Japanische Geisha trifft amerikanischen Marineoffizier. Da werden nicht nur zwei unterschiedliche Kulturen zusammengespannt, sondern auch zwei Charaktere, die schwer zueinander passen. Das kann nicht gut gehen. Wie kann man das plausibel gestalten? In der neuen Frankfurter Inszenierung von Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly" siegen Musik und Gesang über Regie und Dramaturgie, findet Stefana Sabin.
Die zwei leichten Wände, die sich geräuschlos nach links nach rechts auf der Opernbühne bewegen, sollen die Leichtigkeit der japanischen Häuser suggerieren. Denn die Handlung der berühmten Oper von Giacomo Puccini spielt in Nagasaki, wo Pinkerton, ein junger amerikanischer Marineoffizier, gerade ein Haus inklusive der Geisha Cio-Cio-San gekauft hat. Dass die Beziehung zwischen dem lebensfrohen Amerikaner und der schüchternen Geisha nicht gutgehen kann, ist offensichtlich: „Dovunque al mondo lo Yankee vagabondo si gode“ – ‚Im weiten Weltall fühlt sich der Yankee heimisch‘, singt Pinkerton schon zu Beginn der Handlung bei einem Glas Whiskey: ‚Das Leben zu genießen, irrt er lüstern umher, wo Schätze sich erschließen und wo die Liebe ihm winkt.‘
In der neuen Frankfurter Inszenierung von R. B. Schlather hält Pinkerton einen Pappbecher in der Hand, den er zerdrückt und wegwirft – ein amerikanischer Tourist in kurzen Hosen und darüber hängendem Hemd, bei dem das einzige, was entfernt an Marine erinnern könnte, die modischen Bootsschuhe sind! Die Lässigkeit gehört zum Charakter dieser Figur, und der italienische Tenor Vincenzo Costanzo, der kurzfristig für Evan Leroy Johnson eingesprungen ist, wird seiner Rolle schauspielerisch und auch gesanglich mehr als gerecht.
Aber die Oper wird getragen von der Titelfigur, der Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly, die die amerikanische Sopranistin Heather Engebretson mit technischer wie emotionaler Bravour singt. In einem elegant langen schulterfreien roten Kleid und mit gekonnter Schüchternheit stellt sie von Anfang an einen Gegensatz zu der schlampigen Erscheinung Pinkertons und zu dessen Allüren dar. Während Pinkerton nur im ersten Akt und dann kurz am Ende des dritten Aktes anwesend ist, singt Butterfly die ganze Oper hindurch. Dabei erweist sich Engebretson, die ihr Rollendebüt als Butterfly gibt, als Spinto-Sopranistin von außerordentlichem Können, die leichte ebenso wie dramatische Höhepunkte der Partie scheinbar mühelos bewältigt und so die Gefühlsregungen der Figur von der anfänglichen Lebensfreude bis zur tiefen Verzweiflung am Ende glaubhaft darstellt.
Von Pinkerton verraten und verlassen, sieht Butterfly nur noch eine rabiate Lösung: „Con onor muore chi non può serbar vita con onore“ – ‚Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr leben kann in Ehren.‘ (Dass sie den Harakiri-Dolch horizontal statt vertikal hält, ist eine der kleinen Ungereimtheiten der Inszenierung.) Butterflys Selbstmord wird in der Frankfurter Inszenierung vor Publikum gewissermaßen verborgen, denn er findet hinter einer der beiden Trennwände statt, die das Bühnenbild von Johannes Leiacker bestimmt.
Der Kargheit dieses Bühnenbilds – ein Stuhl ist das einzige Requisit – entspricht eine minimalistische Personenführung, so dass die Sänger fast durchweg frontal singen. Aber das tun sie so bravourös, dass sie tatsächlich kaum Dekor und Requisiten brauchen, um die Handlung voranzubringen und die Emotionalität der Musik zu vermitteln. Puccini, der eine leise Vorliebe für exotische Handlungsorte hatte, gestaltete den culture clash zwischen der amerikanischen und der fernöstlichen Lebensweise, indem er der Musik immer wieder eine feine japanische Färbung ohne sentimentale Schwelgerei gab. Diese nüchterne Modernität erarbeitet der Dirigent Antonello Manacorda, Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam, mit dem Frankfurter Orchester besonders heraus und trägt zum musikalischen Gelingen der Frankfurter Aufführung bei.
Letzte Änderung: 29.05.2022 | Erstellt am: 29.05.2022
MADAMA BUTTERFLY
GIACOMO PUCCINI 1858–1924
Japanische Tragödie in zwei Akten
Text von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Uraufführung 1904, Mailänder Scala
Musikalische Leitung: Antonello Manacorda
Inszenierung: R.B. Schlather
Bühnenbild: Johannes Leiacker
Kostüme: Doey Lüthi
Licht: Olaf Winter
Die nächsten Aufführungen: 04., 06., 10., 16. 30. Juni 2022