Surrealismus – Teil 1/4

Surrealismus – Teil 1/4

Surreale Schreibweisen gestern und heute Das Beispiel von Peter Weiss im kontrastierenden Vergleich zu Tendenzen der Gegenwartsliteratur – Ein Essay von Serena Grazzini
Peter Weiss | © Dietbert Keßler

Der Surrealismus, entstanden in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, war ein Akt des künstlerischen Widerstands gegen die rationalistisch und zweckorientiert organisierte und kriegführende Welt. Die Surrealisten erhoben den Anspruch, die Grenzen zwischen Kunst und Leben radikal aufzuheben, indem sie im und durch das Schreiben direkt auf die Lebenswelt einwirken wollten, gleichzeitig die subjektive Wahrnehmung von Wirklichkeit herausstrichen. Vermag surrealistisches Schreiben heute allen Brüchen zum Trotz noch jene poetisch-subversive Kraft entfalten, die es zu Beginn hatte? Gibt es eine Art surrealistischer Tradition, und wie ließe sie sich fassen? Im Zentrum des Essays von Serena Grazzini* steht Peter Weiss, der erkenntnisrevolutionär eine Sonderstellung einnimmt, gleichzeitig als Kontrastfolie für heutige surreale Schreibweisen dient.

Die Summe der Moderne ist, ob es gefällt oder nicht, jedenfalls surreal: In Formen von Ausschreitungen in ungeahnten Möglichkeiten, keineswegs willkürlich, sondern den Sachzwängen einer Komplexität gehorchend, die solche Erweiterungen aus Gründen einer Sachadäquatheit empfehlen, ohne allerdings der Sache Herr werden zu können.

– Wolfram Hogrebe 1

I. Surrealismus – ein geschichtlicher Exkurs

1. Einführung

Von der Literaturkritik allseitig gelobt, erleben surreale Schreibweisen in der neueren deutschsprachigen Literatur eine Hochkonjunktur, vor allem bei Schriftstellern und Schriftstellerinnen – wie schon bei Peter Weiss – mit Migrationshintergrund und transnationalem Bewusstsein 2. Manchmal verfahren diese Autoren und Autorinnen wie beispielsweise Herta Müller, Emine Sevgi Özdamar, Yoko Tawada, Marica Bodrožić, Saša Stanišić – und ungeachtet der unübersehbaren Unterschiede zwischen ihnen – in Anlehnung an den französischen Surrealismus, manchmal verfolgen sie auch eigene Wege und schaffen an surrealistische Werke erinnernde literarische Bilder und textuelle Formationen, welche üblicherweise als surreal bezeichnet werden. Ähnlich wie Peter Weiss – oder wie zu seiner Zeit die dem Surrealismus z. T. nahe stehenden Autoren Paul Celan und Wolfgang Hildesheimer – teilen auch viele der heutigen Schriftsteller und Schriftstellerinnen die Erfahrung der Grenzüberschreitung, der Konfrontation mit dem Nicht- Vertrauten, in einigen Fällen des endgültigen Entrissenseins aus der heimatlichen Umgebung und des gebrochenen Verhältnisses sowohl zur Mutter- als auch zur Zielsprache. Das damit verbundene Gefühl einer räumlichen und zeitlichen – zumindest partiellen – Nichtzugehörigkeit sowie das Bewusstsein von der Fremdheit des eigenen Blickes bringen sowohl Grenzen als auch Potentialitäten einer nicht selbstverständlich verlaufenden Wirklichkeitsaneignung und Lebensgestaltung an den Tag. Von daher mag die Tendenz dieser transnationalen Autoren und Autorinnen zum Surrealen nicht ganz überraschen. Jene Dimensionen, auf die sich ursprünglich die Surrealisten hinbewegten und die sie dem kollektiven Bewusstsein auf sinnlich-anschauliche Weise in ihren Werken boten, stellen nämlich Verstöße gegen das vermeintlich Selbstverständliche und Erfahrungen von teils schockierenden, teils fröhlich-spielerischen Grenzüberschreitungen dar.

