Post für Werner Ost

Post für Werner Ost

Erinnerungen
Werner, wie Alexander Pavlenko ihn sah.

Vergessen gehört nicht zu unseren Tugenden. Anlässlich des Todes des Gründers und Mitherausgebers des Onlinemagazins Faust-Kultur, Werner Ost, haben Autor:innen und Freund:innen ihre persönlichen Erinnerungen, Gedanken, Gedichte, Zeichnungen und Fotos für eine Gedenk-Collage zusammengetragen. Nach der ersten Veröffentlichung sind noch einige bewegende Beiträge hinzugekommen. Deshalb aktualisierten wir die nach Vornamen geordnete Sammlung.

Werner war ein …

… sehr wichtiger, unendlich treuer Lebensfreund für mich, dem ich alles erzählen konnte, mit dem ich mich immer austauschte über mein Leben, und der mir auch sehr viel von sich mitteilte. Als ich den Schlaganfall hatte, kamen er und Ulla jeden Samstag, ohne Ausnahme, wo immer ich mich befand. Als Literaturförderer war er ein Visionär, bescheiden, beharrlich, mit großer Leidenschaft verfolgte er sein Ziel, der Literatur eine Plattform zu bieten. Ich hatte ihn sehr gern. Ich vermisse ihn sehr.

Adrienne Schneider
 
 

Die Danksagung in meinem 2016 erschienenen Debütband …

… endet mit folgenden drei Namen: „Werner, Werner, Werner“. Als das Buch erschien, lebten die drei Werner noch. Jetzt, Ende November 2022, sind sie alle tot. Der erste starb 2017, der mittlere 2019, der letzte vor wenigen Tagen. Werner Hamacher, Werner Söllner, Werner Ost. Sie waren, neben anderen, gewissermaßen meine Ziehväter, akademisch, poetisch sowie herausgeberisch und verlegerisch. Mit ihrem Ableben enden, Pi mal Daumen, meine Lehrjahre, geht für mich eine Ära zu Ende. Ich habe ihnen viel zu verdanken.

Werner Ost kennengelernt habe ich – es dürfte Spätsommer 2013 gewesen sein. Bernd Leukert hatte eine Lesung von Oleg Jurjew besucht, welche von der Zeitschrift Otium organisiert wurde, dessen Redaktionsmitglied ich war, und scoutete als Mitherausgeber von Faust-Kultur nebenbei neue Schreibende für sein Onlinefeuilleton. Aus der Gruppe der Otiaten, die bei Faust-Kultur vorstellig wurde, war ich wohl der beharrlichste und blieb dem Magazin, später als Redaktionsmitglied, verbunden, bis heute.

Werner Ost und sein Team gaben mir im publizistischen Bereich eine erste Chance. Ich, der Unerfahrene, aber Übermotivierte, Übereifrige, ergriff sie. Sie ließen mich machen, hörten zu, wenn ich in Redaktionssitzungen (auch mal Stuss) redete, nahmen in ihren Reden auf, was ich soeben sagte. Kurzum: Man nahm mich ernst. Aus Worten in dem Redaktionsraum und dem Digitalen wurden später Bücher.

Werner Ost lag nicht am Profit, sondern an spannenden Projekten, denen Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit eingeschrieben waren. So entstand etwa die von mir betreute philosophische Gesprächsreihe „Einsichten im Dialog“. Aus ihr gingen drei Bücher hervor. Geführt wurden für die Reihe aber mindestens fünf Interviews. Die zwei nicht veröffentlichten waren im Grunde genauso ertragreich wie die anderen. Aus ihnen gingen Gespräche mit Werner Ost hervor, die mindestens genauso spannend waren wie die, auf denen sie fußten.

Ich erinnere unzählige weitere Redaktionssitzungen mit Werner Ost, ich erinnere seine „Gitanes“, seine eleganten Anzüge, seine Öffentlichkeitsschüchternheit, die Abendessen mit ihm, die Zeit, nachdem er das Rauchen aufgab und dem Entzug stoisch trotzte, und wenn ich an ihn denke, so denke ich auch immer an Ulla Bayerl, an deren beider Unzertrennlichkeit als Kulturschaffende. Deren kulturelles und menschliches Wirken hat mich nachhaltig geprägt und wird es weiter tun.

Alexandru Bulucz
 
 

Wann habe ich Werner …

… zum ersten Mal gesehen? Die erste verschwimmt mit vielen weiteren Begegnungen. Mittagspausen, Café Laumer, die 80er Jahre im Suhrkamp Verlag. Ulla an seiner Seite, wenn ich zurückdenke, sehe ich sie beide zusammen. Das perfekte Paar. Wie aus einem Film der 70er Jahre, amerikanisch-französische Co-Produktion. Gondeln sie nicht in so einem Citroën-Schiff durch Frankfurt? Die Aparte und der Undurchschaubare mit dem nie ganz zu deutenden Lächeln. Ich denke an Humphrey Bogart. Nur dass Werner unaufdringlicher ist, vielleicht eine Prise Piccoli. Je länger ich ihn kenne, desto feiner und dennoch deutlicher finde ich ihn.
Laut oder heftig nie. Still, zurückhaltend. Er wirkt „nachhaltig“. Auf eine Weise, die nicht sofort sichtbar ist. Zum Hinschauen verführend. Seine Art Understatement. Er hat einmal einen Avocadokern eingetopft. Daraus wuchs ein stattlicher Baum. Der füllte alles aus. Ein Avocado Baum in Frankfurt. Ich stelle mir vor, dass Werner die Stadt liebt. Die Literatur, die Künste. Das war seine Welt. Dort trifft man ihn. Und einmal, als ich ihn zu uns „aufs Land“ einlade, reagiert er direkt. Eine Warnung vor der oberhessischen Provinz. Die ihm immer gegenwärtige Geschichte, die gegen das steht, was ihn ausmacht. Eine wache, leise, zarte, starke Präsenz.

Alissa Walser
 
 

Der E-Mord:

Unsere Schatten

ein Kurzkrimi über den Tod besagten Vokals und die Folgen für die deutsche Sprache. Almut Gehebe-Gernhardt hatte die Erlaubnis erteilt, ein Gedicht ihres Mannes, Robert Gernhardt, exemplarisch verunstalten zu dürfen. Dieser Mord amüsierte Werner damals, 2011, sehr. Er versah ihn mit einem trefflichen Bild. Eine ziemlich schräge Geschichte, zu Werners manchmal durchaus schrägem Humor passend. Er forderte mich auf, weitere solcher Geschichten zu liefern. Ich habe es nicht getan, stattdessen über klassische Musik geschrieben, mit der Werner ein wenig fremdelte. Aber ich werde es noch tun, versprochen. Und dann schicke ich Dir den Text, und Du stellst ein Bild dazu, und wir lachen beide darüber.

Andrea Richter
 
 

Ich traf ihn im Palmengarten

Zeichnung | © Foto: Ankalina Dahlem

Es war Abend, ein Werktag. Dienstag oder Mittwoch vielleicht. Ich hatte meinen mit Tinte geschriebenen Entwurf zu einem Roman mit allen Zeichnungen zum Trocknen in der Nacht davor an die Rosenbüsche gehängt. Die Papiere sahen schön aus zwischen den weißen Rosen und den grünen Blättern. „Erstaunlich!“ Überrascht nahm ich einen Mann im schwarzen Anzug wahr. Er hatte blondes Haar und hüstelte in seinen Handrücken. Vermutlich hatte er gerade eine Zigarette ausgemacht. Als ich ihn verunsichert ansah, sagte er: „Schauen Sie doch, die Seiten wachsen und werden immer größer.“ „Aber, wie …?“ Ich schüttelte irritiert meinen Kopf. „Ich war gestern Abend schon hier.“ Er holte ein zum Beutel verknotetes Taschentuch heraus und warf ein Netz über die Papiere und Pflanzen. „Jetzt haben wir die Form. Morgen pflück ich Ihre Seiten und schon bald erscheint Ihr Roman.” „Aber wie – ich versteh nicht?!” Der Mann drehte sich um. „Wollen Sie es wirklich wissen?“ „Natürlich!“ „Bob Dylan wird einmal den Nobelpreis bekommen!“ „Ja?“ Er setze mir seine Kopfhörer auf. “The answer, my friend, is blowin’ in the wind.“ Wochen später im Februar lag ein Päckchen vor meiner Tür. Als ich es auspackte, hielt ich meinen gedruckten und gebundenen Roman in der Hand.

