Aus Staatsraison

Aus Staatsraison

Verdis „Don Carlo“ an der Oper Frankfurt
Don Carlo.Magdalena Hinterdobler (Elisabeth von Valois) und Otar Jorjikia (Don Carlo) | © Barbara Aumüller

Nach den ersten fulminanten Premieren – Mozarts Figaro im Großen Haus und Donizettis Don Pasquale im Bockenheimer Depot – bestätigt die Oper Frankfurt ihren Ruf als Oper des Jahres mit der ebenso erstklassigen Wiederaufnahme von Verdis Don Carlo. Die Inszenierung von David McVicar von 2007 wirkt immer noch beeindruckend, und Sänger und Orchester sorgen für einen großartigen Opernabend, findet Stefana Sabin.

Fast zwanzig Jahre soll Verdi an seiner Oper Don Carlo gearbeitet haben: Nach der Uraufführung in Paris 1867 folgte erst 1884 die Aufführung einer neuen Version in Mailand. Die Musikwissenschaft geht inzwischen von sieben Fassungen der Oper aus. Auch die Sprachen des Libretto, das auf Schillers Stück gleichen Titels basiert, wechselten: der ursprünglich französische Text wurde ins Italienische übersetzt. Üblicherweise wird eine Mischung aus der Pariser und der Mailänder Version auf Italienisch gespielt, so auch in Frankfurt, wo 2007 der schottische Regisseur David McVicar, inzwischen zum ‚Knight Bachelor‘ geadelt, die Oper inszeniert hatte. Nun ist diese suggestiv naturalistische Inszenierung unter der szenischen Leitung von Caterina Panti Liberovici, die gerade Don Pasquale neuinszeniert hat, wiederaufgenommen worden.

Die Handlung von Verdis Oper beginnt und endet im Wald. Im Wald von Fontainebleau erfahren am Anfang die Geliebten, Elisabeth von Frankreich und Carlo von Spanien, dass sie nicht heiraten dürfen. Denn aus Staatsraison muss Elisabeth Carlos Vater Philipp heiraten. Im Wald vor dem Kloster von Yuste verabschieden sich am Ende die Geliebten, die sich nie lieben durften, für immer. Denn aus Staatsraison gibt Carlo jede romantische Hoffnung auf und will gegen seinen Vater für politische Freiheit kämpfen.

Es ist eine wuchtige Handlung mit allen Ingredienzien der großen Oper: Liebe, Männerfreundschaft, Vater-Sohn-Konflikt, politischer Mord, dazu Inquisition und Krieg. Und anders als in den meisten Opern, in denen der Sopran sterben muss, wird hier der Tenor geopfert: wird Carlo, noch bevor er an seinen Vater ausgeliefert werden kann, wie durch Geisterhand in das Dunkel des Klosters gezogen und in der Frankfurter Inszenierung getötet. Neben der Glättung der Kirchenkritik ist dies ein eher kleiner Eingriff, der den Vater-Sohn-Konflikt zuspitzt.

Das abstrakte Einheitsbühnenbild von Robert Jones, das sowohl den Wald als auch den königlichen Palast wirkungsvoll suggeriert, erlaubt eine flüssige Akt- und Szenenfolge, die historisierend opulenten Kostüme von Brigitte Reiffenstuel machen die gesellschaftliche Etikette deutlich und illustrieren so die unterschwellig liegenden Konflikte, die die Handlung tragen. Die dunkle Stimmung und die Komplexität der Musik arbeitet das Opernorchester unter dem Stab von Thomas Guggeis mit bedrückender Subtilität aus. Aber es sind vor allem die Sänger, die diese Aufführung zu einem regelrechten Opernereignis machen: Otar Jorjikia als Don Carlo, Magdalena Hinterdobler als Elisabetta, Andreas Bauer Kanadas als Filippo, Domen Krizaj als Rodrigo, Dshamilja Kaiser als Prinzessin Eboli. Sie alle bekamen den verdienten begeisterten Applaus, ebenso wie der Dirigent, und genossen ihn sichtbar.

Don Carlo. Ensemble | © Foto: Barbara Aumüller

Letzte Änderung: 12.10.2023  |  Erstellt am: 10.10.2023

Siebte Wiederaufnahme
DON CARLO
Oper in fünf Akten von Giuseppe Verdi
Text von Joseph Méry und Camille du Locle
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: David McVicar

Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Caterina Panti Liberovici
Bühnenbild: Robert Jones
Kostüme: Brigitte Reiffenstuel
Choreografische Mitarbeit: Andrew George
Licht: Joachim Klein
Chor und Herren des Extrachores: Tilman Michael
Dramaturgie: Malte Krasting
Don Carlo: Otar Jorjikia
Elisabeth von Valois: Magdalena Hinterdobler
Philipp II.: Andreas Bauer Kanabas
Prinzessin Eboli: Dshamilja Kaiser
Rodrigo, Marquis von Posa: Domen Križaj
Graf von Lerma / Herold: Kudaibergen Abildin
Tebaldo: Bianca Andrew
Der Großinquisitor: Simon Lim
Ein Mönch: Thomas Faulkner
Eine Stimme von oben: Kateryna Kasper u.a.
Chor, Herren des Extrachors und Statisterie der Oper Frankfurt; Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Oper Frankfurt Spielplan

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