Mögen die biographischen Exil- oder Migrationshintergründe der Verfasser und Verfasserinnen den stark ausgeprägten surrealen Zug ihrer Werke auch begünstigen, so ist es dennoch Tatsache, dass dieser Zug eine breite Zustimmung sowohl beim Lesepublikum als auch bei der Literaturkritik und Literaturwissenschaft findet. Das Interesse am Surrealen heute stellt ein diffuses kulturelles Phänomen dar und in dieser Hinsicht ist es vielleicht kein Zufall, dass der im deutschen Sprach- raum bis zum Ende des 20. Jahrhunderts eher vernachlässigte historische Surrealismus eine Aufwertung erfährt, und zwar sowohl in der Kunst- und Kulturwissenschaft als auch in der germanistischen Literaturwissenschaft und in der Philosophie der letzten Jahre. 3

Anhand dieser literarischen und kulturellen Entwicklung scheint ein erneutes Nachdenken über Peter Weiss im Hinblick auf das Thema lohnend: Sowohl chronologisch als auch ästhetisch nimmt sein Schaffen eine Sonderstellung in dem hier dargelegten literarischen Panorama ein. Zugleich bietet sich Weiss’ Verarbeitung der surrealistischen Erfahrung als Kontrastfolie für eine Überlegung über heutige Erscheinungsformen des Surrealen an. Dieser kontrastierende Vergleich kann einen Beitrag zur Erhellung der Wandlung leisten, die das literarische Surreale – zumindest in der Tendenz – durchgemacht zu haben scheint. Demgemäß soll es im Folgenden nichtprimär um das Verhältnis von surrealen Schreibweisen, Transnationalität und Mehrsprachigkeit gehen; 4 vielmehr wird hier der Versuch unternommen, Leistung und Erkenntniswert der in Betracht gezogenen surrealen Schreibweisen herauszuarbeiten. Peter Weiss’ Werk fordert diese Frage geradezu heraus, so wie sie hier auch an einige Textbeispiele aus der zeitgenössischen Literatur gestellt wird, um nicht zuletzt über das Surreale als bloßes Schlagwort zur Einebnung der Unterschiede hinausgehen.
  Die vorliegende Untersuchung ist in drei Abschnitte geteilt: Zunächst soll der epistemologische Stellenwert des Surrealismus betrachtet werden; dieser epistemologische Wert ist die theoretische Grundlage des hier gewählten Ansatzes. Anschließend wird versucht, das heutige Verständnis des Surrealen zu umreißen. Der zweite Abschnitt ist Peter Weiss gewidmet; mit Bezug auf einige seiner Texte wird seine Auffassung des Surrealismus als Erkenntnisrevolution hervorgehoben und eine neue These zum surrealen Element in seinem Werk entwickelt. Es folgen Überlegungen zu exemplarisch ausgewählten Beispielen aus der Gegenwartsliteratur, deren mimetischer Wert in Bezug auf die heutige Erscheinungsform des Surrealen herausgearbeitet wird.

2. Vom historischen Surrealismus zum Surrealen im heutigen kulturellen und literarischen Diskurs

Die Skepsis, die der in Frankreich um André Breton entstandenen Bewegung über die Jahrzehnte hinweg entgegengebracht wurde und die nicht selten die Form einer offenen Missbilligung   annahm 5, kann heute im Großen und Ganzen als überwunden gelten. Im philosophischen Bereich hängt dieser Sachverhalt mit einer allgemeinen Umwertung der surrealistischen Erfahrung zusammen. Wenn auch wichtige Unterschiede zwischen dem Vorkriegs- und dem Nachkriegssurrealismus, d. h. zwischen einer ersten radikalen Phase und einer – mit einem enttäuschten Peter Weiss ausgedrückt 6 – durch Anpassung an den bürgerlichen Kunstmarkt und Kunstgenuss ge- kennzeichneten zweiten Periode nicht ausblendet werden, neigt man heute dazu, in dem kritischen Diskurs um den Surrealismus die Schwerpunkte und Gewichte anders zu legen als früher. Die surrealistische Revolution wird nicht mehr – oder zumindest nicht nur – an den Folgen gemessen, die sie in der Lebenspraxis hatte oder auch nicht hatte, 7 und ihre Bedeutung wird nicht mehr durch die faktische Ohnmacht der schockierenden Wirkung ihrer Werke im Angesicht der Schrecknisse der historischen Wirklichkeit relativiert 8. Vielmehr wird das Augenmerk auf den vom Surrealismus geleisteten Beitrag zur Erweiterung des menschlichen Erkenntnisvermögens gelenkt. Seinen Vertretern wird allgemein das Verdienst zuerkannt, in ihren Werken dem allgemeinen Bewusstsein psychische und denkerische beunruhigende Dimensionen eröffnet zu haben, und dies mit ungekannter Rücksichtslosigkeit gegen die herrschenden Moralvorstellungen.