Ankalina Dahlem
 
 

Wir lachten über …

… Heidegger und weinten über die Politik, wir aßen Kuchen und tranken Wein dazu. Am Tisch im Garten, mit Blick auf die riesigen Bäume oder in der Bibliothek. Zeit spielte keine Rolle, egal ob es Tag oder Nacht war, oder die Nacht wieder zum Tag wurde. Wenn man dann irgendwann doch aufbrach, war man wach, reicher und irgendwie glücklich. Es waren die Augenblicke, in denen man glaubte, die Welt aus den Angeln heben zu können, die Menschen für die Literatur und die Kunst zu begeistern und die Schönheit der Kompliziertheit sichtbar zu machen. Es war seine Wärme und Zugewandtheit, seine Neugierde und Liebenswürdigkeit, die mich begleitete und mich nährte. Ich werde ihn sehr vermissen.

Barbara Englert
 
 

Lieber Werner,

wir mußten nicht davon sprechen, um zu wissen, daß wir für die gleiche anspruchsvolle Aufgabe in der Pflicht stehen. Und wir mußten uns nur in die Augen sehen, um uns zu verständigen. Wir teilten die Leidenschaft für’s Publizieren und für’s Büchermachen, suchten nicht Trends, sondern Brisanz. Die eigene Zurschaustellung, zumal die öffentliche, hast Du gehaßt. Dein Platz war hinter den Kulissen. Und selbst da hast Du selbstironisch Deine Arbeit heruntergespielt. Du warst empfänglich für Wortspiel und groteske Pointen, konntest das Pathetische kaum ertragen. Dein Sternbild, hast Du mir erzählt, sei die Waage, die ständig hin- und herschwankt und Entscheidungen nicht fördert: Mach’ einen Vorschlag, und ich bin sofort überredet. Und doch lebtest Du, so schien es, mit einem ausgeglichenen Gemüt, so freundlich und unerschütterlich bis zum Ende. Dieses Ende war für uns nicht gut und ist nicht wieder gut zu machen.

Bernd Leukert
 
 

Werner habe ich …

… vor allem bei der Arbeit an dem von der IG Metall geförderten „Schwarzbuch Rassismus“ kennengelernt. Er hat dazu weit mehr beigetragen als nach außen hin sichtbar wurde. Ohne ihn wäre das Buch wahrscheinlich nicht zustande gekommen. Seine freundliche und freundschaftliche Art hat mir imponiert. Ich habe nicht viele solche Menschen getroffen.

Detlef zum Winkel
 
 

Werner zu begegnen,

hieß immer, seine Geistesgegenwart, zugewandte Offenheit und Neugier zu spüren. Die Anlässe waren zahlreich: Ob eine wieder einmal zu lang gewordene Faust-Redaktionssitzung vor der imposanten Bücherwand in der Grillparzerstraße; ein kurzes Gespräch in seinem stets mit Materialen und Unterlagen gefüllten, aber nie chaotisch wirkenden Arbeitszimmer; ein kurzes „Hallo“ auf der Lesung eines Werner und Ulla nahestehenden Autors oder einer Ausstellungseröffnung – Werner hatte die Gabe, sich in sein Gegenüber hineinversetzen zu können, auch wenn man weder Herkunft und Hintergrund noch den Lebensentwurf teilte. Dem offenen Diskurs „ohne Leitplanken“ galt seine Zuneigung, ja seine Leidenschaft: Es war kein Zufall, dass in der Faust-Redaktion in ihren besten Zeiten gegensätzlichste Ansichten zu Themen und Fragen der Gegenwart – zumeist konstruktiv – aufeinanderprallten. Werner behielt stets die Fassung und parierte hier und da aufkommende rhetorische Giftpfeile mit Ironie, Witz und Stil. Und egal, wie kontrovers die Sitzung wieder einmal verlief, sie wurde stets mit einem Glas Crémant gekrönt, und sie brachte stets etwas Neues hervor – eine Buchidee, eine Artikelreihe, eine neue Kooperation. Denn das Entdecken und Ermöglichen waren wohl Werners wichtigste Talente.

Eugen El
 
 

Suhrkamp Verlag, Lindenstraße 29, im Jahr 1986,

Bernhards Auslöschung erscheint. Siegfried Unseld ist der uneingeschränkte Patriarch, Joachim Unseld ist Verkaufsleiter, Gottfried Honnefelder hatte den Deutschen Klassiker Verlag etabliert und galt unter vorgehaltener Hand als Kronprinz. Als Lehrling zum Verlagsbuchhändler durchlaufe ich in zwei Jahren alle Abteilungen des Verlags. Besonders prägend war neben der zigarillorauchgeschwängerten Lektoratskammer von Raimund Fellinger unter dem Dach die Werbeabteilung – mit dem an Bryan Ferry erinnernden Werner Ost im Zenit seines Schaffens an der Spitze des Kreativteams. Zurückhaltend, aber bestimmt zeigt er mir, wie ein Buchtitel zu entwerfen ist. Die Gitanes im Mundwinkel, zückt er den feinen schwarzen Grafikerstift und wirft Titelschrift, Motiv und Verlagsname in perfekter Anordnung als schmuckloses Scribble aufs Papier. Titelentwurf, Vorschaugestaltung, Konzept für das Weiße Programm. Goldener Schnitt, optische Mitte, harmonischer Satzspiegel: Das musst du reduzieren, immer mehr reduzieren, Du brauchst das ganze Beiwerk nicht, merkte er an. Wie zum Beweis ist das Foyer des Verlags mit der vollständigen Edition Suhrkamp in Regenbogenfarben geschmückt. Das Erbe und der Anspruch von Willy Fleckhaus. Werner Ost hat ihn weitergeführt. Er pflegte den Suhrkamp-Look, er war der Suhrkamp-Look der mittleren Jahre, die Fortsetzung der Arbeit von Fleckhaus, pur, reduziert, farbbewusst. Bis er von den Zwängen der unendlich vielen Reihen der Suhrkampwelt zu viel hatte und mit Ulla etwas Eigenes aufbauen wollte. Unsere Liebe zu Thomas Bernhard hat uns schon damals verbunden, der Schutzumschlag der Auslöschung nichts als grün mit vier Worten. Werner Ost war nicht nur Gestalter, sondern auch Macher, Entwickler, Gründer. Also schuf er eine ästhetisch anspruchsvolle Welt von Büchner über das Kulturmagazin 069 bis hin zu Faustkultur und der Edition Faust mit Textland. Er kämpfte für Bücher, förderte die Lyrik, bot Plattformen. Er vermittelte mich zu Karlheinz Braun in den Buchverlag der Autoren. Für MeterMorphosen hat er gemeinsam mit Ulla jahrelang die Vorschau gestaltet, Titel entwickelt und das passende Layout gefunden, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Es ist mir Freude und Ehre zugleich, bei vielen von Werners Projekten eng dabei gewesen zu sein, und ich verabschiede mich dankbar von einem Freund.

Florian Koch
 
 

Ich erinnere mich …

… an Stunden mit Werner, vor allem damals noch beim BÜCHNER, aber auch später und anderswo. Ich sehe ihn vor mir: Werner war offen, zugewandt, engagiert und gelassen, großzügig und nie herablassend. Andere, dieser oder jene, mochten in Teilen auch so sein. Werner war alles in Einem. So, wie ich eigentlich auch hätte sein wollen. – Nie erreicht!

