die Rolle der Grusche übernahm, versuchte als angebliche Anwältin des Autors, sich gegen die Regie und deren Vorgaben durchzusetzen. Brecht, der zu den Proben nach Frankfurt kam, wurde von Buckwitz um Hilfe gebeten. Er sah sich die nächste Probe wortlos an. Nach einer Stunde erhob er sich und sagte völlig gelassen zur Reichel: „Wenn du mir nicht endlich anfängst, Theater zu spielen, so trete ich dich in den Hintern.“ Die bestürzte Darstellerin fragte nach dem Verfremdungseffekt. Brecht antwortete: „Wir inszenieren keinen Verfremdungseffekt, sondern ein Theaterstück.“

Auch nach dem Tod von Bertolt Brecht (14. August 1956) nutzte Harry Buckwitz die Möglichkeiten, die Brechts Werk bot. Er brachte in Frankfurt u. a. die Uraufführung von „Die Gesichte der Simone Machard“ (1957) und die Inszenierung von „Mutter Courage und ihre Kinder“ mit Therese Giehse in der Titelrolle (1958).

Nach dem Berliner Mauerbau 1961 kam es noch einmal zu wütenden Protesten in der Stadtverordnetenversammlung gegen Buckwitz‘ Inszenierung von Brechts „Leben des Galilei“.
Harry Buckwitz äußerte sich selbst zu Bertolt Brecht und den Inszenierungen seiner Stücke in Frankfurt am Schauspielhaus wie folgt: „Im ersten Jahr meiner Tätigkeit als Generalintendant in Frankfurt am Main habe ich den „Guten Mensch von Sezuan“ inszeniert, und damals war Brecht oft in Frankfurt und beobachtete meine Proben. Dabei hat er oft energisch eingegriffen und viele Gespräche innerhalb und außerhalb des Theaters machten ihn zu meinem wichtigsten Mentor. Er war ein herrlicher Zuhörer, ein unbestechlicher Zuschauer in den Proben.“

Harry Buckwitz inszenierte in Frankfurt jedes Jahr ein Stück von Brecht. Auch in dem Jahr als das Verbot, Brecht zu spielen, durch die Adenauer-Regierung ausgesprochen wurde. Da war Harry Buckwitz gerade mitten in den Proben für den „Kaukasischen Kreidekreis: „Man verlangte von mir, die Inszenierung abzubrechen. Auf Grund meines Vertrages, der mir künstlerische Freiheit garantierte, habe ich mich geweigert das zu tun. Man drohte mir mit der fristlosen Entlassung. Es kam zu Auseinandersetzungen im Frankfurter Stadtparlament, und nur die vernünftige Haltung der SPD-Fraktion verhinderte, daß die Inszenierung verboten wurde. Wir brachten also den „Kaukasischen Kreidekreis“ heraus, und es war sehr bewegend, daß ein großer Teil der vernünftigen Bevölkerung Frankfurts dieser Inszenierung mit großen Ovationen ihre Zustimmung gab. Brecht wurde während dieser Zeit in der BRD boykottiert. Ich galt als einziger, offensichtlich Vogelfreier, dem man den ‚Verrat an der Nation‘ durchgehen ließ.“

Ich komme noch einmal zurück auf die Büste des Stückeschreibers. Nach dem Opernhausbrand im Jahre 1987 war sie verschollen. Rudi Seitz, Kunstbeauftragter des Kulturamtes, hat sie dann eher zufällig in der Bibliothek des Museums für Moderne Kunst wiederentdeckt – allerdings ohne die dazugehörige Würdigungstafel. Im Auftrag des Patronatsvereins hat dann Günter Maniewski eine neue Tafel entworfen, die den einstigen Schauspielintendanten Harry Buckwitz als „Wegbereiter der Stücke Brechts am Schauspiel Frankfurt und der Bundesrepublik“ ehrt. Enthüllt wurde diese restaurierte Büste dann im Jahr 1998.

Die Brecht-Büste mit der neuen Tafel ist derzeit zu finden im Foyer von Schauspiel Frankfurt- seitlich an einer Wand kurz vor dem Eingang zur Panoramabar. Die Metalltafel, die über die Werke Brechts, die in den Jahren 1951 bis 1968 im Haus inszeniert wurden informierte fehlt. Sie ist offenbar verschollen. Wäre Gelegenheit und Aufforderung nach ihr zu suchen.

So ist der 125. Geburtstag von Bertolt Brecht mir Anlass, einen Blick zurück zu werfen und an diese Zeit(en) zu erinnern. Mir würde es gefallen, wenn wieder mehr von Brecht und seiner Kunst in Frankfurt zu sehen wäre, denn er hat uns noch immer viel zu sagen und „der Schoß ist fruchtbar noch aus dem es kroch.“ – mit dieser Mahnung lässt Bertolt Brecht sein Theaterstück „Der Aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, enden und ich meinen Artikel auch.

Brecht-Büste im Foyer von Schauspiel Frankfurt  | © Foto: Walter H. Krämer

Der Artikel wurde anlässlich des 125. Geburtstag von Bertolt Brecht geschrieben und inspiriert durch meine Begeisterung für seine Theaterstücke. Außerdem durch Artikel von Dr. phil. Sabine Hock zum Thema – ich folge deren Recherchen und Ausführungen bezüglich der Chronologie der Brecht-Aufführungen in Frankfurt – und durch das Buch „Harry Buckwitz. Schauspieler Regisseur Intendant 1904-1987“

Letzte Änderung: 11.02.2023  |  Erstellt am: 10.02.2023

Schauspieler, Regisseur, Intendant 1904-1987 | © Walter H. Krämer

Harry Buckwitz Schauspieler, Regisseur, Intendant 1904-1987

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Kommentare

Margarete Berghoff schreibt
Ist das Frankfurter Theater heute noch ein Ort, an dem ernsthaft über Politik und Gesellschaft verhandelt wird? Ist es eventuell ein Ort, an dem Regisseure gefeiert werden für Inszenierungen, die sich an Plakativität, Klamauk, Tempo, Lautstärke, trashigen Ausstattungen überbieten? Oder sich in Kargheit und Phantasielosigkeit unterbieten? "Sag mir wo der Inhalt ist, wo ist er geblieben?" Wie gut täte es öfter wieder Buhrufe zu hören zwischen den jetzt sehr üblichen unkritischen Standing Ovations.

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