Auch Glauben geht durch den Magen

Die israelisch-italienische Autorin Miriam Camerini hat religiöse Speisevorschriften untersucht und die dazugehörigen Gebete und Rezepte zu einem amüsanten Koch- und Lesebuch versammelt. Stefana Sabin hat nachgelesen und nachgekocht.

Die Menschheitsgeschichte beginnt gewissermaßen mit einem Speiseverbot: „Das ewige Wesen, Gott, befahl dem Menschen und sprach: ‚Von jedem Baum des Gartens kannst du essen. Nur von dem Erkenntnisbaum des Guten und Bösen, von diesem sollst du nicht essen’“, so übersetzt Moses Mendelssohn die fraglichen Zeilen aus der Genesis. Nicht nur die biblische Geschichte ist voller Verbote und Gebote, die sich auf bestimmte Speisen und Zubereitungsrituale beziehen – alle Religionen kennen Speisevorschriften. Zu vielen Festen sind nicht nur bestimmte Gebete vorgeschrieben, sondern auch bestimmte Speisen – und die kulinarische Vielfalt, die europäische Metropolen auszeichnet, ist nicht zuletzt auch ein Reflex der religiösen Vielfalt ihrer Einwohner. „In Europa,“ behauptet der italienische Journalist und Reisereporter Paolo Rumiz, haben „ein Moussaka oder ein Gefilte Fisch die gleiche kulturelle Bedeutung wie Beethovens ‚Ode an die Freude’.“

Dieser Verknüpfung von religiöser mit kultureller Tradition geht Miriam Camerini in ihrem ebenso amüsanten wie informativen Buch „Rezepte und Gebote“ nach. Camerini, die in Jerusalem geboren und in Mailand aufgewachsen ist, Jüdische Studien und Theaterwissenschaft studiert hat und sich zur Rabbinerin hat ausbilden lassen, erkundet den Zusammenhang von religiösem Anlass und der Speise, die ihn charakterisiert, und legt die mit verbundenen Geschichten frei. Denn, so Camerini in ihrer Einleitung, „Essen und Geschichtenerzählen waren schon immer untrennbar miteinander verbunden.“

Ob Gefilte Fish oder Ostereier, Latkes oder Zatar-Focaccina, Mutabak oder gefüllte Weinblätter, Lebkuchen oder Montini, Pumpkin Pie oder Mandelkuchen – alles sind Rezepte, die sich nachkochen lassen, und Geschichten, die die religiösen Rituale des Judentums, Christentums und auch des Islam näherbringen. Denn dies ist ein multireligiöses und multiethnisches Koch- und Lesebuch, das zeigt, dass nicht nur Liebe durch den Magen geht, wie das Sprichwort besagt, sondern auch Glauben.

Letzte Änderung: 19.11.2022  |  Erstellt am: 19.11.2022