Gennaro Ghirardelli
 
 

Als ich Werner Ost …

… im Jahr 1998 kennenlernte brachte er mir ein Musterexemplar der Zeitschrift BÜCHNER ins Hessische Literaturbüro im Mousonturm mit, ein Dummy mit der Zeile Kulturprogramm September. Statt Büchner konnte man auch Bücher lesen, das N war farblich abgesetzt. Er erläuterte mir das Konzept, das Kulturprogramm der Bühnen, Konzertsäle und Kinos und auch die Buchproduktionen der Verlage des Rhein Main Gebiets darzustellen, umgeben von Reportagen und Essays, reich illustriert durch Photos und Gemäldereproduktionen, Karikaturen und Filmplakate. Werner verglich, ich habe das nie vergessen, das Rhein Main Gebiet zwischen Mainz und Wiesbaden im Westen, Aschaffenburg im Osten, Darmstadt im Süden und Gießen im Norden mit New York. Das war eine Utopie in einer Zeit als es die Hoffnung noch nicht so schwer hatte wie heute. Aus BÜCHNER wurde eine aufwendige Zeitschrift, die tatsächlich von der Mathildenhöhe über den Mousonturm bis zum Literarischen Zentrum Gießen abbildete, was an Theater, Literatur, Musik und Ausstellungen stattfand. In diesem Dummy ein Faksimile, ein handgeschriebenes Gedicht von Paul Celan. Es stammt aus dem April 1968. Unter dem Titel Mapesbury Road nimmt Celan Bezug auf das Attentat auf Rudi Dutschke in Berlin. Die Büchnerhefte mit Spiralbindung zeigten in späteren Ausgaben auf den Innenseiten des aufklappbaren Umschlags Ansichten der hessischen Städte des Verbreitungsgebiets. Aufwendig gestaltete Hefte, am Ende zu gut und zu teuer für diese Welt. In New York wären sie ein Erfolg geworden. Ich habe die Hefte alle noch, denn sie sind es wert, aufgehoben zu sein. Die Hälfte der Seiten des Dummys sind leer. Da kannst Du Notizen reinschreiben, sagte Werner damals. Das habe ich in über zwanzig Jahren nie getan. Erst jetzt schreibe ich das Folgende hinein: Meine schönste Erinnerung an Werner in der Zeit seiner schweren Erkrankung ist die an einen Tag im Sommer 2022, als wir lange allein miteinander im Garten in der Grillparzerstraße saßen. Wir sahen einem Eichhörnchen und den Singvögeln zu und sprachen in großer Ruhe über Pflanzen und Tiere. Auch über Rotenburg an der Fulda, wo ich auf der Fahrt nach Frankfurt vorbeigekommen war. Werner erzählte mir, dass er dort bei der Bundeswehr gewesen sei. Als dann der Kaffee ausgetrunken war, standen wir lange vor der Kaffeemaschine und wussten beide nicht, wie sie bedienen.
Ich wußte es noch nicht und Werner nicht mehr. Dieses Nicht-Wissen und dass wir es miteinander teilten, versetzte uns in eine beschwingte Heiterkeit. Nach längeren trial and error Experimenten gelang es uns schließlich, die Maschine in Gang und unser meditatives Gartengespräch fort zu setzen.
Die letzte Zeile in dem erwähnten Gedicht von Paul Celan (London, 14./15. April 1968) lautet:
Vertag Dich nicht, Du

Harry Oberländer
 
 

Ich bin spät dran …

… zur Redaktionssitzung und klingele an der Tür. Im alten Efeu an der Hauswand summen Bienen. Es dauert einen Moment, dann geht die Tür auf. Werner bittet mich mit einem „Hallo, Isa.“ herein. Ich werde erwartet, die anderen sind schon da, darum sagt er es nicht in der aufsteigenden Tonfolge der Überraschung, sondern als Feststellung – in meiner Erinnerung auch mit einer Nuance der Duldsamkeit. Das höre ich, wenn ich an ihn denke. Seine ausgleichende, sanfte Art wirkte mäßigend bei manch hitziger Diskussion im Redaktionskreis, doch seinen Standpunkt wusste er auch zu verteidigen. Werner war ein unglaublich belesener Mann, der zu nahezu allen Themen etwas beizutragen wusste und der jeden und jede in der Literaturszene kannte, gemeinsam mit Ulla Bayerl ein Netzwerker-Team, offen für die vielen verschiedenen Charaktere und Temperamente, ohne Vorurteile. Er war jemand, der die Literatur liebte und gerne über in Dichtung gefasste Absurditäten lachte. Sein Begrüßungssatz in dieser ihm eigenen Melodie gesprochen, wird mir im Ohr bleiben.

Isa Bickmann
 
 

Faust ist Kult ist Werner ist Kult

W mit Jan Röhnert und Julia Mantel | © Foto: Harry Oberländer

Die letzte Begegnung: fast auf den Tag genau vor vier Jahren, mit Ulla und Werner im Auto von Frankfurt nach Nieder-Ofleiden, zur Beerdigung von Paulus. Tatsächlich war es eine Fahrt, auf der wir Gelegenheit hatten, uns ein wenig näher kennen-zulernen, über uns zu sprechen, und das hieß vor allem über all das, was uns mit dem Freund und Dichter verband, den wir liebten, von dem wir alle irgendetwas zu erzählen hatten, jeder auf seine Weise: Werner der Buchmacher, mit seiner Ulla ein fast legendenumwobenes Suhrkampgewächs, er hatte vielleicht Paulus‘ schönstes, wichtigstes, dichtestes Gedicht, Wer ich bin, noch einmal neu bei Faust verlegt, ihn immer wieder auf Faust-Kultur gewürdigt oder würdigen lassen, mit Fotoserien von Alexander Englert, mit dem dicken Brevier zum Achtzigsten, das Romina Nikolic und ich besorgten, ihm auch sonst in allen Belangen zur Seite gestanden, die Treue gehalten: it goes without saying. Werner kannte Paulus schon sehr lange, viel länger als ich, und ich wiederum hatte Werner irgendwann über Paulus kennengelernt – ein Resonanzeffekt von Paulus‘ Fähigkeit, verschiedenartigste Menschen in seinem Freundeskreis zu versammeln, er hatte einfach ein Gespür für gute Typen, und Paulus und Werner ergänzten sich in ihrer Loyalität zueinander und für Menschen, die sie einmal ins Herz geschlossen hatten – sie standen zu ihrem Wort. Und sie kannten beide die hessische Provinz, ich hörte mir an, was Werner während der Autofahrt zu sagen hatte, nach dem Zwischenstopp bei Alissa Walser und Sascha Anderson, er redete wahrscheinlich aus tiefster urhessischer Erfahrung, die eigene ländliche Mitgift, ich hörte ihm gern zu in seinem unverwechselbaren, wie entrückt zögernden, die Dinge für mein Ohr ungewöhnlich betonenden und ihnen dabei wie eine besondere neue Bedeutung verleihenden Zungenschlag, er brachte eine ländliche Redlichkeit und Ernsthaftigkeit mit, gab kein urbanes Geschwätz von sich, auf das man sich nicht verlassen kann. Ich konnte mich darauf verlassen, dass Werner die Bücher, von denen er überzeugt war, machen würde, und ich hatte das Glück, dass ihn meine Gedichte überzeugten, meine Thrakische Reise, gleich zwei Reisen durch Bulgarien, für die er mir auf Faust-Kultur ein Tagebuch anlegte, ich belieferte ihn täglich von unterwegs mit meinen Notizen, die er dann kongenial auf der ersten Seite platzierte. Wann immer ich später Nachschub an Büchern benötigte, um Belege der Wolkenformeln bat, um Belege des Thrakischen Tagebuchs, um Belege des Sammelbandes Poesie und Film, Artikel für Faust-Kultur verfasste, war er immer zur Stelle, interessiert, unkompliziert, professionell. Er machte kein Aufheben von seinen organisatorischen und gestalterischen Fähigkeiten; es klappte ein-fach. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass die Fahrt zum Begräbnis von Paulus meine letzte Begegnung mit Werner gewesen sein würde. Die Redlichkeit, die ihn wie eine Aura begleitete, wird von ihm bleiben, und es ist sein offener, interessierter, geradliniger Blick jenseits der Bilanzen und Kalkulationen, der für mich dieses wunderbare, andere Frankfurt fernab der Banken repräsentiert, Werners Frankfurt, Paulus‘ Frankfurt, die hessische Redlichkeit, die vom Lande kommt. Er machte wenig Aufheben von sich, vielleicht zu wenig, stellte sein Licht (leider) zu sehr unter den Scheffel – er hätte, wenn er nur wollte, doch so viel zu sagen gehabt. Er ließ stattdessen andere reden und dachte sich seinen Teil: Bescheidenheit ist eine Tugend, die ihm zur zweiten Natur geworden war. Bücher machen, ranklotzen, aufregende Literatur abseits der ausgetretenen Pfade aufziehen, vieles unter einen Hut bringen, Werner vermochte das. Ein hessisches Urgestein geht zu den Steinen zurück. Leb wohl, wunderbarer Mensch. Faust ist Kult dank Dir.

