Mit Witzen gegen das Verbrechen

Mit Witzen gegen das Verbrechen

Michel Bergmanns Kriminalroman
Michel Bergmann

Es kann nicht nur um Mord gehen, wenn Rabbis ermitteln. Der Drehbuchautor Michel Bergmann beginnt eine Krimireihe, bei der er einen Frankfurter Rabbiner als Hobbydetektiv zur Hauptfigur macht. Stefana Sabin hat den ersten Roman dieser Reihe gelesen.

Die Romantrilogie über den mühsamen Wiederaufbau einer jüdischen Stadtgesellschaft in Frankfurt in den ersten Nachkriegsjahren, die Michel Bergmann zwischen 2010 und 2013 veröffentlicht hat, war so erfolgreich, dass sie verfilmt und die Verfilmung 2017 auf der Berlinale uraufgeführt wurde. Seitdem hat Bergmann Drehbücher, weitere Romane und eine Kindheitserinnerung geschrieben und mehrere Preise – Deutscher Industriefilmpreis, New York Film Award, Hessischer Drehbuchpreis – erhalten, aber dennoch den Eindruck erweckt, dass er schriftstellerisch auf der Suche war. Nun scheint er am Ziel zu sein. Gerade ist sein erster Kriminalroman erschienen, in dem er einen Frankfurter Rabbiner zum Hobbydetektiv macht und ihm einen Hauptkommissar der Mordkommission zur Seite stellt.

Denn Bergmann ist zwar gebürtiger Schweizer, aber er hat seine Jugend in Frankfurt verbracht und kennt die Stadt so gut, dass er sie zu einem glaubwürdigen Handlungsort machen kann. Wie der Schweizer Judaist Alfred Bodenheimer, der mit seinem in Zürich und Basel ermittelnden Rabbiner Klein seit 2014 eine neue Art von ‚Provinzkrimis‘ schreibt, will auch Bergmann Lokalkolorit mit Gesellschaftsanalyse verbinden und nebenbei über das Judentum aufklären.

Deshalb hat Bergmann dem Rabbi, dem Gelehrten und Lehrer, einen Partner beigegeben, einen Kommissar, der sich über die jüdischen Gebräuche und Aspekte der Tradition immer wieder aufklären lassen muss. Während diese Erklärungen eine wichtige Funktion bei der Lösung des kriminalistischen Falls spielen, sind die jüdischen Witze, die der Rabbi gerne erzählt, nur Verzögerungsmomente – wie auch die Spannungen innerhalb der jüdischen Gemeinde, aus denen irreführende Handlungsstränge gesponnen werden.

So tritt Bergmann mit seinem Rabbi Silberbaum in die Buchstabenstapfen des US-amerikanischen Schriftstellers Harry Kemelman, der in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts den Rabbi Small als witzigen und gewitzten Hobbydetektiv erfunden hatte. Kemelman, dessen Vorname Bergmann seinem eigenen Kommissar verpasst hat, nahm die Wochentage als Raster seiner Serie – Bergmann will die alttestamentarischen Gebote, die mitzwot, als Rahmen der Romane nehmen.

Der erste Roman, mit dem Bergmann gerade seine Serie „Der Rabbi und der Kommissar“ beginnt, hat das sechste Gebot im Titel: „Du sollst nicht morden.“ Aber da sich nicht alle an die Gebote halten, wird der Rabbi mit einem geschickten Mord konfrontiert, ermittelt mit Hilfe des Kommissars und stellt schließlich den Mörder und seine Komplizen. Da der Rabbi mehr auf Aufklärung als auf Gewalt setzt, gibt es keine Schlägerei, keine Autoverfolgung, kein Blutvergiessen. Dafür gibt es amüsante Dialoge zwischen dem Rabbi und seiner übergriffigen Mutter, ebenso komische Begebenheiten zwischen dem Rabbi und seiner Sekretärin und eine geschickt konfliktgeladene Freundschaft zwischen dem Rabbi und dem Kommissar.

Ob Bergmanns Rabbi tatsächlich dem Frankfurter Rabbiner Julien Chaim Soussan nachempfunden ist, wie die Lokalpresse suggeriert, mag dem Roman möglicherweise eine zusätzliche Würze geben, läßt sich aber nicht klären – und wird für den erwartbaren Erfolg der ganzen Serie keine Rolle spielen.

Letzte Änderung: 29.11.2021  |  Erstellt am: 29.11.2021

Michel Bergmann

Michel Bergmann Du sollst nicht morden

Der Rabbi und der Kommissar
Kriminalroman
283 Seiten, broschiert
ISBN-13: 9783453441293
Heyne-Taschenbuch, München 2021

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