Die Versuchung der Akademiker
Die Zeit, die wir Renaissance nennen, begünstigte auch die Emanzipation der nutzlosen Künste. So führte der Dichter Giovanni Gioviano Pontano einen Club Gelehrter und Künstler, den man Akademie nannte. Und er schrieb Gedichte, die tief in der europäischen Kultur verwurzelt waren. Bernd Leukert stellt seine berühmten „Baiae“ in der Übersetzung von Tobias Roth vor.
Von Giovanni Gioviano Pontano gab es, wenn man von den Dialogen in der Humanistischen Bibliothek (im Fink Verlag 1984 herausgegeben von Hermann Kiefer) und „De amore coniugali“ im 3. Band der Itinera classica (im Scripta-Mercaturae-Verlag 2002 herausgegeben von Nikolaus Thurn) absieht, bisher offenbar keine Übersetzungen ins Deutsche. Umso schöner ist es, die „Baiae“ des zu seiner Zeit berühmten Humanisten in einer zweisprachigen Ausgabe vorliegen zu haben. Pontano, Autor einer enormen Anzahl an Dichtungen, Dialogen, philosophischen, astronomischen, historischen Schriften und Briefen, lebte von 1429 bis 1503 und schrieb, wie damals unter den Dichtern und Gelehrten in Neapel üblich, lateinisch, und zwar ein unter Zeitgenossen gerühmtes, reiches Latein. Das schimmert in goldenen Lettern als Fußnote jeweils unter der deutschen Übersetzung eines jeden der elfsilbigen Gedichte. Versammelt sind in diesem, mehrfach vom Autor überarbeiteten, Zyklus vor allem Widmungsgedichte, die sich auf den seit der Antike bekannten, mondänen Badeort Baiae beziehen, genauer, auf die dortigen Bäder, die zur seelischen und körperlichen Gesundung aufgesucht wurden und – selbst in der römischen Gesellschaft – mit ihrem Luxus und ihrer Freizügigkeit eine Attraktion waren. Pontano stammte aus Umbrien, studierte in Perugia und diente im Heer des neapolitanischen Königs Alfons I. Unter dessen Nachfolgern stieg er zum Diplomat und Sekretär auf. In Neapel lernte er seinen Freund und Lehrer Antonio Beccadelli kennen, der dort eine Akademie gründete, die nach seinem Tod von Giovanni Pontano geleitet und deshalb Accademia Pontaniana genannt wurde. Die Widmungsträger der Gedichte sind vor allem befreundete Mitglieder der Akademie – tot oder lebendig. Es ist die unbefangen thematisierte Erotik, die den meisten dieser Gedichte ihren Oberflächenreiz verleiht. Zugleich aber wird die persönliche Ansprache in einem Flechtwerk aus mythologisch-literarischen Bezügen, historischen und philosophischen Anspielungen präsentiert, dass das Lesevergnügen unvermeidlich erscheint. Sehr lesenswert ist das launige Nachwort des Übersetzers und Herausgebers Tobias Roth, dem man alles Nötige und Wichtige entnehmen kann. Vielleicht sollte man sogar mit dem Nachwort beginnen, also gut vorbereitet, wenn man sich das Buch zu Gemüte führt. Ausgestattet ist das Buch mit schwarz-goldenen Illustrationen von Petrus Akkordeon, die mit ihrem holzschnittartigen Motiven der antikisierenden Manier Pontanos in die Hände spielt.
erstellt am 09.2.2017
aktualisiert am 21.11.2017
Letzte Änderung: 25.09.2021
Giovanni Pontano Baiae
Tobias Roth (Hg.)
Übersetzung: Tobias Roth
Illustration: Petrus Akkordeon
ISBN: 978-3-945832-23-3
Verlagshaus Berlin, 2016
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