Das Glück führt nach Rom

Das Glück führt nach Rom

Juliane Kays Roman „Zwei in Italien“
Juliane Kay | © Milena Verlag, Wien

In ihrem Roman Zwei in Italien, der zuerst 1957 erschien, erzählt Juliane Kay von einer Reise mit Hindernissen, von unkonventionellen Lebensentwürfen und ebenso unkonventionellen Geschlechterrollen. Stefana Sabin hat den Roman gelesen und fand die Mischung aus milder Emanzipation und verbrämter Tradition unterhaltsam.

In einem Artikel in der Wiener „Arbeiter-Zeitung“ von 1951 wurden mehrere österreichische Romane besprochen, und es wurde festgestellt, dass es eine „Reihe ausgezeichneter Schriftsteller“ in Österreich gäbe; zu ihnen wurde neben Heimito von Doderer und Hans Weigel, die heute noch einigermaßen bekannt sind, auch Juliane Kay gezählt, die inzwischen vergessen ist und die der Milena Verlag wiederentdecken möchte.

Jetzt ist der Roman Zwei in Italien erschienen – einer von etwa elf Romanen, die Juliane Kay, 1899 als Ernestine Aloisia Smreker in Wien geboren, in den 1950er Jahren veröffentlicht hat. Denn von ihrem allerersten Roman an, der schon 1923 erschien, war sie eine fruchtbare und vielfältig tätige Autorin. Kay, die ausgebildete Schauspielerin war und in Wien, München und Berlin auftrat, ignorierte die politischen Widrigkeiten, ohne sich zu kompromittieren und wurde zu einer der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Zeit. Sie schrieb Theaterstücke – Der Schneider treibt den Teufel aus, 1938 am Berliner Lustspielhaus uraufgeführt, und Vagabunden, 1943 am Theater in der Josefstadt uraufgeführt, sind vielleicht ihre größten Erfolge – und Filmdrehbücher. Für das Drehbuch zu Vergiß die Liebe nicht, eine, so das Lexikon des internationalen Films, „heiter-besinnliche Ehekomödie“, erhielt sie 1953 die Silberne Schale des Bundesfilmpreises. Über Jahrzehnte hinweg lieferte Kay Liebes- und Ehekomödien für die Theaterbühne und die Kinoleinwand. Als sie 1968 in Wien starb, hatte sie zwanzig Romane, acht Theaterstücke und fünfundzwanzig Drehbücher geschrieben, die allesamt als „angenehme Unterhaltung“ („Der Spiegel“) bezeichnet werden können.

Eine „angenehme Unterhaltung“ ist auch den Roman Zwei in Italien. Es ist die Geschichte einer Italienreise, die ein Mann und eine Frau gemeinsam unternehmen. Spätestens seit Goethe ist die Italienreise ein literarischer Topos: die Bildungsreise als Reise zu sich selbst, als intellektuelle und emotionale Selbstfindung. Im 20. Jahrhundert schwappte die Italiensehnsucht in die Unterhaltung über und wurde entsprechend verklärt: das Glück lag unter Palmen am Meer. So beschwor das Lied Capri-Fischer von Gerhard Winkler (Musik) und Ralph Maria Siegel (Text) die südländische Landschaft („Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt,/ Und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt… „) und die romantische Liebe („Bella, bella, bella Marie, / Bleib mir treu, ich komm zurück morgen früh, / Bella, bella, bella Marie, / Vergiß mich nie.“). 1941 entstanden, im Frühjahr 1943 im Rundfunk ausgestrahlt, wurde dieses Lied schon im Sommer 1943 nach der Landung der Alliierten auf Sizilien verboten – und gleich nach Ende des Krieges wieder zum Schlager, ja zum Prototyp jener Nachkriegsexotik, für die die Italienreise in der Wirtschaftswunder-Ära stand.

So übernahm Kay in ihrem Roman einen bewährten literarischen Topos und reicherte ihn an mit gesellschaftlichen Klischees (wie der Unzuverlässigkeit der italienischen Behörden) und romantischen Fantasien (wie der Leidenschaftlichkeit des ‚Latin lover‘). Zwar schuf Kay eine für die Entstehungszeit des Romans geradezu emanzipierte Ich-Erzählerin, die selbständig arbeitet und ungebunden ist, raucht und Hosen trägt und in der Hotelbar alleine an der Theke sitzt. Aber diese modernen Elemente milderte Kay durch eine traditionelle Liebesgeschichte, die sich auf der Reise entfaltet und nach einigen Volten in Rom ihre Vollendung in einem implizierten Heiratsantrag findet.
Entsprechend den moralischen Vorstellungen der 1950er Jahre, als der Roman entstand, wird immer erwähnt, dass die beiden Reisenden getrennte Hotelzimmer buchen und auch sonst ist die Figuren-Konstellation durchaus traditionell: Der Protagonist ist Architekt, übt also einen ‚männlichen‘ Beruf aus und ist wohlhabend, während die Ich-Erzählerin als Dekorateurin einen ‚weiblichen‘ Beruf ausübt und stets finanzielle Sorgen hat. Er ist rational, sie ist emotional.

Aber als geschickte Theaterautorin beherrschte Kay dramaturgische Kunstgriffe, und so ließ sie die Handlung mit einer Verdrehung beginnen: Paul, der Architekt, bekommt sein Honorar nicht ausgezahlt und ist auf das Geld der Ich-Erzählerin angewiesen, was nicht nur seine ursprüngliche Reise-Einladung gewissermaßen zunichte macht, sondern auch die herkömmlichen Geschlechterrollen umkehrt. Dass er sich nur schwer in die neue Rolle findet und sie keineswegs die neue Macht ausnutzt, ist wiederum traditionell.

Vielleicht ist es gerade diese wohltemperierte Mischung aus milder Emanzipation und verbrämter Tradition, die gepaart mit einer flotten Handlung und sympathischen Figuren dem Roman eine unterhaltende Wirkung verleiht.

Letzte Änderung: 13.02.2022  |  Erstellt am: 13.02.2022

Zwei in Italien | © Milena Verlag, Wien

Juliane Kay Zwei in Italien

Roman
Nachwort von Veronika Hoffender
172 S., geb.
ISBN-13: 9783903184794
Milena Verlag, Wien 2021

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