Pleiten und Pannen des Sprachgebrauchs

Pleiten und Pannen des Sprachgebrauchs

Peter Köhlers „Respekt zu diesem Deutsch!“

Der Göttinger Journalist Peter Köhler hat seine Sprachglossen der letzten Jahre in einem Band veröffentlicht, der die Tiefen des gegenwärtigen Sprachgebrauchs veranschaulicht. Stefana Sabin empfiehlt allen Sprachinteressierten die Lektüre.

Dass wir „auf massiv dünnem Eis“ sind, soll die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock auf der Höhe der Corona-Krise gesagt haben. Angesichts der Krise und der Stimmung im Land war eine besondere Sprachempfindlichkeit nötig, um jenseits der existentiellen Bedrohung auch eine Formulierungspanne daran auszumachen – eine Sprachempfindlichkeit, die Peter Köhler zu seinem Markenzeichen gemacht hat. In seiner journalistischen Tätigkeit für den Eulenspiegel, die Titanic und die taz wirft Köhler immer wieder einen satirischen Blick auf die deutsche Sprache, genauer: auf den deutschen Sprachgebrauch und entdeckt darin auch stets den Sprachmissbrauch.

In seinem neuen Buch, dem er als Motto den Satz von Saint-Exupéry „Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse.“ voranstellt, versammelt Köhler Sprachglossen, von denen die meisten schon in der taz oder im Eulenspiegel veröffentlicht wurden, aber einige hier zum ersten Mal erscheinen.

Köhler hat versehentliche Versprecher, Pannen und Pleiten im alltäglichen Formulierungskampf gesammelt und sie in drei Kapiteln geordnet und kommentiert. Er zeigt, wie Wörter zu Füllwörter werden und das Verständnis eher erschweren als erleichtern; wie doppelgemoppelten Formen zu einer lästigen Redundanz führen; wie Euphemismen Bedeutung verschleiern; wie grammatiklose Syntax als Stilistikum fungiert; wie die Anglizismenflut die fremdsprachliche Inkompetenz überdeckt.

Köhler mokiert sich über die ubiquitäre Verwendung von Wörter wie einfach (als Adverb) und von Ausdrücken wie „Dazu gibt es keine Alternative“ – und übersieht die Merkelsche Variante „alternativlos“! Das Buch dokumentiert lauter hübsche Patzer wie „Man schlägt seine Ehefrau“, was man als typographisches Versehen durchgehen lassen kann, aber wo der SPD „öffentlich Respekt von Frankreichs Präsident“ bekundet wird, muss man doch ein offensichtliches Defizit des Sprechers nicht der Sprache unterstellen.

Dass „der Dativ dem Genitiv sein Tod sein wird“, will Köhler nicht hinnehmen. „Wer sich dem Thema Genitiv annimmt“, schreibt er, „und dem guten alten Genitiv gedenken will, entdeckt rasch, dass er sich einem sprachlichen Trend erwehren muss, der keineswegs auf typische Fehler wie die drei eben genannten begrenzt ist.“ So bedarf der darauffolgende Abschnitt „Dem Dative zum Gruße“ keiner Erklärung.

Die Auseinandersetzung mit der genderrechten Sprache kann in einem solchen Buch nicht fehlen. Köhler hält sie für ebenso sinnvoll wie für unmöglich. „Die bessere, gerechte Sprache kann nur ein Anfang sein,“ schreibt er, „eine Teilstrecke auf dem Weg, an dessen Ende eine bessere, gerechtere Gesellschaft auf alle wartet.“ Da drängt sich die Frage auf: Was unterscheidet eine „Teilstrecke“ von einer Strecke?

Letzte Änderung: 14.02.2023  |  Erstellt am: 14.02.2023

Respekt zu diesem Deutsch!

Peter Köhler Respekt zu diesem Deutsch!

Sprachpannen auf massiv dünnem Eis
224 S., brosch.
ISBN-13: 9783406787485
Verlag C. H. Beck, München 2022

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