Bekanntlich geschah diese Freilegung nicht, um die aus moralischen und rationalen Hemmungen befreiten Kräfte des Traums, des Unbewussten, des Erotischen, des Schreckens oder der Phantasie zu beherrschen und sie der Ordnung der Logik, der Moral und des bürgerlich eingerichteten Gesellschaftslebens wieder gefügig zu machen, 9 sondern um den selbstverständlichen Charakter dieser Ordnung infrage zu stellen und dabei auf ein von jeglichem Utilitarismus freies Leben und Dasein abzuzielen. 10 Der Surrealismus entstand nämlich in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts als ein Akt des Widerstands gegen die rationalistisch und zweckorientiert organisierte und kriegführende Welt. Die Surrealisten erhoben den Anspruch, die Trennungslinien zwischen Kunst und Leben auf äußerst radikale Weise aufzuheben: Einerseits gestalteten sie ihr Leben künstlerisch performativ und traten als Personen in ihren eigenen Texten auf, die sie nicht als Literatur stricto sensu verstehen wollten; andererseits stellten sie sich vor, mit ihrem Tun konkrete Wirkungen auf die Lebenswelt auszuüben. In ihrer Distanzierung vom entheiligenden Dadaismus und seiner orgiastischen Zerstörungswut versuchten die Surrealisten durch eine sich selbst als Kunst negierende Kunst eine neue, transzendenzlose und der Kontrolle der Vernunft entzogene Lebensdimension zu entwerfen.

Das Surrealistisch-Surreale wurde allerdings nicht als statische Alternative zur bestehenden Wirklichkeit aufgefasst, sein Wert war vielmehr ein prozessualer. Im surrealistischen literarischen oder künstlerischen Bild wird das Reale durch »das zweckfreie Spiel des Denkens« 11 ver- und entformt, wodurch es sich auch als verwandlungsfähig herausstellt: Dem Bestehenden werden hiermit Möglichkeiten abgewonnen, die ihm jeglichen Charakter der logischen und existentiellen Notwendigkeit nehmen. Das surrealistische ästhetische Arbeitsverfahren – man denke z. B. an das Ready-Made, an die Collagen, an die Wunderkammern und antiquarischen Sammelstücke – baute nicht von ungefähr auf die Umarbeitung vorhandener Stoffe mit der Absicht, deren interne verborgene Möglichkeiten mittels des Wunderbaren, der Phantasie, des freien Spiels des Denkens von den Fesseln des Zweck- haften zu befreien – mit Benjamins prägnanter Formulierung ausgedrückt: die Surrealisten waren auf der Suche nach der »profanen Erleuchtung einer materialistischen, anthropologischen Inspiration«. 12

Darin lag das revolutionäre Versprechen der surrealistischen Kunststücke, die mehr ein subversives als ein zerstörerisch-kritisches Potential besaßen. Um dieses Potential zu erfassen, ist es umso wichtiger, daran festzuhalten, dass das Surrealistisch-Surreale der denkerischen – wenn auch unbewussten – Wahrnehmung des Realen entspringt. 13 In dieser Hinsicht ist es nur konsequent, dass der Surrealismus über sich hinausführte: Das durch seinen modus operandi erzeugte oder bloß aufgedeckte Surreale kann weder auf eine Poetik noch auf die historische Bewegung beschränkt werden, sondern – und darin lag das wichtigste und folgenschwere Resultat der Gruppe – es ist als mögliche Dimension des Denkens, des Wahrnehmens, des Daseins schlechthin zu betrachten. 14 Um mit Ralph Konersmann zu sprechen, der Bretons Begriffe des »historischen« und des »hypothetischen« Surrealismus aufgreift:

Der Wechsel vom ›historischen‹ zum ›hypothetischen‹ S. ist damit [mit Lévi-Strauss’ entdeckter Analogie zwischen seinen ethnologischen Stu- dien und Max Ernsts Versuchen; S.G.] vollzogen. Er bezeichnet die Realisation des Möglichen als des je schon Gegenwärtigen, eine Art Überschreitung ohne Transzendenz. Dem entspricht die bei Freund und Feind verbreitete These, daß der S. nach seinem frühzeitig von ihm selbst postulierten Verstummen […] und unabhängig von der Verbreitung seines Begriffsnamens als ›ein ganz allgemeines erkenntnistheoretisches Ereignis‹ heute wie stets präsent sei. 15