Jan Röhnert
 
 

Mit dir und Ulla auf der Terrasse sitzen.

Unter Bäumen. Kuchen. Über Dylan und Bernhard reden, rauchen. Die Bücherregale ablaufen. Werner so unglaublich herzlich und warm. Und essen gehen, trinken. Und weiterreden, über einfach alles, über allem schwebend unser beider USA-Fetisch. Dein Humor, dein liebenswürdiges Lachen, dein Wissen. Kennst du den Song? Und gleichzeitig dieses Enigma. Trotz schierer Arbeitsflut, die Zeit stand still. Alles schien möglich. So viel, das ich ihm und Ulla verdanke. So traurig sein Verlust. Glücklich, wer ihn gekannt haben durfte.

Jonas Englert
 
 

Sicherlich Ostwärts

Hör mal,
Werner,
zu Dir fällt
mir wahrlich mehr
ein, wir sind das Land,
so war dein Auftrag,
der Dichter und Denker,
Lenker warst Du,
auch durchaus Entdecker
vieler Talente
unbekannte Kontinente
wären Dir auf Deiner
viel zu kurzen Reise hier
bestimmt auch aufgefallen.
Widerständig Deine Meinung
geprägt von u.s.-amerikanischen
Liedermachern Deiner Zeit.
Ausgerichtet daran Dein Urteil,
es schien so unkündbar.
Es tut mir schrecklich leid,
dass Du nicht länger bleiben
konntest in dieser Welt
in letzter Zeit
warst du manchmal noch so wach
zwischen den Zeilen
beim Teilen
Deiner Erinnerungen.
Ach, lebe wohl,
wo immer Du jetzt
auch sein magst,
sicherlich irgendwo
ostwärts.

Werner Ost konnte unglaublich verschmitzt sein, dieser Mann hatte einen hintergründigen Humor, er war mit einem extremen Tiefgang und einem feinen Intellekt gesegnet und hatte bis zum Schluss eine eigene Meinung. Allein, dass er sich so sehr für tieftraurige Countrymusik interessierte, machte ihn mir von Anfang an super sympathisch. Es war mir immer eine große Freude, mit ihm, nicht nur an meinen Büchern, in seinem Verlag Edition Faust zusammenarbeiten zu dürfen. Er wusste, welchen Sound ein gutes Gedicht haben musste und war sehr klar in seinem Geschmacksurteil. Oft rauchte er auf der Terrasse eine Zigarette und philosophierte dabei über die (ungerechte) Gesellschaft und den Literaturbetrieb. Wieviel er von der Welt noch mitbekam in seinen letzten, schwer erkrankten Lebensmonaten ist ungewiss, aber es war zwischendurch trotzdem manchmal möglich mit ihm, wenn auch nur kurze, aber dennoch hellwache Gespräche führen. Jetzt ist dieser besondere Mensch nicht mehr da. Es bleibt, laut „danke” zu sagen. Möge er in Frieden ruhen. Meine liebevollen Gedanken sind bei seiner Witwe Ulla.

Julia Mantel
 
 

Denke ich an Werner,

sehe ich einen sanftmütigen und schönen Mann vor mir; einen Mann an der Seite einer starken Frau. Ich habe ihn und Ulla erst vor wenigen Jahren kennengelernt, und nie viel Zeit mit Werner verbracht, aber wir sind im Stillen Freunde geworden. Ich erinnere seinen Blick, der wach und neugierig war, und auch zuletzt noch das menschliche Geheimnis barg.

Leon Joskowitz
 
 

Statt provinziellen „Handkäs mit Musik“…

… servierte uns Werner „Kicker mit Musik“ in seinem Keller in einer altwürdigen Villa in der Grillparzer Straße. Erlesene Musik – Americana mit Steve Earle, Lucinda Williams, Kinky Friedman, Willie Nelson und vor allem Bob Dylan. Diese genialen Musiker begleiteten unser Kickerspiel beobachtend mit ihrer Musik und einer großen Fotocollage ihrer selbst. In der Halbzeit, den Spielpausen hörten wir die Stücke unplugged, d.h. ohne die lauten Nebengeräusche vom alten von uns traktierten Leonhard-Kickertisch und zudem manchmal lauten Kicker-Kommentaren: „Du Duselheimer, ach komm, der war im Lebbe ned drinn …“ Auch Cindy, die vagabundierende Hauskatze nutzte die Pause, um auf ihren leeren Fressnapf hinzuweisen, oder auf das noch verschlossene Kellerfenster, um den lauten Kickerfreunden in die scheinbar lautlose Freiheit nach außen zu entweichen. Werner, ein großer Musikfreund, hat schon in den 60ern die noch lebenden Legenden, wie Jimi Hendrix, The Doors und Janis Joplin in der Jahrhunderthalle und Kongresshalle miterlebt. Auch den Humor in der Musik schätzte er, zum Beispiel Kinky Freedman mit seinem schrägen Song The asshole from el paso: „And I’m proud to be an asshole from El Paso … You walk down the street knee – deep in tacos Ta-ta-ta-tacos“. Leidenschaft bis zuletzt. Eine doppelte Mutter krönte den Abschied aus dem liebgewonnenen Wern’schen Keller mit dem darin ruhenden stahlhart befestigten Kickertisch. Alles zählte diesmal doppelt. Es war Werners letztes Spiel. Apropos Keller: Auch heute wird die bessere Musik eher in Kellern, als in großen Fußballstadien live gespielt. Unvergesslich – Werner

Manfred Zapp
 
 

Post für Werner Ost

Der Tipp kam von ihm. Ohne seinen Hinweis hätten wir den Ort vermutlich nicht einmal gesucht, und wenn, dann sicher nicht gefunden. Luckenbach, Texas. Ausgangspunkt: Waylon Jennings. Als Werner mich mal besuchte, kamen wir schnell auf unsere Lieblinge. Und der gehörte sicher dazu. Dann plante ich wieder einmal Texas. Er gab die Tipps.Das nächst größere Städtchen mag Fredericksburg sein, im Texas Hill County. Aber auch nur ein bisschen mehr als zehntausend Einwohner. Etwa fünfzig Meilen nördlich von San Antonio, und auch gleich weit westlich von Austin entfernt, der Hauptstadt, mit dem Sitz des Gouverneurs und der großen University of Texas. Von dort aus geht es über eine schmale Landstraße nach Luckenbach. Luckenbach, Texas. Selbst wenn man schon dort ist, ist es noch schwer zu finden. Den Ortseingang übersieht man aus zwei Gründen: Erstens, weil es kein Schild mehr gibt. Alle Schilder wurden über Jahre und Jahrzehnte, wie man uns glaubhaft versicherte, immer sofort gestohlen. Und zweitens, weil es gar keinen Ortseingang gibt, und wohl auch nie gegeben hat. Die Einwohnerzahl dürfte sich im unteren zweistelligen Bereich bewegen. Die Besucherzahl, vor allem am Wochenende, liegt himmelweit darüber.

