Noch nicht zu spät

| © Bernd Leukert

Gerechtigkeit und Moral sind die Anliegen der Jugend, seit sie sich äußern darf. Nun aber kämpft sie um ihre eigene Zukunft, die vom Klimawandel bedroht ist. Die Schwedin Greta Thunberg, die einst zum Schulstreik gegen die Zerstörung unserer Lebensbedingungen aufgerufen hatte, hat nun ein Buch mit den Forschungsergebnissen und Erkenntnissen vieler Experten und Expertinnen zum Stand der Entwicklung herausgegeben, das Walter H. Krämer empfiehlt.

Greta Thunberg startete im August 2018 einen Schulstreik für das Klima vor dem schwedischen Parlament. Seitdem hat sich der Protest auf der ganzen Welt verbreitet. Greta Thunberg mahnt und fordert weiterhin Politiker*innen zum Handeln auf und informiert sich in der Wissenschaft über die Möglichkeiten, die uns im Kampf gegen die Klimakrise noch bleiben.

Jetzt hat Greta Thunberg zusammen mit mehr als einhundert namhaftem Personen aus vielen unterschiedlichen Disziplinen „Das Klima-Buch“ geschrieben – wie beispielsweise dem Ökonomen Thomas Piketty, der Klimaaktivistin Naomi Klein und der Schriftstellerin Margaret Atwood.

In einem Interview fasst Greta Thunberg die Klimakrise in einem Bild zusammen: Wenn Deine Badewanne überläuft, dann rennst Du nicht los und suchst einen Eimer oder legst Handtücher auf den Boden, um den Schaden zu begrenzen. Der erste Schritt wäre, den Hahn abzudrehen. Und genau das müssten wir jetzt tun.

Wir tun es aber nicht! Womöglich aus Dummheit, Nichtwissen, Ignoranz, Gewinnstreben oder der Gier nach immer mehr Wachstum. Und vergessen dabei, dass es kein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten geben kann.

Um über die Folgen des weltweit spürbaren Klimawandels aufzuklären und die Menschen einmal mehr aufzurütteln – genau deshalb hat Greta Thunberg dieses Buch geschrieben – an dem sie übrigens kein eigenes Geld verdient. Der Erlös geht vollständig an ihre Stiftung, mit der weltweit unterschiedliche Projekte unterstützt werden.

Es ist ein gewichtiges Buch schon allein mit seinem Gewicht von 1,65 kg,90 und Greta Thunberg versammelt mehr als einhundert Beiträge, die im Zusammenhang mit Klimawandel und den damit verbundenen Fragen und Themen stehen und es wird deutlich, was passiert, wenn wir nicht endlich ins Handeln kommen. Es vereint die Aussagen der weltweit führenden Expert*innen, es ist der aktuellste Stand der Wissenschaft, und es sind Gretas eigene Erfahrungen. Ein Buch also, das die Klima-, Ökologie und Nachhaltigkeitskrise ganzheitlich behandelt.

Für Greta Thunberg ist der Klimawandel und die damit verbundenen Folgen die größte Geschichte der Welt. Und darüber muss ihrer Meinung nach gesprochen werden an vielen Orten der Welt, „so weit unsere Stimmen tragen und weit darüber hinaus.“ Und es wird Zeit, diese Geschichte zu erzählen, um damit vielleicht sogar ihren Ausgang verändern zu können.

Schon die Gestaltung des Umschlags macht deutlich, worum es geht und weist auf die Dringlichkeit unseres Handelns hin: Eine Reihe von vertikalen, farbigen Streifen, die den progressiven Anstieg der globalen Temperaturen in einem einzigen, eindrucksvollen Bild zeigen. Jeder Streifen auf dem Umschlag dieses Buches stellt die globale Durchschnittstemperatur für ein einzelnes Jahr dar, beginnend auf der Rückseite im Jahr 1634 und endend auf der Vorderseite mit dem Jahr 2021. Blautöne zeigen kühlere Jahre an, während Rottöne die heißen Jahre darstellen. Das Band aus tiefroten Streifen auf der Vorderseite zeigt die unverkennbar schnelle Erwärmung unseres Planeten in den letzten Jahrzehnten. Und sie machen deutlich, dass kein Winkel unserer Erde gegen die Auswirkungen des Klimawandels immun ist.

Das Buch ist – trotz seines Gewichtes – leicht zu lesen. Einmal, weil es klar strukturiert ist und zum anderen, weil sich die Expert*innen mit Erfolg bemühen, komplexe Zusammenhänge einfach zu erklären.

Das Buch gliedert sich in 5 Teile (Wie das Klima funktioniert – Wie unser Planet verändert wird – Die Folgen für uns – Was wir dagegen unternommen haben – Was wir jetzt tun müssen) und jeder dieser Teile ist noch einmal sehr klar untergliedert. Das Buch kann also gut auch als Nachschlagewerk zu einzelnen Aspekten des Klimawandels gelesen und genutzt werden. Nur eines sollte klar sein, nach der Lektüre des Buches, kann niemand mehr sagen, er hätte von alledem nichts gewusst und sich somit seiner persönlichen Verantwortung entziehen.

Das Buch versammelt kompetente Stimmen aus der Wissenschaft, weist auf unser historisches Verssagen hin und zeigt Auswege aus der Krise auf. Diese sind allerdings nicht zu haben, ohne einen grundlegenden Wandel unserer Systeme. Dem Narrativ „Wir sitzen alle im gleichen Boot“ erteilt Greta Thunberg eine Absage und meint, „Wir sitzen alle im gleichen Sturm“ und weist so darauf hin, dass von den Folgen der Klimakrise die Menschen unterschiedlich betroffen werden und sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter vergrößert.

Es geht Greta Thunberg um Gerechtigkeit und Moral. Wir kennen die Verursacher der Krise und müssten sie zur Rechenschaft ziehen und dafür sorgen, dass sie ihre Schuld gegenüber denjenigen begleichen, denen sie dies durch Ausbeutung und Profitsucht zugefügt haben.

Mit George Monbiot ist Greta Thunberg der Meinung, dass unsere Unfähigkeit, die Klima- und Ökologiekrise aufzuhalten, auch mit einem Versagen der Medien zu tun hat. Deren Unwillen, Informationen so zu gewichten und darzustellen, dass sie allgemeinverständlich und nachvollziehbar sind und nicht von belanglosen Themen überlagert werden. Von den Medien erwartet sie daher mehr Unterstützung durch Beiträge, die das Ausmaß der Katastrophe sichtbar machen und immer wieder erzählt werden sollten.

Hoffnung alleine genügt nicht mehr. Handeln ist angesagt und doch braucht es dafür auch einen gewissen Optimismus, dem etwa die Umweltepidemiologin Ana M. Vicedo-Cabrera Ausdruck verleiht, wenn sie schreibt: „Es ist noch nicht zu spät, eine widerstandsfähigere, nachhaltigere und gerechtere Welt für die nächste Generation zu schaffen.“ Ein erster Schritt auf diesem Weg ist es, die Klimakrise zu verstehen – und dafür ist dieses Nachschlagewerk sehr gut geeignet und eine wahre Fundgrube.

Das Buch von Greta Thunberg ist ein wichtiges Buch – ein Buch zur rechten Zeit verbunden mit der Hoffnung, dass es mehr Menschen zum Handeln bringt und es sollte nicht nur an allen Schulen zur Pflichtlektüre werden.

Letzte Änderung: 02.11.2022  |  Erstellt am: 02.11.2022