Josef-Roth-Solo

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Alexander Waechters „Legende vom heiligen Trinker“
Szenenfoto Alexander Waechter

In 15 Kapiteln erzählt Joseph Roth die „Legende vom heiligen Trinker“, von Versprechen, die nicht zu halten sind; von Schulden, die kein Gläubiger anerkennen will, und von unwiderstehlichen Bistros, die die Vorsehung in den Weg gestellt hat. Der Schauspieler Alexander Waechter hat in seinem Theater franzjosefskai21 die Erzählung vorgetragen, und Thomas Rothschild ist davon angetan.

Vor einem Jahr ist, fünfundneunzigjährig, der Schauspieler Herbert Lederer gestorben, der mit bürgerlichem Namen Herbert Andl hieß. Er war ein Unikum in der reichhaltigen Wiener Theaterlandschaft. Schon 1960 gründete er sein Einmanntheater, zehn Jahre später zog er dann in sein Theater am Schwedenplatz in einem Keller am Franz-Josefs-Kai. 36 Jahre hindurch bespielte Lederer das Kleintheater im Alleingang mit anhaltendem Erfolg. Danach verkam der unterirdische Raum zusammen mit der lebhaften Wiener Kellertheaterkultur, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Blütezeit erlebt hatte.

Acht Jahre nach dem Ende des Theaters am Schwedenplatz machte sich Alexander Waechter auf, es unter dem Namen Theater franzjosefskai21 zu neuem Leben zu erwecken. In der Tradition von Herbert Lederer beweist er Abend für Abend, dass eine einzige Person fünfzig Zuschauer*innen fesseln kann. Dafür wählt er eher epische als dramatische Texte. Zurzeit ist es Joseph Roths „Legende vom heiligen Trinker“.

Alexander Waechter war über Jahrzehnte Ensemblemitglied am renommierten Theater in der Josefstadt. Tonfall und Sprachfärbung machen ihn zu einem unverwechselbar österreichischen Schauspieler der alten Schule und prädestinieren ihn für österreichische Stoffe. Er ist ein Meister des Raunzens, einer Sprechweise, in der sich eine Haltung manifestiert, deren Verschwinden man gesellschaftlich nicht unbedingt beklagen muss, aber als literarisch-dramatischen Verlust verzeichnen darf. Man muss den Zuständen, die Schnitzler oder Hofmannsthal in ihren Stücken abbilden, nicht nachweinen, um den Fortfall ihrer Darstellbarkeit zu bedauern.

Ein Obdachloser, der seine Nächte unter den Seinebrücken verbringt, begegnet einem Fremden, der ihm 200 Franc anbietet. Die will Andreas, so heißt der einst aus Polen eingewanderte Obdachlose, der heiligen Therese vereinbarungsgemäß zurückbringen. Er ist guten Willens, seine Schulden zu begleichen, und mehrmals setzt er dazu an, doch immer wieder kommt ihm etwas dazwischen, bis er schließlich stirbt. Die Struktur von Joseph Roths „Legende vom heiligen Trinker“ reproduziert die zwanghafte Struktur des Verhaltens von Alkoholikern. Wie diese nicht imstande sind, ihre Sucht aufzugeben, so ist Andreas nicht in der Lage, seinen Vorsatz auszuführen.

Zu einer Legende wird Roths ebenso kurze wie faszinierende Erzählung durch ihren Tonfall, durch eine Wortwahl und eine Melodie, die ihr in der Tat einen biblischen Charakter verleiht. Joseph Roths Sprache ruft geradezu nach lauter Lektüre. Mario Adorf hat sich ebenso daran versucht wie der unvergessene Walter Schmidinger. Alexander Waechter lässt sich von Stichwörtern wie „Wunder“ oder „heilig“ nicht verleiten. Er raunt nicht, sondern spricht laut und deutlich, ohne Mikroport. Das geht also noch. Gelegentlich dehnt und verzerrt er die Vokale, wie es der begnadete Karl Paryla vorgemacht hat. Gestisch deutet er an, wovon er redet.

Wenn heute das Theater Thema ist, geht es vor allem um Geld. Alexander Waechter zeigt mit der „Legende vom heiligen Trinker“, wie wenig nötig ist, um großes Theater zu machen. Allein, auf einer kleinen Bühne. Bis zu jenem wunderbaren letzten Satz, mit dem der Erzähler aus der Fiktion heraus tritt und auf Joseph Roths eigenen nahen Tod vorausweist: „Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!“

Letzte Änderung: 06.11.2022  |  Erstellt am: 05.11.2022

Die Legende vom heiligen Trinker
von Joseph Roth
mit Alexander Waechter

TERMINE bis 26. NOVEMBER 2022!
https://franzjosefskai21.at/

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