Zu sehen: nur eine größere Farm, mit großer Scheune, einem sehr großen Geräteschuppen, im Hintergrund ein Wohnhaus. Kleine eingezäunte Bereiche, in denen sich Hühner tummeln oder Gemüsebeete vor gierigen Vierbeinern gesichert sind. Überall liegen verrostete Geräteteile, Müllsäcke, Autoreifen herum. Kaputte Traktoren, Leiterwagen. An einem der Zäune hängt ein größeres Brett, darauf, mit weißer Ölfarbe geschrieben, Luckenbach. Keine Musterfarm.Wir dachten schon: das war es. Da hatte uns Werner doch etwas zu viel versprochen. (Er kannte sich aus, obwohl er wohl nie dort gewesen war!)Plötzlich ein Geknatter, ziemlich laut, weil entsprechend frisiert, eine Harley-Davidson, und zwar, wie wir später erfuhren, aus Oregon, also ein ganz schönes Stück weit weg. Der Fahrer, gute sechzig, eher schon siebzig Jahre alt, die langen grauen Haare, die unter dem Helm hervorquollen trafen auf seinen grauen üppigen Bart. Auch er wirkte irritiert, kannte aber, wo wir hinwollten, offenbar von Bildern, den großen Parkplatz an einem Waldrand, auf dem am Wochenende hunderte von diesen Motorrädern stehen, und die eher kleine weiße Scheune, in der bei schlechtem Wetter die Konzerte stattfinden. Häufig junge Gruppen, jüngere Sänger. Die Bühne von Luckenbach, Texas galt als Sprungbrett. Hier hoffte man nicht nur auf Beifall, sondern auf Agenten, die auf der Suche nach Talenten waren. Hier hoffte man, über viele Jahrzehnte lang, gleich ob man vor oder nach Bob Dylan, Willie Nelson, Johnny Cash oder eben auch Waylon Jennings spielte, entdeckt zu werden. Und eben dieser Waylon Jennings, der, mit Anfang sechzig, schon sehr früh gestorben ist, hat den Mythos dieses Örtchens gesichert. Ein Postoffice. Eine kleine Bar. Eine Tanzhalle. Und diese kleine Bühne, mit vielleicht sechs, acht Bänken davor, wo sie sitzen, die Harley-Davidson-Fahrer, in ihren Lederklamotten, wenige Frauen, aber wenn, dann zünftig, ebenfalls voll in Leder gehüllt, Stiefel, mit Silber- oder Kupfernägeln beschlagen. Country. Auch die Hüte.Tatsächlich: It’s time to go back to the basics of love. Eben: Luckenbach, Texas. Es singt Waylon Jennings. Es singt auch Willie Nelson. Und meistens, auf den Aufnahmen, die man da oder dort hören kann, da singen sie beide zusammen. „It’s time to go back“.

Werner und ich, wir kannten uns keineswegs gut. Obwohl er einige Male bei mir war, um dies oder das zu besprechen, was mit Faust-Kultur oder auch mit seinem Verlag zu tun hatte. Wir haben uns aber öfter bei verschiedenen Veranstaltungen, auch Lesungen getroffen. Aber wir hatten ein kleines Ritual entwickelt, wobei ein Wort genügte, um es auszulösen. Und dafür hatten wir einen variablen Code entwickelt: Luckenbach, Texas oder Waylon Jennings. Ein fast unmerkliches Zwinkern genügte. Er lächelte, wie immer, verschmitzt. Also freundlich. Jetzt fehlt etwas in dieser Welt.

Martin Lüdke
 
 

Wer mit Werner auf Facebook befreundet war,

hat sicher sein langjähriges Titelbild vor Augen: ein weiter Blick auf einen leeren amerikanischen Highway mit dem Schild „absolutely nothing next 22 miles“. Was andere als Warnung empfinden mögen, war für uns ein Sehnsuchtsort. Das Bild stammt vom LP-Cover eines texanischen Songwriters, Townes Van Zandt. Die Liebe zu dessen Musik hat uns früh zusammengeführt und ich habe gern zugesagt, als Werner mich fragte, ob ich nicht eine Serie von Essays zu Americana-Musik für Faust-Kultur verfassen mag. Die acht Texte wurden später zur Basis von zwei meiner Bücher. Dass Dylan den Literaturnobelpreis erhielt, verstanden wir gut. Als wir uns das letzte Mal sprachen, diskutierten wir wieder mal ein Projekt, das ihm schon lang im Kopf herumging: eine kommentierte Edition der besten Lyrics von texanischen Songwritern, mit der ihre literarische Bedeutung auch in Deutschland bekannt gemacht würde. Wer immer so etwas jemals in Angriff nimmt muss wissen: Wie so vieles war auch das eine Idee, die Werner Ost schon hatte.

Martin Wimmer
 
 

Liebe Ulla,

wenn der Lebensgefährte stirbt, bricht die Welt. Aber die Welt der Worte bleibt.
Ich habe Deinen Mann nicht kennengelernt und auch wir – Du und ich – sind uns noch nicht persönlich begegnet. Dennoch bin auch ich traurig und würde Dich gerne trösten, publiziere ich doch in seinem, in Eurem Portal. So ist sein Geist lebendig, ja unsterblich.
Da Du meine Texte in Deinem/Euren so wundervollen Portal liest, weiß Du, welchen Dimensionen ich nahe sein möchte.
Anbei ein kopfwarmes Gedicht. Ob es in Deinem/Eurem Gedankenkreis liegt, weiß ich nicht. Falls Du SPINOZA etwas abgewinnen kannst, würde ich den Text gern Werner Ost widmen.

Beim Drehen und Schleifen optischer Linsen
Ging der Staub in Augen und Lungen
Und erhellte ihm dennoch die Nacht


Die Linsenschleifmaschine blieb seine erfundene Geliebte
Die er zurücklassen musste wenn er die Schrift schliff
Im Kummerlicht des Mondes


Das er ins Innere ließ
Durch sein Teleskop
Die Geometrie der Worte umgab ihn


Und so der Widerspruch zur geschriebenen Welt
Demut war ihm die Trauer über die Ohnmacht zu lieben
In allem das All und Gott

Matthias Buth
 
 

Sommer 2019 in der Grillparzerstraße im Garten,

… bei Kaffee und Kuchen mit Ulla und Werner. Barbara Englert hatte alles eingefädelt. Wir wollten klären, ob aus meinen Collagen und Malereien ein Buch werden könnte. Ja, es wurde eins, „Schnittstellen. Collagen – Malerei“. Ich sehe Werner, wie er sympathisch forschend und gleichzeitig zugewandt eine eventuelle Buchproduktion bewertete. Werner und Ulla machten die Gestaltung des Buches zu einem anregenden und vergnüglichen Prozess. Und das werde ich nie vergessen.

Mechthild Veil
 
 

Nicht gehaltene Trauerrede für Werner

Ulla Bayerl hatte mich ursprünglich gebeten, zur Trauerfeier von Werner Ost am 12.12.2022 ein paar Worte zu sagen. Plötzlich passte es dann doch nicht, aufgrund von, wie Ulla mir mitteilte, ihrer fehlenden gedanklichen Klarheit. Heute, einen klaren Wintertag später, bat sie mich, meine Trauerrede für Werner Ost auf Faust Kultur zu veröffentlichen, um ihrem Bedauern darüber, dass der Text nicht gehört wurde, entgegenzuwirken. Da ich es sehr bedauere, dass ich meine letzten Worte an Werner nicht aussprechen konnte, stimmte ich dieser Bitte zu.
 
 
 
Liebe Ulla,
liebe Familie,
liebe Freunde,
liebe Trauergemeinde,

Heute erweisen wir unserem Freund Werner gemeinsam die letzte Ehre. In den letzten Tagen haben eine Reihe von Autor:innen wunderbare Texte geschrieben, die voller persönlicher Erinnerungen und besonderer Begegnungen mit Werner stecken. Besonders berührt hat mich der Beitrag von Adrienne Schneider, die erzählt, wie Ulla und Werner sie nach ihrem Schlaganfall ausnahmslos an jedem Samstag besuchten. Man sagt, den Charakter eines Menschen erkennt man daran, wie er mit den Menschen umgeht, die er nicht braucht. Werner wusste um den Wert von Freundschaft.

