Theater für Kinder und Jugendliche kann so schön, so berührend sein und braucht trotzdem große Fragen und Themen nicht außen vor zu lassen. So auch mit dieser Produktion, „TRÄUME. VOM ANKOMMEN UND WEITERZIEHEN“, die am 18. November im Theaterhaus Premiere hatte. Walter H. Krämer ist davon angetan.
„TRÄUME. VOM ANKOMMEN UND WEITERZIEHEN“ im Theaterhaus Frankfurt
Günther Henne, Michael Meyer, Uta Nawrath und Susanne Schyns – gemeinsam sind sie schon seit mehr als 20 Jahren das Theaterhaus-Ensemble – begeistern einmal mehr das kleine und große Publikum. Diesmal mit einem Stück aus vielen vorangegangenen Produktionen: „TRÄUME. VOM ANKOMMEN UND WEITERZIEHEN“ Sie sind vier und nicht alleine – wie immer wieder betont wird. Woher sie kommen, erfährt man nicht. Aber dass sie jetzt im Theater angekommen sind und fürs erste auch dableiben scheint gewiss. Sie machen es sich auf der Bühne gemütlich und spielen, singen und erzählen Geschichten aus anderen Welten und Zeiten. Und das Publikum ist dabei herzlich eingeladen mitzusingen und im vorgegebenen Rhythmus mitzuklatschen. Bei dem kleinen Matrosen, der ein Mädchen liebt und rund um die Welt segelt, springt der Funke schnell über und der ganze Saal macht begeistert mit. Wobei die älteren im Saal das Mädchen sterben lassen, während es doch nur zum Weinen gebracht wird. So unterschiedlich erinnern eben die Generationen.
Rob Vriens, der nach 18 Jahren als Hausregisseur am Theaterhaus die Stadt und das Haus Richtung Amsterdam für neue Herausforderungen verlässt, blickt mit dem Ensemble noch einmal zurück auf viele Jahre Theater- und Zusammenarbeit. Insgesamt stammen die Szenen, Lieder und Texte aus 16 verschiedenen Produktionen der letzten Jahre.
Man merkt schnell, welch reicher Fundus und welche Schätze da vorhanden sind und zum Vorschein kommen. Und auch, dass Entwicklungen stattgefunden haben. So hört man bei einzelnen Liedern (Geh aus mein Herz, Wenn ich ein Vöglein wär) deutlich die Handschrift und die Zusammenarbeit mit einem Gesangscoach. In diesem Fall mit Barbara Zechmeister – vielen bekannt von der Frankfurter Oper. Was sie aus den vier Spieler*innen noch an gesanglichen Möglichkeiten herauslocken konnte, hört man besonders an dem Gesang von Uta Nawrath, der noch besser geworden ist und auch von ihr souveräner vorgetragen wird. Einfach wunderbar – die Gesangseinlagen der Vier. Mal als Solosänger*innen, mal vielstimmig. Da steckt viel Arbeit dahinter, um die ausgeklügelten Arrangements so mühelos zum Klingen zu bringen. Einstudierte Choreografien bringen Bewegung auf der Bühne und die mimischen Fähigkeiten der Akteure*innen erkennt man schnell, wenn man in deren Gesichter blickt.
Kein reines Erzähltheater, sondern eines, das sich vieler Mittel bedient – Körper Stimme, Ausdruck, Maske, Schminke, Kostüme – und aus einem prall gefüllten Theaterkoffer schöpft.
Letztlich war es die Aufgabe des Regisseurs, das Material aus 16 Stücken in eine Reihenfolge und – in Zusammenarbeit mit der Dramaturgin Susanne Freiling – einen dramaturgischen Bogen zu schlagen. Und das ist durchaus gelungen mit einem Blick in die Vergangenheit und einem in die Zukunft – Träume eben vom Ankommen und Weiterziehen und die immer wieder gern gestellten Fragen: Wo komme ich her? und Wo gehe ich hin? Da braucht es keinen linearen Erzählstrang – alles ist möglich und denkbar – und so darf man auch vom Fliegen träumen und in Gedanken und Liedern hin und her springen.
