All dressed up and nowhere to go

All dressed up and nowhere to go

Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Jimmy Robert: Hanging 2, 2010 | © Jimmy Robert, Courtesy Stigter Van Doesburg & Tanya Leighton Gallery

Die große Einzelausstellung des in Guadeloupe geborenen französischen Künstlers Jimmy Robert zeigt anhand einer Chronologie früher bis aktueller Performance-, Video- und Filmarbeiten das multimediale Oeuvre des Künstlers der letzten 20 Jahre. Posieren, Tanzen, Kleiden, Voguing oder Cruising: Jimmy Roberts Arbeiten setzen sich mit verschiedenen Formen der Bewegung auseinander – sei es in der Kunst, der queeren Kultur oder im öffentlichen Raum. Bewegung ist nicht neutral, sondern sagt auch immer etwas über die Person aus. Sie wird geleitet, vereinheitlicht und so zu einem gesellschaftlichen Erkennungsmerkmal. Auch die Kunsthalle gibt als öffentliches Gebäude durch ihre Architektur verschiedene Bewegungen vor: Dem Flanieren in der Parkanlage aus dem 19. Jahrhundert über die Steintreppe und hinein in den Jugendstilbau folgen im Inneren der Aufstieg zu den Ausstellungsräumen über die repräsentative Marmortreppe in den Hauptsaal sowie das Wandeln durch die Raumfolge des White Cubes.

Die Soloschau von Jimmy Robert (*1975) in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden eröffnet mit der Begegnung des Publikums mit sich selbst zwischen zwei riesigen Spiegelwänden. Diese körperliche Selbstreflexion ist nicht ohne Grund. Jimmy Robert geht es in seiner künstlerischen Arbeit um die Bedeutung von Bewegung im Raum und darum, welche Bilder sie hervorbringt – nicht nur im physischen, sondern auch im kulturellen, sozialen und politischen Raum, in der Pop- und Queer-Culture. In Baden-Baden dient ihm der neoklassizistische Bau der Kunsthalle so gleichermaßen als Bühne und als Gegenstand einer durch die Säle mäandernden Auseinandersetzung mit der Definitionsmacht des Raumes über den Körper, mit Fragen der Zugehörigkeit und des Ausschlusses, aber auch mit den Möglichkeiten, diese Macht zu unterlaufen oder sie zu okkupieren. Davon erzählen etwa die Fotografien der Serie „All dressed up and nowhere to go“. In weißem Dress, irgendwo zwischen antiker Robe und belgischer Haute Couture, schmiegt der in Guadeloupe geborene und derzeit in Berlin lebende Performance- Film- und Fotokünstler seinen Körper an die Marmortreppen, Brüstungen und Podeste des Museumsbaus. Man könnte es als einen Akt der tänzerischen Aneignung beschreiben, in dem Robert hier mit der repräsentativen Architektur verschmilzt. In anderen Arbeiten thematisiert Jimmy Robert den Körper als Träger von Sprache und lässt sich von Gedichten der afroamerikanischen Lyrikerin Audre Lorde inspirieren, von Romanen Marguerite Duras’ oder den wegweisenden Performances von Yvonne Rainer. Deren berühmtem „Trio A“ von 1965, das von Generationen von Tanzenden und Kunstschaffenden immer wieder neu interpretiert wurde, widmet er in Baden-Baden eine beiläufig an die Wand gelehnte Textarbeit, die Bewegung erst im Kopf entstehen lässt.

Zu den eindringlichsten Arbeiten dieser Schau gehört die Videoarbeit „Imitation of Lives“, die eine Performance von 2017 im legendären „Glass House“ von Philipp Johnson dokumentiert. Für Jimmy Robert repräsentiert diese Architekturikone nicht zufällig die Zwiespältigkeit von Transparenz. Die radikal offene Architektur setzt den Körper beständig den Blicken von außen aus, während dieser sich zugleich in jeder seiner Bewegungen in den Scheiben spiegelt. Gleiches gilt umgekehrt. Zusammen mit der Performerin NIC Kay und dem Tänzer Quenton Struckey vermisst Jimmy Robert hier in einer rund einstündigen Choreografie die schmale Grenze zwischen Durchlässigkeit und Reflexion, Sichtbarkeit und Zuschreibung.

Jimmy Robert: Imitation of Lives, 2017, Performancestill | © Foto: Lucy McKe, Jimmy Robert, Courtesy Stigter Van Doesburg & Tanya Leighton Gallery

Letzte Änderung: 23.12.2022  |  Erstellt am: 23.12.2022

Jimmy Robert
All dressed up and nowhere to go: Raum und Körper

Dauer der Ausstellung:
bis 15. Januar 2023

Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Lichtentaler Allee 8a
Baden-Baden

www.kunsthalle-baden-baden.de

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