Harry Oberländer greift in seiner Erinnerung an Werner das Projekt „Büchner“ auf, ein Kulturmagazin, das Werner 1998 ins Leben gerufen hat und das Werners Vorstellung eines Magazins für Weltbürger wie kein anderes Projekt sichtbar machte. Das Programm war ambitioniert, vielleicht zu ambitioniert für das Rhein-Main-Gebiet, von dem Werner sich gewünscht hätte, es hätte die gleichen urbanen Kräfte gehabt wie New York. Die Zeitschrift Büchner umfasste Reportagen, Essays, Fotografie, Kunst, Karikatur, Film und Dichtung. Büchner wurde zu einem anspruchsvollen Magazin, dass Werner und Ulla bis 2002 herausgaben. Anschließend gründeten Werner und Ulla das Magazin 069. Auch hier stand die Qualität der Beiträge im Vordergrund. Bei all diesen Projekten handelte Werner aus Überzeugung, ohne dass es ihn beunruhigte, wenn manche die wirtschaftliche Umsetzbarkeit in Frage stellten.

Werner war ein Optimist, vielleicht auch, wie Harry schrieb, ein stückweit utopisch in einer Zeit, in der es noch Hoffnung gab, dass solche Projekte trotz aller Widerstände funktionieren können. Als ich Werner im Sommer 2010 über einen gemeinsamen Freund und Verleger kennenlernte, überzeugte er mich nach einer halben Packung filterloser Gitanes, dass es eine gute Idee sei, die Gründung von Faust Kultur zu unterstützen und den Verlag Edition Faust zu gründen.

Unsere ersten Publikationen waren an alte Fadenhefte angelehnt, deren Seiten man selbst aufschneiden musste, in Form von vier wunderbaren DIN A5-Heften, die an Schulhefte erinnerten. Darin veröffentlichten wir unter anderem Otto A. Böhmer mit Zeichnungen von Bernstein und Andreas Platthaus mit Bildern von Volker Reiche. Leider hatten die Hefte keinen Rücken und damit im Bücherregal keine sichtbare Beschriftung. In unserem grenzenlosen Optimismus hatten wir eine hohe Auflage der Hefte drucken lassen, die von der Kritik gelobt wurden und die der Buchhandel durch ihre Unsichtbarkeit im Regal boykottierte. Trotz allem war es der Beginn einer großartigen und produktiven Zusammenarbeit und wir lernten aus unseren Fehlern. Heute ist die Edition Faust ein renommierter, wenn auch immer noch kleiner, Verlag.

Obwohl Werner einige Jahre älter war als ich, stellten wir fest, dass wir das gleiche Lieblingswerk hatten: Die Triologie Illuminatus! von Robert Shea und Robert Wilson; eine verrückte Geschichte voller Satire, Flower-Power und Psychoanalyse. Ich erinnere mich gerne an unsere lebhaften Diskussionen über komplexe Erzähltechniken unterschiedlichster Genres, die – wie bei unserer Lieblingstrilogie – eine gute Geschichte ausmachen. Ebenso teilten wir unsere Begeisterung für die Bücher von Amos Oz, in denen, wie im Roman „Judas“, Zeitsprünge die Geschichte, Geschichten und Gegenwart miteinander verbinden, um Aufschluss darüber zu geben, wie die Welt funktioniert, ohne seine Romanhaftigkeit zu verlieren. Wir suchten für unser Verlagsprogramm nach Texten mit politischer Relevanz in der Gegenwartsliteratur, die kulturelle Vielfalt stärkt und sich Diskriminierung und Rassismus entgegenstellt.

Werner war belesen. Ich vermisse es, mit ihm auf der Terrasse zu sitzen und über Graphic Novels, das Verlagsprogramm oder die politische Weltlage zu reden. Es war Werners ruhige und gelassene Art, die Gespräche über oft auch schwierige Themen zu einer Bereicherung machten.

Zum Schluss springe ich noch einmal an den Anfang und möchte gerne mit einem Zitat aus unserer ersten gemeinsamen Publikation in der Edition Faust „Schlafe. Träume. Flieg“ von Otto A. Böhmer enden, die Werner besonders schätzte: Die Wehmut begleitet den Menschen. Sie schürt seine romantischen Anwandlungen, reicht jedoch tiefer, denn sie zählt zu unserer Mitgift auf Erden. „Der Mensch ist nicht immer aufgelegt zum Lachen“, notiert Heinrich Heine, der, ungeachtet seiner Kritik an romantischen Allüren, ein heimlicher Romantiker war: „Er wird manchmal still und ernst und denkt zurück in die Vergangenheit; denn die Vergangenheit ist die eigentliche Heimat seiner Seele, und es erfaßt ihn ein Heimweh nach den Gefühlen, die er einst empfunden hat, und seien es… Gefühle des Schmerzes.“

Wir werden Werner vermissen und ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Michele Sciurba
 
 

Was noch zu sagen bleibt

Schopenhauer und die letzten Auskünfte

In seiner wunderbaren Einzigartigkeit, aus der sich trotzdem immer wieder Ähnlichkeiten mit anderen lebenden Personen ablesen lassen, ist das Individuum nicht zu ersetzen; das ändert allerdings nichts am insgesamt eher nüchternen Geschäftsbetrieb, den Leben und Tod aufgezogen haben, und der weitergehen muss, koste es, was es wolle. Für den Einzelnen, der sich an die Werthaltigkeit der eigenen Person gewöhnt hat und ein Vertrauensverhältnis zu sich selbst pflegt, das er nicht missen möchte, ist das keine erhebende Aussicht; sie lässt sich jedoch auch als beruhigend, ja gar als tröstlich begreifen: „Wie durch den Eintritt der Nacht die Welt verschwindet, dabei jedoch keinen Augenblick zu sein aufhört; ebenso scheinbar vergeht Mensch und Tier durch den Tod, und ebenso ungestört besteht dabei ihr wahres Wesen fort. Nun denke man sich jenen Wechsel von Geburt und Tod in unendlich schnellen Vibrationen, und man hat die beharrliche Objektivation des Willens, die bleibenden Ideen der Wesen vor sich, fest stehend wie der Regenbogen auf dem Wasserfall. Dies ist die zeitliche Unsterblichkeit.“ Mag man selbst auch gestorben sein – die anderen machen für einen weiter, was im Sinne der Menschheit eine überaus ehrenwerte Perspektive ist, uns die Angst vor dem Tod aber nur bedingt nimmt, dazu hängt nun mal jeder zu sehr an seinem Leben. Dennoch: „Trotz Jahrtausenden des Todes und der Verwesung (ist) noch nichts verlorengegangen, kein Atom der Materie, noch weniger etwas von dem innern Wesen, welches als die Natur sich darstellt. Demnach können wir jeden Augenblick wohlgemut ausrufen: ‚Trotz Zeit, Tod und Verwesung sind wir noch alle beisammen’.“