Ungewöhnlich – weil nicht zu erwarten – ist bei dieser Inszenierung der rote Theatervorhang (ich kann mich nicht erinnern, jemals einen solchen vorher im Theaterhaus gesehen zu haben!), der zunächst den Blick auf die Bühne versperrt. Aber er macht sich gut – dieser Vorhang und trägt mit zur Magie dieser Produktion bei.
Als der Vorhang endlich aufgeht, blicken wir auf vier herrlich kostümierte Gestalten (Kostüme und Bühnenbild von Kerstin Laackmann), einen kleinen Leiterwagen mit einem Lorbeerbäumchen und einen Stuhl, der im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen wird. Allein für diese Bild lohnt sich der Besuch. Dass die Kostümbildnerin bei den Entwürfen für die Kostüme an die vier Elemente – Wasser, Erde, Luft, Feuer – gedacht hat, muss man nicht wissen. Auch deshalb nicht, weil es keinen Einfluss auf die Geschichte(n) hat. Wenn man es allerdings erfährt, kann man die Kostüme leicht den einzelnen Elementen zuordnen.
Aus der Ruhe – mehrere Minuten stehen die Vier wie angewurzelt da und schauen das Publikum an – ziehen die Vier dann los und erzählen von einer kranken Oma mit vielen Falten, Erdbeeren im Winter, einem Stuhl, der immer schon besetzt ist, sehr weichen Ohren und geben in einem Medley Dutzende von Kinderliedern mit hohem Erinnerungswert – besonders auch für die erwachsenen Zuschauer*innen – zum Besten. Sei es der Kuckuck, der auf einem Baum saß, der Bäcker der Kuchen backt oder der Fuchs, der die Gans gestohlen hat – sie lassen wenige aus und es ist einfach eine Freude, ihnen dabei zuzusehen und zuzuhören.
Das vorgetragene Liedgut und deren Melodien und Arrangements – soweit nicht auf die traditionellen zugegriffen wird – stammen von in der Szene bestens vernetzten und geschätzten Komponist*innen wie beispielsweise Annemarie Roelofs (Ja ich wag es), Gregor Praml (Wagamama), Elvira Plenar (Heute hier Morgen dort) Oliver Augst und Marcel Daemgen (Kinderlieder Medley).
Aber auch unter den Vieren ist nicht immer alles eitel Sonnenschein, und so ist es nicht nur der Stuhl, der immer schon von einem anderen besetzt ist, sondern es gibt auch eine Szene, wo mit mörderischen Vorschlägen einer ausgegrenzt werden soll. Zum Glück geben sie diese Gedanken schnell wieder auf, und keiner bleibt allein oder bleibt außen vor.
Erstaunlich, welche musikalischen Möglichkeiten unser Körper bietet – hier wird es vorgeführt mit Mund, Händen, Füßen. aufgeblasenen Backen und Bäuchen und es bedarf keiner Musik aus der Konserve – leider dann doch an wenigen Stellen, durch die ich mir aber die Begeisterung für und an diesem kleinen magischen Juwel nicht verderben ließ.
Ein vergnüglicher Spaß für die ganze Familie, der für die kleinen Zuschauer*innen die Gewissheit vermittelt, dass sie immer größer und die Großen immer kleiner werden. Also keine Angst vor niemand – schon gar nicht vor den Erwachsenen und dass es sich lohnt, hinaus in die Welt zu ziehen und so heißt denn auch das letzte Lied bevor das Licht verlöscht und der Vorhang fällt: „Heute hier Morgen dort“
Weiter im Programm des Theaterhauses. Außerdem kann man die Inszenierung einladen auf Theaterbühnen, ins Freie, auf Plätze und in Gärten.
Kontakt:
helenatropp@theaterhaus-frankfurt.de
Letzte Änderung: 17.12.2022 | Erstellt am: 17.12.2022
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