Die Drehtür des Schicksals

Die Drehtür des Schicksals

Händels „Orlando" an der Oper Frankfurt
Kateryna Kasper (Angelica) | © Barbara Aumüller/Oper Frankfurt

Ziemlich genau 290 Jahre nach der Uraufführung in London hatte Georg Friedrich Händels „Orlando“ an der Oper Frankfurt Premiere. Dieses dramma per musica schuf Händel 1732/33 während seiner Zeit an der italienischen Oper am Londoner Haymarket und benutzte eine literarische Vorlage, die ihrerseits eine Bearbeitung von Ariosts hochberühmtem Epos „Orlando Furioso“ war. In Frankfurt nun hat Ted Huffman – auch mit Hilfe des suggestiven Bühnenbilds nach einem Entwurf von Johannes Schütz – die wirre Handlung in eine stringente Form gebracht und durch Tanzeinlagen, die Jenny Ogilvie choreographiert hat, wirkungsvoll belebt. Die beiden Sopranistinnen Kateryna Kasper und Monika Buczkowska machten die Aufführung zu einem großartigen Opernabend. Stefana Sabin war in der Premiere.

„Von Frauen sing ich euch, von Rittern und von Schlachten, / Von Edelsitte, von der Liebe Glück und Qual, / Von Thaten, die erstaunen machten“ – so fängt das seinerzeit hochberühmte Epos von Ariost Orlando furioso (1516) in Friedrich Schillers Übersetzung von 1793 an. Davon ist in dem Libretto, das Händel (1685-1759) benutzt hat, nicht viel übrig geblieben! Keine Schlachten, keine Edelsitten, und die Taten, die erstaunen, sind eher unerfreulich: Wahnvorstellungen, rasende Eifersucht, Gewalt. Die Oper, für die Händel selbst, der Librettist Carlo Sigismondo Capes und ein hinzugezogener Bearbeiter dem ariostischen Epos den Handlungsfaden entnommen haben, handelt von zwei Frauen, einem Prinzen und einem Ritter, vor allem aber von der Qual der Liebe.

Es ist eine verwickelte Handlung um den liebes- und vor allem eifersuchtstollen Ritter Orlando, der von seiner Geliebten, der Prinzessin Angelica, abgewiesen wird. Angelica ist in den Prinzen Medoro verliebt, der zwar ihre Liebe erwidert, aber seinerseits von der schönen Schäferin Dorinda geliebt wird. In Händels Oper gibt es einen regelrechten Liebesreigen, an dessen Anfang und Ende Orlando steht. Denn im Eifersuchtswahn bringt Orlando Angelica und Medoro um. Aber der Magier Zoroastro (Sarastro!) sorgt doch noch für ein Happyend, indem er Angelica und Medoro rettet und Orlando heilt. „Udite tutti,“ singt der wieder zur Vernunft gekommene Orlando, „qual sia d’Orlando la più bella gloria. Vinse incanti, battaglie, e fieri mostri: Di se stesso e d’amor oggi ha vittoria!“ – Hört alle her, Orlando hat Schlachten gewonnen und Monster besiegt. Aber vor allem hat er sich selbst und die Liebe besiegt! Und so versöhnen sich alle miteinander, und die Oper endet in einem wunderbaren Quintett.

Auf der Frankfurter Bühne spielt sich dieser Liebesreigen in einem einzigen Bild ab: einem Drehkreuz aus vier mit Gaze bespannten Paneelen. Die Figuren treten durch diese Drehtür des Schicksals ein und aus. Auf den Paneelen werden die Orte der Handlung – Baum- oder Palmenzweige – durch blasse Projektionen suggeriert (Video: Georg Lendorff). Farbe bringen allein die Kostüme von Raphaela Rose: Angelicas lachsrotes wallendes Kleid, Medoros rötlichkarierte Hose und seine weinrote Jacke, Dorindas blauweißes Ringelshirt und ihr blaugrüner Rock. Orlando und Zoroastro dagegen sind in Sandfarben gekleidet. Einen Kontrast bilden die fünf Tänzer. Ganz in Schwarz mischen sie sich unter die Figuren, als würden sie zwischen ihnen vermitteln und ihre jeweilige Befindlichkeit ausagieren. Jedenfalls verleihen sie der Handlung eine wohltuende Lebendigkeit.

Unter dem Dirigenten Simone Di Felice spielte das Opernorchester souverän und liess den Sängern (Klang)Raum: Kateryna Kaspar bezauberte als Angelica mit ihren subtil nuancierten Koloraturen und Monika Buczkowska ihrerseits war eine stimmlich großartige Dorinda. War in Händels ursprünglicher Besetzung Orlando ein Mezzosopran und Medoro ein Alt, so wurden in der Frankfurter Inszenierung die Stimmlagen vertauscht: der Alt Wanda Svede gab Orlando als burschikos-tragische Gestalt, während der Countertenor Christopher Lowrey als Medoro die Verletzlichkeit der Figur stimmlich und schauspielerisch ausdrückte. Bozidar Smiljanic schließlich als Magier Zoroastro hatte eine bemerkenswerte Wendigkeit in den Koloraturen und war seinerseits eine starke Bühnenpräsenz.

Alles in allem musikalisch und inszenatorisch gleichermaßen eine wunderbar ausgewogene Aufführung.

Kateryna Kasper (Angelica) und Zanda Švēde (Orlando) | © Foto: Barbara Aumüller/Oper Frankfurt

Letzte Änderung: 04.02.2023  |  Erstellt am: 03.02.2023

Orlando
Georg Friedrich Händel 1685–1759

Opera seria in drei Akten
Text nach Carlo Sigismondo Capece
Uraufführung 1733, King’s Theatre, Haymarket, London

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Musikalische Leitung
Simone Di Felice
Inszenierung
Ted Huffman
Bühnenbild nach einem Entwurf von
Johannes Schütz
Kostüme
Raphaela Rose
Choreografie
Jenny Ogilvie
Licht
Joachim Klein
Video
Georg Lendorff
Dramaturgie
Maximilian Enderle

Oper Frankfurt

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