Auch der Philosoph, der sich kluge Gedanken über Gott und die Welt und den Tod macht, ist nur ein Normalsterblicher. Als solcher weiß er, dass man nicht studiert haben muss, um unser irdisches Dasein, das einen Anfang und ein Ende hat, in einer schlichten Einsicht zusammenzufassen: „Ein zu jeder Zeit und für jeden faßlicher Trost ist: Der Tod ist so natürlich wie das Leben; und dann wollen wir weitersehn.“ Keine Angst also vor dem Tod, und noch weniger vor dem Leben: In seiner Sterbephilosophie ist der versierte Pessimist Schopenhauer erstaunlich optimistisch. Mag unser Weiterleben nach dem Tode, wenn es denn überhaupt stattfindet, auch im Dunkel liegen, so muss man deshalb für den Fall der Fälle nicht automatisch schwarzsehen. Wer beizeiten daran glaubt, dass es für uns mehr geben muss als ein einmaliges Gastspiel auf Erden, macht sich selbst Mut und bringt Licht ins Dunkel: „Wir schaudern vor dem Tode vielleicht hauptsächlich, weil er dasteht als die Finsternis, aus der wir einst hervorgetreten und in die wir nun zurück sollen. Aber ich glaube, daß, wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Licht stehn, von welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist.“ Die Aussichten also sind gar nicht schlecht, man muss nur daran glauben, was sich auch durch eine Vielzahl stummer Zeugen bestätigen ließe, die aber wohl lieber nicht mehr befragt werden wollen: „Klopfte man an die Gräber und fragte die Toten, so sie wieder aufstehn wollten; sie würden mit den Köpfen schütteln.“

Otto A. Böhmer
 
 

Es muss an einem Wochenende gewesen sein,

irgendwann 1987, vielleicht auch schon 1986. Werner fuhr damals einen hellblauen Opel Rekord, ein typischer Wochenendausflug, in Richtung Spessart, wenn ich mich recht erinnere, ich saß hinten, so habe ich ihn kennen gelernt. Werner hat es mir leicht gemacht, ihn zu mögen. Später, er hatte gerade seine erste Kulturzeitschrift gegründet, Sie erinnern sich, BÜCHNER hieß die, gab er meinen „Tragischen Vorfällen“ dort in jeder Ausgabe eine ganze Seite. Regelmäßiges Erscheinen ist wichtig, mahnte er mich, und setzte mich in seiner freundlichen und wirkungsvoll zurückhaltenden Art ordentlich unter Druck. Werner hatte Stil. Ich mochte sein Lachen. Es war natürlich kein lautes Lachen, wie ich mir Werner ganz grundsätzlich nicht laut denken kann, schließlich hatte er Stil. Er lachte gern. Allerdings immer mit einer gewissen Vorsicht. So, als könnte sein Lachen zu viel preisgeben, als könnte dabei leicht was aus dem Ruder laufen, es war daher stets ein vorsichtig tastendes Lachen, immer mit einem spöttischen Unterton. Vorsichtshalber auch gegen sich selbst spöttisch. Vom Theater einmal abgesehen, sind durchwegs alle meine literarischen Bemühungen eng und unmittelbar mit Werner verbunden. Sein (und Ullas) Verlag machten es möglich, dass ich gedruckt wurde, seine (und Ullas) Kulturmagazine erlaubten mir kleinere und größere Versuche. Ich kann sagen, ohne Werner würde mir eine ordentliche Hälfte fehlen. Ich verdanke ihm viel. Einmal gab es dann doch eine Überschneidung von Bühne und Literatur. Das ist aber auch schon wieder länger her. Zehn Jahre mindestens. Ich hatte damals zu einem besonderen Abend in den Mousonturm eingeladen. Vor ausgewählten Gästen, Werner war natürlich dabei, habe ich das „Lexikon des Scheiterns“, verfasst von einem gewissen Bruce Stanley vorgestellt. Zur weiteren Erforschung von Leben und Wirken des gänzlichen unbekannten Bruce Stanley wurde an diesem Abend die „Stanley-Society“ (Sektion Frankfurt) gegründet. Es war, wie gesagt, ein Bühnenabend, ein Theaterabend. Die Aufführung war, ganz entgegen ihrem Titel, durchaus gelungen, aber die Ausführung des Projekts, nämlich eine Biografie des besagten Bruce Stanley zu verfassen, steckt bis heute in zahllosen Anfängen fest. Werner hat mir zwar immer wieder, auf seine freundliche und (normalerweise) wirkungsvoll zurückhaltende Art, Druck gemacht, aber dennoch, dieses Buch bin ich ihm schuldig geblieben.

Philipp Mosetter
 
 

Gespräche auf Augenhöhe

Ich sehe mich mit Werner im Garten der Grillparzerstraße sitzen. Eine Szene, die sich über die Jahre wiederholt. Ulla wuselt geschäftig herum, ihr Handy klingelt pausenlos. Für den Feierabend-Crémant ist es noch zu früh. Werner und ich unterhalten uns trotzdem, denn er lässt sich nicht stören von den Hintergrundgeräuschen, sein Blick ist interessiert auf mich gerichtet. Ich werde hier nicht beschreiben, worüber wir gesprochen haben. Natürlich über Literatur, Politik oder Musik; vielleicht auch über die nächste Kickerpartie. Über das WIE möchte ich schreiben, weil das etwas ist, was Werner für mich auszeichnete, wofür er mir sehr schnell ans Herz gewachsen ist. Als (jüngere) Frau habe ich im Gespräch mit älteren Männern oft die Erfahrung gemacht, Zuhörerin sein zu müssen, die sich monologische Reden anhört. Bei Werner war das von Anfang unseres Kennenlernens an, also im Jahr 2015, anders. Nicht nur, dass er als einer der ersten älteren Männer meinen Roman anerkennend gelobt hat, in dem es um einen alternden, Belehrungsreden haltenden Protagonisten geht (das ließ mich direkt aufhorchen!), sondern er war ganz offensichtlich an meiner Meinung interessiert. Er hörte mir zu, antwortete, ohne seine Person in den Vordergrund spielen zu wollen. Ein zurückhaltender Charakter läuft dann zu Hochformen auf, wenn er auf ähnlich strukturierte Personen trifft, sich ein Kommunikationsnetz entspinnt, in dem sich zwei Sternzeichen-Waagen wie wir, sich wohlfühlen (jetzt wurde es etwas esoterisch, aber egal). Zurückhaltung wird in unserer lauten, auf Selbstdarstellung getrimmten Zeit, oft als Defizit angesehen. Gehört und gesehen werden diejenigen, die sich inszenieren, aber nicht unbedingt die besseren, kreativeren Ideen haben. Werner war ein zurückhaltender und kreativer Mensch, also eigentlich verloren. Doch er hatte das Glück, dass er extrovertiertere Personen, (u.a. seine Frau Ulla), fand, die mit ihm seine literarisch-künstlerischen Ideen umsetzten. Leider hat er die Verleihung des Hessischen Verlagspreises für seine erfolgreiche Graphic-Novel-Reihe nicht mehr bewusst miterlebt. Obwohl – wer weiß. Ich vermisse dich und die Gespräche mit dir schon lange!

Riccarda Gleichauf
 
 

Rede zum Andenken an meinen Freund Werner

Es fällt mir schwer – sehr schwer, mich von Werner zu verabschieden.
Für mich hieß es immer: ich gehe zu Ulla und Werner – nicht zu Ulla allein oder zu Werner allein, sondern in das Zuhause von Ulla und Werner. Dort fühlte ich mich geborgen und als Teil der Familie.
Meinen Kindern habe ich nach jedem Besuch bei ihnen erzählt, dass ich mich bereichert und beflügelt fühle.
Ich verliere einen wirklichen Freund. Einen Freund, der immer bereit war, mir und meiner Familie aus vollem Herzen beizustehen. Der auf jede Bitte eingegangen ist. Einen wunderbaren und gutherzigen Freund, der gleichzeitig ein intellektueller und kreativer Mensch war. Und – einen humorvollen und zweifellos immer interessanten Freund!

