Graffiti gelten als Kunst mit einem eigenen stilistischen Kanon, einer ausdifferenzierten Gruppenästhetik, Stars und konkurrierenden Nacheiferern. Walter H. Krämer hat die wundersamen und manchmal rätselhaften Gemälde im öffentlichen Raum der Metropole Frankfurt fotografiert und kommentiert. Nicht alle Graffiti oder Murals sind noch zu finden – denn das Sprühen auf Häuserwände, Betonmauern und Zäune ist eine kurzlebige Kunst. Hier ist die fünfte Sammlung.
Augen in der Großstadt
Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das? vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder
Kurt Tucholsky
Spazieren entlang des Mains, das Ufer und die Gespräche mit einem Freund auf dem Weg zur Deutschherrnbrücke – einer Eisenbahnbrücke mit Gehweg über den Main – genießen.
Von der Brücke aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Skyline der Stadt, auf die ehemalige Großmarkthalle und jetzt ein Gebäudeteil der europäischen Zentralbank (EZB), auf die angrenzenden Wohn- und Geschäftsgebäude, den Osthafen und den Hafenpark.
Auf der Brücke befindet sich seit 2011 die Klangkunst-Installation Sonic Vista von Sam Auinger und Bruce Odland.
Zwischen die Streben des Mittelbogens ist – versehen mit eingebauten Lautsprechern -– eine rote und eine blaue Kugel gespannt. Diese geben Umgebungsgeräusche und Brückenschwingungen wieder, die mittels versteckt unter der Brücke angebrachten Resonanzrohren verfremdet und mit Mikrofonen aufgenommen werden.
Die Gedenkstätte an der Frankfurter Großmarkthalle erinnert an die Deportationen jüdischer Menschen aus der Stadt in den Jahren 1941 bis 1945. Die Großmarkthalle, im Jahr 1928 fertiggestellt und als zentraler Umschlagplatz für Obst und Gemüse in der Stadt konzipiert, diente der Gestapo als Sammelpunkt beim Massenmord an der jüdischen Bevölkerung Frankfurts. Insgesamt über 10.000 Menschen wurden in den Kellern des Baus zusammengetrieben und über den angrenzenden Güterbahnhof in die Konzentrationslager deportiert.
Den Hafenpark mit Skatepark nannte eine Frankfurter Tageszeitung treffend Frankfurts „Ort zum Sein“. Der weitläufige Hafenpark liegt mitten in der Stadt, unmittelbar an der Mainuferpromenade und zu Füßen der Europäischen Zentralbank. Er bietet ein großes Angebot an Sportmöglichkeiten und ist vor allem in den Abendstunden und am Wochenende ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche, die Skaterszene und andere Sportbegeisterte aller Altersklassen.
Schollenartig ausgeformte Wiesenflächen, Bänke und Mauern bieten überall im Park Gelegenheit, sich auszuruhen, zu picknicken, Freunde zu treffen und den urbanen, rauen Charme des Areals, dicht am Osthafen und umgeben von mehreren Brücken, zu genießen.
Und unter der Brücke, umgeben von Zuggeräuschen, dem fröhlichen Geschrei von Kindern und Jugendlichen, den nachdenklichen Mienen von Passanten und den eiligen Schritten der Banker, gemalt auf einem Brückenpfeiler, blickt man in viele Gesichter und man blickt zurück. Und in diesen Augenblicken verdichtet sich all das zu einem Eindruck von Menschen mit vielerlei Geschichten und Schicksalen in einer Stadt.
Im Süden Frankfurts, an der Grenze zu Offenbach liegt direkt am Waldrand – gegenüber dem Waldfriedhof Oberrad – der Reitclub von Nordheim. Auf der Rückseite der Stallungen – besonders im Winter mangels Blätter an den Bäumen vom Waldfriedhof aus gut einzusehen, mehrere Graffiti.
Wollte ich nicht mit dem Auto weit vor die Stadt fahren, sondern ortsnah spazieren, bot sich immer ein Gang über den Waldfriedhof Oberrad und umliegendes Gelände an.
Bei einer solchen Gelegenheit entdeckte ich diese Graffiti, die bei klirrender Kälte mitten im Winter eher frühlingshafte Gefühle weckten.
Angelegt im Jahre 1914 ist der Waldfriedhof mit 20,5 Hektar die drittgrößte Bestattungsfläche Frankfurts nach dem Hauptfriedhof und dem Friedhof Westhausen. Er wurde innerhalb einer Waldfläche des Frankfurter Stadtwalds angelegt und ist gekennzeichnet durch einen relativ dichten und gepflegten Baumbestand mit gärtnerisch gestalteten Grabflächen. Außer den weitgehend naturnah belassenen Waldflächen gibt es große Lichtungen mit Kriegsgräbern, ein moslemisches Bestattungsfeld sowie mehrere Trauerhaine und denkmalgeschützte Gräber.
In ihrem Reitstall in Oberrad kümmert sich Linda von Nordheim um vernachlässigte und misshandelte Pferde und Ponys. 2005 verwirklichte sie ihren Traum vom eigenen Reitstall, heute ein beliebter Treffpunkt für Pferde-, Tier- und Natur-begeisterte Kinder und Jugendliche.
Und natürlich darf er – der Tod – nicht fehlen – so ganz nah an einem Friedhof.
Letzte Änderung: 22.11.2022 | Erstellt am: 22.11.2022
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