Così fan tutte: Treue, Untreue, Versöhnung!

Così fan tutte: Treue, Untreue, Versöhnung!

OPERNBESPRECHUNG
Oper Frankfurt v.l.n.r. Teona Todua (Fiordiligi) und Ensemble  | © Barbara Aumüller

Die Oper Frankfurt eröffnet die Saison mit einer neuen Produktion von Mozarts dramma giocoso „Così fan tutte“ ─ ein musikalisch und schauspielerisch gelungener Abend, eine streckenweise langatmige Inszenierung, fand Stefana Sabin.

Erst vor acht Jahren gab es in der Oper Frankfurt eine Produktion von „Così fan tutte, ossia La Scuola degli amanti,“ der dritten und letzten Oper des Gespanns Mozart/Da Ponte. Für seine subtile Inszenierung bekam damals Christoph Loy den FAUST-Theaterpreis. Loy konzentrierte sich auf die Beziehungsdynamik und ließ die Handlung auf einer hellen, kargen Bühne fast ohne Dekor spielen – in einem weißen Beziehungskasten sozusagen.

Denn tatsächlich ist diese Oper ein Beziehungsspiel: es geht um Treue und Untreue, um Vergebung und Versöhnung. Die Handlung ist einfach: Don Alfonso, ein älterer Edelmann, den Erfahrung und Enttäuschung zum Zyniker gemacht haben, hält alle Frauen für wankelmütig und amüsiert sich über die jungen Offiziere Ferrando und Guglielmo, die die Treue ihrer Geliebten für selbstverständlich halten. Um seinen Standpunkt zu beweisen, schlägt Don Alfonso den Offizieren eine Wette vor, bei der die Frauen auf die Probe gestellt werden sollen: Die beiden Offiziere sollen vorgeben, weg zu müssen, sollen verkleidet zurückkehren und die Geliebte des jeweils anderen umwerben. Siegessicher gehen die jungen Offiziere darauf ein und stellen ihren Verlobten eine regelrechte Liebesfalle, in die die beiden Frauen zögerlich, aber bestimmt hineintappen.

Oper Frankfurt v.l.n.r. Kelsey Lauritano (Dorabella), Magnus Dietrich (Ferrando), Teona Todua (Fiordiligi) und Jonas Müller (Guglielmo)  | © Foto: Barbara Aumüller

Schließlich kommt es zu einer großen Eifersuchtsszene, bei der die beiden Frauen ihre Untreue eingestehen und die beiden Männer ihrerseits den unfairen Schwindel und die Wette mit Don Alfonso aufdecken. Alfonso hat die Wette gewonnen. Er hat bewiesen: So machen’s alle, Così fan tutte, und deshalb, singt er, muss man Gelassenheit bewahren, und drängt alle zur Versöhnung: Abbracciatevi e tacete / Tutti quattro ora ridete, singt Don Alfonso: „Umarmt Euch und schweigt / Alle vier könnt nun darüber lachen!“ Und das Ganze schließt mit einer großen Versöhnungsarie, einem Sextett in C-Dur: Fortunato l’uom che prende / Ogni cosa pel buon verso – „Glücklich ist, wer erfasst / Alles von der guten Seite“.

War bei Loy das Geschehen ironisch gebrochen, indem es nie klar wurde, ob die Frauen von dem Spiel, in das sie verwickelt werden, nichts wissen oder ob sie nicht erkennen lassen, dass sie etwas wissen, während die Männer zu wissen glauben, dass die Frauen nichts wissen ─ so erscheinen die Frauen in der neuen Inszenierung von Mariame Clément gewissermaßen doppelt betrogen: durch die Falle, die ihnen gestellt wird, und durch die sichtbar widerwillige Verführungsanstrengung der Männer, die mehr miteinander zu konkurrieren scheinen, als sich um die Frau zu bemühen. Auch das librettogemäß fröhliche Ende dekonstruiert Clément, indem sie keine Doppelhochzeit zeigt, sondern nur die Andeutung einer Hochzeit zwischen sichtbar verstörten Liebespartnern. Das Ende, sagte Clément im Gespräch mit dem Dramaturgen Zsolt Horpácy, ist „wie bei einer Hochzeit: Es ist nur der Beginn.“

Tatsächlich nutzt Clément in ihrer Inszenierung die Hochzeit als Rahmen der Handlung: am Anfang zeigt sie eine Hochzeit, die im entscheidenden Moment, bei der Unterschrift der Braut, steckenbleibt, und am Ende findet eine Hochzeit statt, bei der unübersichtlich ist, wer wen und ob überhaupt heiratet.

Insofern nimmt Clément die Oper ernst: denn Mozart und Da Ponte machten aus der Liebesprobe die Destruktion der Liebesbindung – auch deshalb erinnert das Schusssextett in Così an das Schlusssextett in Don Giovanni: aber mehr noch als der Tod des Wüstlings in Don Giovanni deutet die scheinbare Versöhnung der Paare in Così auf „den Ausklang einer Endzeit,“ wie der Mozart-Spezialist Hans Mayer schrieb, auf das Ende der Rokoko- und der Feudalzeit.

Oper Frankfurt, Kelsey Lauritano (Dorabella) und Magnus Dietrich (Ferrando) | © Foto: Barbara Aumüller

Manche Mozartforscher, allen voran Alfred Einstein, sehen in Così fan tutte Da Pontes librettistisches Meisterwerk und Mozarts beste Opernkomposition. Die Handlung ist von geradezu moderner psychodynamischer Subtilität: die Figuren zweifeln an sich selbst und aneinander, und dabei werden ihre Emotionen melodisch gespiegelt. Mozart und Da Ponte verwandelten die opera buffa in ein dramma giocoso: die Figuren sind plausibler, die Konflikte schärfer, die inneren Zweifel realistischer, so dass die Komödie zur Tragikomödie wurde. Es ist eine Oper über die mögliche und unmögliche Intimität der Liebe – und das Lachen vergeht einem immer wieder.

Auch darin scheint Clément die Vorlage ernstgenommen zu haben: sie verzichtet auf komödiantische Elemente und inszeniert einen dramatischen Konflikt zwischen Ideal und Realität. Vielleicht auch deshalb ist die Figurenführung eher traditionell, und es ist die schauspielerische Leistung der Protagonisten, die über manche Langatmigkeit hinweghilft. Teona Todua als Fiordiligi, Kelsey Lauritano als Dorabella, Jonas Müller als Guglielmo und Magnus Dietrich als Ferrando brillieren alle in ihren Rollen darstellerisch wie musikalisch, während Liviu Holender als Don Alfonso ─ zugegeben, eine undankbare Rolle! ─ eher blass bleibt.

Der Frankfurter GMD Thomas Guggeis, der auch das Hammerklavier bei den Rezitativen spielte, führte sein Orchester mit gewohnter Präzision und mit Rücksicht auf die Stimmungen der Figuren und sorgte wie üblich für einen besonders gelungenen musikalischen Abend.

Letzte Änderung: 06.10.2025  |  Erstellt am: 06.10.2025

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