Als der Deutschlehrer meiner älteren Tochter Rachel seine Schüler bat, ein Gedicht für eine Interpretation auszusuchen, fragte sie ganz selbstverständlich Werner. Jetzt überlegt Ihr sicherlich, zu welchem Gedicht er ihr geraten hat!? Ja – es war „With God on our Side“ von Bob Dylan. Bob Dylan – für Werner war nicht nur seine Musik von Bedeutung, sondern besonders auch die Worte!
Und als derselbe Deutschlehrer Ruth, meiner jüngeren Tochter, die Aufgabe stellte, ein Gedicht auswendig zu lernen, schlug ihr Werner, den Ruth sehr liebte und den sie außerdem für sehr gutaussehend hielt, vor, das Gedicht „Fisches Nachtgesang“ von Christian Morgenstern zu nehmen!
Ein Gedicht ohne Worte, nur aus Zeichen bestehend. Und dazu hat sie Musik von John Cage gespielt. So hat Ruth vielleicht das Auswendiglernen verpasst, aber dafür von Werner gelernt, anders zu denken.
Mit Werner gab es kein leeres Gerede, mit Werner sprach man über die Welt in ihrer Vielfältigkeit und das auf neue und ungewohnte Art und Weise.
Ich mag und schätze Dich nicht nur, ich liebe Dich, Werner – das ist meine Sprache.

Nun bleibt mir Ulla. Liebe Ulla, Du bist ein Vorbild für mich! Mit so viel Liebe hast Du Dich um Werner gekümmert, in den schwierigsten und verwirrendsten Situationen! Diese Liebe zwischen Ulla und Werner erleuchtet meinen Weg, sie macht mir Hoffnung und zeigt mir, dass es Schönheit in unserer Welt gibt!

Liebe Ulla, ich bin sehr froh, Deine Freundin zu sein. Deine liebe Familie und Du, Ihr seid Familie für mich. Danke!!! Vielen Dank dafür, dass Ihr mich in Eure Mitte aufgenommen habt.

Mit einer festen und liebevollen Umarmung sage ich Lebewohl!

Tamar Schubert
 
 

Obwohl wir uns bereits in den 1980er Jahren im Suhrkamp Verlag kennengelernt hatten,

ist erst in den vergangenen zehn Jahren aus gegenseitiger Wertschätzung eine persönliche Nähe entstanden, aus der sich in den letzten eineinhalb Jahren unsere Freundschaft entwickelt hat. Wir hatten viele gemeinsame Interessen und Überzeugungen. Werner war nicht nur ein freundlicher Mensch, er verfügte auch über eine natürliche Eleganz – und er konnte den Lotussitz, mit dem er meine Frau Heidrun und mich bei unseren Yogastunden beeindruckte. Unsere Freundschaft fand ihren Ausdruck in Fundstücken aus unserer Kindheit und Jugend in den 1950er und 1960er Jahren, die in mancher Hinsicht ähnlich war. Wir sprachen über Bob Dylan und die Doors, Dinge, die wir auf dörflichen Fußballplätzen erlebt hatten, einmal sogar über Hazy Osterwald, über Randolph Scott und die Frankfurter Eintracht. Es hat mich gefreut, dass er mich für einen Raucher hielt, obwohl ich das Rauchen schon vor einigen Jahren aufgegeben hatte. Dass er mich mochte, habe ich bemerkt, als er sich während eines Gesprächs zu mir beugte und sagte: Du kommst doch auch aus Orleshausen.

Ulrich Breth
 
 

Ich bin eben mal in meinen Mails zurück,

auch um ein wenig zu rekapitulieren, da fand ich eine letzte Mail von Werner, die von ihm nicht lange, vielleicht nur wenige Tage vor seiner schweren Erkrankung geschrieben worden ist – Werners Worte galten der Erinnerung an Maria Dessauer, eine unter sehr tragischen Umständen kurz zuvor verstorbene ehemalige Suhrkamp-Kollegin, nach der ich ihn damals fragte: Werners Antwort stammt vom 20. Februar 2021: Lieber Volker, natürlich kannten wir sie. Gute Freundin von Rolf Cordes. Es gab immer wieder sehr schöne amüsante Gespräche mit ihr. Elisabeth Borchers dürfte sie am besten gekannt haben und natürlich auch Claus Carlé, sie fuhren oft gemeinsam in Urlaub. Das ist sehr traurig, ich mochte sie sehr gerne. Vielleicht können wir mal wieder einen Wein trinken, gerne auch bei uns in der Grillparzerstraße. Herzlich Werner
Von meinem iPhone gesendet
Wie gerne hätte ich Werners Einladung doch einmal wahrgenommen. Immerhin bleibt er mir nunmehr ganz unversehrt und von der Krankheit unberührt in der Erinnerung.

Volker Breidecker
 
 

Der ruhende Pol

Andrea Pollmeier machte mich auf www.faustkultur.de aufmerksam und nahm mich in noch vor Corona Zeiten mit auf eine damals noch unregelmäßig stattfindende Redaktionssitzung. Werner war hierbei für mich der ruhende Pol. Er war ein perfekter Gastgeber, interessierte sich für mich und meine Interessen. Verwickelte mich in ein Gespräch über Bücher, deren Inhalte und Gestaltung und machte mich bekannt mit den damals frisch aufgelegten Graphic Novels – zwei davon machte er mir zum Geschenk … eine schöne Geste und Zeichen seiner Großzügigkeit … er wird fehlen …

Walter H. Krämer
 
 

DU HAST KEINE CHANCE, ABER NUTZE SIE

Dieses Zitat von Herbert Achternbusch stand auf unseren Trikots der Suhrkamp Fußballmannschaft aus den 1980er Jahren. Der Kern der Truppe stammte aus der Werbeabteilung mit Kollegen vom Lektorat, Korrektorat und dem Verkauf. Mit dieser Mannschaft landeten wir auch einmal einen grandiosen Sieg gegen S. Fischer. Werner war ein sehr talentierter Halbstürmer und guter Fußballkenner. Über die vielen Jahre hinweg haben wir auch viel über Fußball gefachsimpelt. Vor allem die alten Legenden der Frankfurter Eintracht wurden dabei in den Gesprächen immer wieder erwähnt und verehrt. Das alles bleibt unvergessen.

Walter Welker
 
 

Siehe auch:
Nachruf auf Werner Ost von Michele Sciurba

Meldung der Stadt Frankfurt

Letzte Änderung: 11.03.2023  |  Erstellt am: 01.12.2022

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Kommentare

Gudrun Geller schreibt
Herzlichen Dank für die Veröffentlichung der sehr persönlichen Erinnerungen an Werner! Dadurch konnte ich ihn noch viel besser kennenlernen. Uns verband unter anderem die Verlagsbuchhändler-Lehre im Alfred-Metzner-Verlag vor langer, langer Zeit. Wir sahen uns das letzte Mal an Heiligabend 2019 auf dem Römerberg zum Stadtgeläut! Traurig, Gudrun Geller
Reina H. schreibt
Welch wunderbare Idee, all diese Stimmen und Blickwinkel zu sammeln und aneinanderzureihen. Ich kannte ihn nicht. Ich wünschte, ich hätte ihn kennenlernen dürfen.
Michel Duval schreibt
Cher Werner, Un célèbre navigateur auquel un journaliste posait la question: "quel est votre plus beau voyage?", répondit: "c'est celui que je n'ai pas encore fait". Même si celui que tu fais sera pour nous ton dernier, je te le souhaite de tout coeur merveilleux et paisible. C'est avec joie que je me souviens des moments passés ensemble, je suis fier d'avoir partagé avec toi, Ulla et les autres les balbutiements de faust-kultur. Je te souhaite "bon vent" où que tu ailles. Amitiés Michel Duval
UTE DIETZ schreibt
Ende September, kurz vor dem Umzug ... eigentlich wollten wir nur mal nach dem Kater Polly schauen, der sich schon länger nicht mehr hat blicken lassen. es war ein sonniger Tag, Ulla rief, wir sollten doch einen Kaffee mit ihnen trinken. Das taten wir gern! Werner freute sich, uns zu sehen, bedauerte, dass er gleich weg müsse zur Physio, aber einen Moment hatte er dann doch noch. Und obwohl es sehr fröhlich zuging, war der Abschied greifbar – von dem schönen Zuhause der beiden, aber auch irgendwie von Werner. Erklären kann ich es nicht so recht, aber es war das letzte mal, dass wir uns gesehen haben! Kater Polly war übrigens auch da und ließ sich streicheln – was er bis dahin noch nie zugelassen hatte ... Ute Dietz

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