1 Wolfram Hogrebe: Philosophischer Surrealismus. Berlin 2014, S. 67.
2 Zum Thema vgl. den Aufsatz von Bettina Brand und die dort aufgelistete weiterführende Bibliographie: Bettina Brand: Schnitt durchs Auge. Surrealistische Bilder bei Yoko Tawada, Emine Sevgi Özdamar und Herta Müller. In: Text + Kritik (2006), S. 74–83 (= Sonderband »Literatur und Migration«). Obwohl die im Folgenden entwickelte Überlegung von Brands spezifischen Zielen und Resultaten zum Teil abweicht, ist der hier gewählte Ansatz dem ihrigen ähnlich. Brand hat nämlich das Verdienst, über die reine Feststellung von surreal(istisch)en Schreibweisen in der transnationalen Literatur hinausgegangen zu sein und zum ersten Mal die Frage gestellt zu haben, »was surrealistische Verfahren für diese [Özdamar, Tawada, Müller; S.G.] und vermutlich auch für andere mehrsprachige Autoren leisten. Hier soll nun ein erster Versuch unternommen werden, die ästhetische, politische und theoretische Brauchbarkeit dieser Verfahren – und insbesondere des surrealistischen Bildes – für Gegenwartsautoren zu prüfen, für die das Ineinandergreifen zweier Sprachen zum Alltag gehört« (ebd., S. 74).
3 Für die Kunstwissenschaft vgl. insbes. Metamorphosen der Liebe. Kunstwissenschaftliche Studien zu Eros und Geschlecht im Surrealismus. Hg. von Verena Krieger. Hamburg/Münster 2006; Werner Spies: Der Surrealismus. Kanon einer Bewegung. Köln 2003; Uwe M. Schneede: Die Kunst des Surrealismus: Malerei, Skulptur, Dichtung, Fotografie, Film. München 2006; Werner Spies: Der Surrealismus und seine Zeit. Berlin 2008. Für den kultur- und literaturwissenschaftlichen Bereich vgl. u.a. Surrealismus in der deutschsprachigen Literatur. Hg. von Friederike Reents. Unter Mitarbeit von Anika Meier. Berlin/New York 2009; Berlin Surreal: Camaro und das Künstlerkabarett »Die Badewanne«. Hg. von der Alexander-und-Renata-Camaro-Stiftung. Berlin 2014; Regula Bigler: Surreale Begegnungen von Bild und Text. Lektüren im intermedialen Dialog. Paderborn 2014, S. 95–158; »Der Surrealismus in Deutschland(?)«. Interdisziplinäre Studien. Hg. von Karina Schuller und Isabel Fischer. Münster 2017; Romantik und Surrealismus: eine Wahlverwandtschaft? Hg. von Sebastian Lübke und Johann Thun. Berlin/Bern/Wien 2018. Für die philosophischen Studien vgl. u. a. Vernunft und Subversion. Die Erbschaft von Surrealismus und Kritischer Theorie. Hg. von Dietrich Hoß und Heinz Steinert. Münster 1997; Wolfram Hogrebe: Philosophischer Surrealismus [wie Anm. 1].
4 Zur Vertiefung dieses Verhältnisses vgl. Brand: Schnitt durchs Auge [wie Anm. 2].
5 Zum Thema vgl. Ralf Konersmann: Philosophie der Straße. Erinnerung an den Surrealisten und seine Kritiker. In: Sinn und Form 48 (1996), S. 690–705.
6 Peter Weiss: Aus dem Pariser Journal [1962]. In: ders.: Rapporte. Frankfurt a. M. 1968,
S. 83–112, insbes. S. 83–85.

