„Burn After Reading“ ist eine abenteuerliche Kriminalkomödie, die mit einer Starbesetzung im Geheimdienstmilieu spielt: George Clooney, Frances McDormand, John Malkovich, Brad Pitt und Tilda Swinton. Regie führten Ethan und Joel Coen, mit denen Marli Feldvoß bei der Premiere des Films 2008 in Venedig sprach.
Ethan und Joel Coen im Gespräch mit Marli Feldvoß zu „Burn After Reading“
Marli Feldvoß: Was finden Sie eigentlich an der Spezies „Idioten“ so spannend, die Ihre Filme, einen nach dem andern, bevölkern? Sie haben selbst gesagt, dass „Burn After Reading“ nach „O Brother, Where Art Thou“ und „Intolerable Cruelty“ als der dritte Teil der „Idioten“-Trilogie anzusehen sei, die Sie George Clooney gewidmet haben.
Ethan Coen: Ach wissen Sie, das ist einfach ein guter Erzählstoff. Irgendwie muss die Geschichte ja vorankommen. Wenn alles glatt und normal läuft, wo ist dann die Story? Gibt es denn überhaupt gute Filme über angepasste, gescheite, erfolgreiche Typen? Vielleicht den einen oder andern. Das ist uns aber zu hoch.
Wie arbeiten Sie zusammen? Wie entwickeln Sie Ihre Dialoge?
Ethan Coen: Die Dialoge kann man nicht von der Geschichte ablösen. Die entstehen zur gleichen Zeit wie sich die Story entwickelt. Auch die Figuren schälen sich beim Entwickeln der Geschichte heraus. Was sie so zu sagen haben, trägt dazu bei, wer sie sind, was wiederum dazu beiträgt, dass wir mit der Story vorankommen. Bei „Burn After Reading“ war es so, dass wir etwas mit bestimmten Schauspielern entwickeln wollten. Wir haben also fünf Namen auf ein Stück Papier geschrieben und uns gefragt, wie die Story dazu aussehen könnte.
Sie lieben das Absurde, schreiben eine schwarze Geschichte nach der anderen. Gibt es für Sie so etwas wie den Sinn des Lebens, gibt es einen Gott?
Ethan Coen: Sie fragen ausgerechnet uns nach dem Sinn des Lebens? (lacht) Das hört sich vielleicht wie ein Witz an, weil wir sie ein bisschen hochnehmen wollen, aber es ist wirklich wahr: Als ich noch ins College ging und Philosophie studierte, wurde ein Seminar zum Thema „Sinn des Lebens“ angeboten. Es war fakultativ, und ich muss zugeben, dass ich es nicht belegt habe.
Wie war das, als Sie in der russischen Botschaft drehen wollten, die im Film zu sehen ist?
Ethan Coen: Wir haben uns die Original-Botschaft in Washington angesehen, und sie haben uns dort herumgeführt. Eine Drehgenehmigung war allerdings nicht zu haben.
Joel Coen: Das Gebäude im Film gehört zum Bronx Community College. Das hatte die gleiche brutale Architektur.
Warum hängt immer noch Putin über dem Schreibtisch?
Joel Coen: Meinen Sie, der wäre jetzt irrelevant?
Wie ist es zu der Musik gekommen?
Joel Coen: Die Musik sollte irgendwie bombastisch und wichtig klingen, aber rein gar nichts bedeuten, also als eine Art Metapher für den Film stehen. Carter hatte dann die Idee, die großen Trommeln einzusetzen.
Wie ist das eigentlich, wenn Sie zusammen arbeiten und immer in das gleiche Gesicht starren müssen? Wird das nicht langweilig?
Joel Coen: (Beide lachen) Wir arbeiten seit 25 Jahren zusammen. Die meisten von der Crew sind auch schon über zwanzig Jahre dabei. Wir haben allein zehn Filme mit Roger Deakins gedreht, vierzehn mit dem Komponisten Carter Burwell.
Ethan Coen: Ziemlich langweilig…
Joel Coen: Ziemlich, aber so machen wir das eben.
Ihre Filme sind lustiger geworden über die Jahre. Sogar ein so schwarzer Film wie „No Country for Old Men” hat reichlich humorige Elemente.
Joel Coen: Am Anfang haben wir versucht, unsere schwarzen Filme mit ein paar Funken Humor aufzuhellen. Das hat sich eigentlich nicht verändert. Der einzige Film, der sich darin unterscheidet, ist unser Projekt über die Feuerbombardierung von Tokio. Dieser Stoff war überhaupt nicht komisch. Aber daraus ist nie etwas geworden.
Es sieht so aus, als wären sie in den Genrefilm verliebt, spielten gerne mit den Genres herum, wie ein Koch in der Küche experimentiert, um zu sehen, was dabei herauskommt.
Ethan Coen: Wir denken nicht über die Zutaten der Filme nach, wir denken auch nicht in Genres. Es ist alles internalisiert. Wir haben so viele Spionagefilme gesehen, also ist da einiges hängengeblieben. Wir denken nicht so: da haben wir eine Spionagegenrestory und würzen sie noch mit einer Prise Sexcomedy. Es sieht vielleicht so aus, aber so denken wir nicht.
Sind Sie eigentlich mehr an der Konstruktion oder an den Figuren interessiert? Dieser Film wirkt sehr konstruiert und transportiert wenig menschliche Gefühle, wie viele Ihrer Filme – ausgenommen Tommy Lee Jones in „No Country for Old Men“. Alles ist perfekt, aber es fehlt das Menschliche.
Ethan Coen: Ich empfinde das nicht so. Ich ziehe das Menschliche vor. Aber ich habe diesen Partner, der denkt da anders. (lacht) Für mich sind sie menschlich, aber nicht sentimental. Aber die Sentimentalität des einen ist die Humanität des andern.
Joel Coen: Seltsam, dass der eine Film humaner sein soll als der andere. (stöhnt) Wenn wir einen Film entwickeln, dann investieren wir jedenfalls genauso viel in die Figuren wie in die Machart der Filme.
Es ist nicht immer leicht, die Grenze zum Zynischen zu ziehen.
Ethan Coen: Zynisch – was ist das?
Letzte Änderung: 20.10.2021 | Erstellt am: 19.09.2021
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