Torte und Würstchen

Torte und Würstchen

Zwei Bilderbücher für zukünftige Theaterfans
Illustration aus „Tonia im Theater

Nur wer selbst im Theater war, kann erfahren, was das Spiel auf der Bühne bedeutet, weiß von der Faszination für die Personen, mit denen man Spaß hat und mitleidet in Situationen, in denen man sich als Zuschauer selbst vergessen kann. Wer solche Erfahrung schon als Kind machen darf, hat das Privileg, von der Magie des Schauspiels gekostet zu haben. Zwei Bilderbücher ebnen ihm den Weg ins Theater. Walter H. Krämer stellt sie vor.

Kinder brauchen Theater! Brauchen Kinder Theater?

Kinder und Jugendliche brauchen auf jeden Fall die Begegnung mit Kunst. Kunst öffnet das Tor zur Kreativität, zu neuen Welten. Kunst gibt Raum für Humor, für Utopie, für Fragen und Erlebnisse.

Die Darstellenden Künste für junges Publikum schaffen Angebote für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen. Die Begegnung und Auseinandersetzung mit Kunst ist ein Bildungsprozess, der vielschichtig und unverzichtbar ist. Etablierte Programme wie Theater und Schule, der kulturelle Schulrucksack, Künstler an Schulen und viele weitere Initiativen belegen das.

Kinder erfahren durch das Theater, wie sich Geschichten durch eigenes Handeln zum Guten entwickeln können. Und auch, jemand anders zu sein. Das fördert ihre Empathie: die Grundvoraussetzung dafür, andere Menschen zu verstehen, sich in sie hineinzuversetzen, ihre Freude oder ihren Kummer nachvollziehen zu können.

„Durch die Auseinandersetzung mit der Kunst entwickelt das Kind das Denken, seine Kreativität und seine Selbsterfahrung. Denn das Erleben von Kunst ist ein ständiger Dialog zwischen sich selbst und dem Werk. Kunst kann unsere Art und Weise, die Welt zu sehen, ändern, sie öffnet unsere Sinne, stärkt unseren kritischen Geist und verbindet uns mit der Welt.“ (Catherine Poher)

Deshalb kann es von Vorteil sein, Kinder und Jugendliche möglichst früh mit dem Theater vertraut zu machen. Sei es durch liebevolle Verwandte, interessierte Eltern, engagierte Lehrer*innen oder Freunde und Bekannte.

Gemeint ist nicht nur das eigene Spielen – auch hier gibt es die unterschiedlichsten Angebote an Schulen und / oder auch an den Theaterhäusern, sondern auch der Besuch von Aufführungen an verschiedenen Orten. Hier sei auch ausdrücklich auf die Inszenierungen der großen Staats- und Stadttheater hingewiesen, die meist um die Weihnachtszeit auf den Spielplan kommen. Denn hier haben die Kinder wahrhaft die Möglichkeit, den vollen Reichtum und die Vielfalt von – auch technischen – Möglichkeiten eines Theaters zu erfahren und kennenzulernen.

„Es ist wichtig, sich zu fragen, ob das Theater den Kindern etwas beibringen, sie unterhalten oder ihnen eine unbekannte Welt eröffnen soll. Es gibt Stücke, die alle drei Möglichkeiten abdecken. Wichtig ist auch, dass die Schulen ihre Schüler daran gewöhnen, Theater zu schauen, alle möglichen Arten von Theater. Nicht nur Stücke, die sich für den Unterrichtsplan eignen, sondern auch Stücke, die die bestehende Ordnung umwerfen.“ (Catherine Poher)

Eine Einstimmung auf diesen magischen Ort und möglicherweise einen Besuch im Theater bieten die beiden hier vorgestellten Bilderbücher. Jedes auf seine Art ein Genuss – sowohl was den Text als auch die Bildgestaltung angeht.

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„Tonia im Theater“

Als Tonia das winkende Mädchen – „ein fröhliches Mädchen, dem zwei Zöpfe wie Pinsel vom Kopf abstehen, winkt zu Tonia herüber und macht einen Handstand. Zwei Beine strampeln im Fensterrahmen und ausgelassen grüßen sie zwei Turnschuhe“ – auf der anderen Straßenseite am Fenster des Theaters erblickt, macht sie sich sofort auf den Weg, um dieses Mädchen zu finden.

Und damit beginnt eine abenteuerliche Reise, in der Tonia – und eine kleine Maus ist immer mit von der Partie – erfährt und erlebt, was in einem Theater so alles passieren kann. Tonia schleicht sich an der Pforte vorbei und landet in der Theaterkantine, in der drei wilde Räuber in schwarzen Mänteln und hohen schwarzen Hüten sitzen und Torte und Würstchen verspeisen.

All das liebevoll und detailreich gezeichnet. Da darf selbst die Theatermaus nicht fehlen, die aus einem Glas roten Saft schlürft.

Klaviermusik ertönt und in einem Spiegelsaal drehen und recken sich die Tänzerinnen.

In dem Kostümfundus riecht es nach Weichspüler, Staub und Schweiß. Tonia findet einen hohen – diesmal – roten Hut und kann nicht umhin, ihn aufzusetzen. Die kleine Maus trägt jetzt ein gelbes Kleidchen.