7 Es sei hier exemplarisch auf die Überlegung hingewiesen, die Jean-Paul Sartre anlässlich der berühmten Pariser Kunstausstellung von 1947 zum Surrealismus und zu seinen Vertretern entwickelte: »Alle [die Surrealisten; S.G.] sind Opfer der Katastrophe von 1940 geworden: der Moment der Aktion war gekommen, und keiner von ihnen war dafür gerüstet. Die einen haben sich umgebracht, andere sind noch im Exil; wer wiedergekommen ist, ist unter uns im Exil. Sie sind die Verkünder der Katastrophe zur Zeit der fetten Kühe gewesen; zur Zeit der mageren Kühe haben sie nichts mehr zu sagen«. Jean-Paul Sartre: Von der Radikalität des Surrealismus. In: Neue Rundschau 92 (1981), H. 1, S. 32–44, hier S. 33.
8 »Nach der europäischen Katastrophe sind die surrealistischen Schocks kraftlos geworden«. Theodor W. Adorno: Rückblickend auf den Surrealismus [1956]. In: ders.: Noten zur Literatur I. Frankfurt a. M. 1980, S. 155–162, hier S. 157–158.
9 Besonders kennzeichnend ist in dieser Hinsicht das doppelte Verhältnis, das die Surrealisten zu Freuds Psychoanalyse entwickelten. Breton hebt zwar im ersten Manifest des Surrealismus die Wichtigkeit der Entdeckung Freuds hervor, tatsächlich verfolgt aber die surrealistische Praxis eher konträre Zwecke als die Psychoanalyse. Mit Mathy gesagt: »Das Ich soll die Schranken seiner Selbstkontrolle durchbrechen, soll die im Wege des Realitätsprinzips verhängten Zensurmechanismen unterlaufen und sich der Sprache des Unbewußten anvertrauen. Während Freuds Traumverständnis gemäß den Regeln der Alltagslogik die Zensurierungen der Traumarbeit rückgängig machen möchte, im Rückschluß von manifesten auf den latenten Trauminhalt den Traum also nach Maßgabe des Wachbewußtseins interpretiert, weisen die Surrealisten derlei Logifizierung des Unbewußten zurück und schließen vom Traum als einer höherstufigen Realität auf die Wirklichkeit, interpretieren das Wachbewußtsein also nach Maßgabe traumlogischer Regeln«. Dietrich Mathy: Europäischer Surrealismus oder: Die konvulsivische Schönheit. In: Die literarische Moderne in Europa. Bd. 2: Formationen der literarischen Avantgarden. Hg. von Hans Joachim Piechotta, Ralph-Rainer Wuthenow und Sabine Rothemann. Opladen 1994, S. 123–146, hier S. 140.
10 So fasst es Werner Spies zusammen: »Ein aufgewühltes existentielles Verhalten gegenüber den Denkgewohnheiten bricht sich an. […] Der Surrealismus reagiert gegen alles, was vorausberechenbar erscheint. Er sucht Komplexität und keine Bestätigung«. Spies: Der Surrealismus und seine Zeit [wie Anm. 3], S. 15.
11 Ebd., S. 26.
12 Walter Benjamin: Der Surrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz [1922]. In: ders.: Angelus Novus. Ausgewählte Schriften 2. Frankfurt a. M. 1966, S. 200–222, hier S. 202.
13 »Denk-Diktat ohne jede Kontrolle durch die Vernunft, jenseits jeder ästhetischen oder ethischen Überlegung«. Mit diesem Satz endet Breton bezeichnenderweise die kurze Definition des Lemmas Surrealismus im ersten Manifest der Bewegung. André Breton: Erstes Manifest des Surrealismus 1924. In: ders.: Die Manifeste des Surrealismus. Deutsch von Ruth Henry. Reinbek bei Hamburg 1968, S. 11–29, hier S. 26.
14 Unter dieser Perspektive scheint es nur folgerichtig, dass Breton im ersten Manifest des Surrealismus viele Autoren aus den vorhergehenden Jahrhunderten als in bestimmten Hinsichten surrealistisch bezeichnet (vgl. ebd.).
15 Ralph Konersmann: Surrealismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Darmstadt 1998, Bd. 10, S. 682–687, hier S. 685. Das Zitat in Anführungszeichen ist dem zweiten Band von Max Benses Konturen einer Geistesgeschichte der Mathematik (1949) entnommen.

Letzte Änderung: 05.07.2024  |  Erstellt am: 28.06.2024

*Der Essay „Surreale Schreibweisen gestern und heute. Das Beispiel von Peter Weiss im kontrastierenden Vergleich zu Tendenzen der Gegenwartsliteratur“ wurde erstveröffentlicht in der Zeitschrift Studia theodisca, Februar 2024. Er wird jetzt in vier Teilen und minimalen Änderungen auch auf faustkultur.de online zugänglich gemacht.

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