Im Besprechungszimmer entdeckt Tonia zwar ein Plakat mit dem fröhlichen Mädchen, aber dieses selbst hat sie noch immer nicht gefunden. Stattdessen begegnen ihr ein Mann mit Wollmütze, ein Regisseur, und eine Frau mit „Puppenstube“ – einem Bühnenmodell und stellt sich als Bühnenbildnerin vor.

In der Theaterschneiderei verpasst man Tonia einen passenden roten Umhang zum roten Hut.
Im Malersaal herrscht reges Treiben, und die Theatermaus hat es sich in einem Bühnenbildmodell bequem gemacht.

In der Maske erfährt sie endlich, wer das fröhliche Mädchen sein könnte – Tiffany aus der Kinderstatisterie.

Und tatsächlich entdeckt sie das Mädchen während einer Generalprobe auf der Bühne und vermasselt dem Regisseur damit auch noch diese.

Aber kein Grund zum ärgerlich sein – denn alles ist nur Theater. So hat Tonia am Ende nicht nur das Treiben im Theater kennengelernt, sondern auch eine neue Freundin gefunden.

Judith Kuckart und Julia Hoße haben mit „Tonia im Theater“ eine wunderbare und zugleich magische Geschichte über die Faszination des Theaters erzählt und dabei fließende Übergänge zwischen Bühneninszenierung und Wirklichkeit geschaffen.

Ein Blick hinter die Theater-Kulissen mit der bereits Kinder einen vergnüglichen Zugang zu dieser einzigartigen Welt erleben können und das sicher Lust macht, auch einmal ein wirkliches Theater zu betreten.

Am Ende des Buches werden die einzelnen Begriffe noch einmal ausführlicher erklärt und man erfährt Biografisches über die Autorin Judith Kuckart und die Illustratorin Julia Hoße.

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Doppelseite aus „Wo ist Theatrine? Die Welt rund um die Bühne“

„Wo ist Theatrine? Die Welt rund um die Bühne“

„Theatrine steht auf dem Paket, das im großen Opernhaus abgegeben werden soll. Hier werden Ballett und Oper und Schauspiel geprobt und aufgeführt. Auf der Suche nach der geheimnisvollen Theatrine kann man entdecken, was hinter den Kulissen alles los ist! Da gibt es Werkstätten, Garderoben, die Kantine, Orchester und Chor und vieles mehr! (…) Mit fröhlichen Versen und turbulent vergnüglichen Bildern werden Kinder in die geheimnisvolle Welt hinter die Kulissen eines großen Theaters entführt.“

So kurz und treffend der Klappentext zu „Wo ist Theatrine? Die Welt rund um die Bühne“ von Autorin Cornelia Boese und Illustratorin Dorota Wünsch.

Beide – Autorin und Illustratorin – nehmen ihre Leser*innen mit auf eine Reise hinter die Bühne, vom Malersaal bis zum Orchestergraben und erzählen von dem Erlebnisraum Theater.

Cornelia Boese hat sich bei ihren Texten für die gebundene Sprache mit Paarreim entschieden. Und so spaziert man im Rhythmus der Verse durch das Theater auf der Suche nach Theatrine. Und da sie vorerst nicht aufzufinden ist, durchsucht Mattheo, der Sohn des Pförtners, – und wir mit ihm! – Abteilung für Abteilung. Vom Keller bis zum Dachgeschoss. Von der Schreinerei zum Malersaal. Über die Kostüm Abteilung zur Maske, dann in die Kantine, die Probebühnen und zuletzt sogar in den Orchestergraben und auf die Bühne:

„Da sieht Mattheo, wer sie ist: / die Frau, die man so leicht vergisst. / Im Kasten vorne an er Bühne / sitzt die Souffleuse Theatrine. / Wie sie sich über Eilpost freut! / Sie flüstert: ‚Hab Geburtstag heut / und guck zum Spaß die Tänzer an, / ob jeder seine Schritte kann.‘ / In dem Paket ist eine Torte, / die essen sie gleich an der Pforte.“

Jeder Ort bekommt seine zehn Zeilen und am Ende die Souffleuse Theatrine auch ihr Eilpaket.

Dorota Wünsch hat zu den einzelnen Versen viele Details in die Räume gemalt und ganz am Ende – bevor Mattheo mit Rose in einer Hand und Theatrine mit Geburtstagstorte in beiden Händen zur Pforte marschieren – einen Übersichtsplan über alle Räume des Theaters. Großartig!

Wenn die Kinder dann im richtigen Theater nach dem Souffleurkasten suchen, werden sie zwar kaum mehr fündig – doch über das Theater und die einzelnen Abteilungen haben sie einiges erfahren und gelernt. Und Spaß hat es gemacht, mit Mattheo auf die Suche nach Theatrine zu gehen.

Letzte Änderung: 10.08.2022  |  Erstellt am: 10.08.2022

Tonia im Theater

Judith Kuckart Tonia im Theater

Illustration: Julia Hoße
44 S., geb.
ISBN-13: 9783863913182
Voland & Quist, Berlin 2022-08-07

Hier bestellen
Wo ist Theatrine?

Cornelia Boese, Dorota Wünsch Wo ist Theatrine?

Die Welt rund um die Bühne
32 S., geb.
ISBN: 978-3-8369-6116-5
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2021

Hier bestellen
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