Handtuch

Handtuch

Ein Essay über den unentbehrlichen Reisebegleiter
Entspannte Strandatmosphäre unter schattigen Sonnenschirmen | © Faust Kultur Michele Sciurba

Alban Nikolai Herbst widmet sich in seinem Essay einer vermeintlich banalen, doch tiefgründigen Reisebegleitung: dem Handtuch. Inspiriert von Douglas Adams' kultigem Ratschlag für interstellare Anhalter, ergründet Herbst die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten dieses unscheinbaren Objekts. Ob als hygienischer Schutz, Türöffner zu kulturellen Begegnungen oder praktischer Helfer im Alltag – das Handtuch entpuppt sich als unverzichtbarer Begleiter für den wahren Reisenden, der das Abenteuer und die Realität sucht, anstatt sich in Bequemlichkeit zu verlieren. Mit Humor und scharfsinniger Beobachtung zeigt Herbst, dass das Handtuch weit mehr ist als nur ein Stück Stoff.

Handtuch

„Don’t forget your towel!“ rief Douglas Adams aus. Ein Handtuch sei so ungefähr das nützlichste Ding, das interstellare Anhalter bei sich hätten. Daß dies auch für konventionellere Raumfahrer gilt, liegt auf der Hand. Dennoch wurde Adams’ Reiseführer-Literatur als ulkige Science Fiction mißverstanden, ein ziemlich bequemes Vorurteil. Seit Phileas Fogg, der über sein Handtuch freilich geschwiegen hat, ist bekannt, wie abträglich Bequemlichkeit einem wirklichen Reisen ist. Dem geht es um Realität, nicht um Urlaub. Darauf spielte wiederum Adams selber an: „I was vacationing with friends in Greece some years back. Every morning they’d have to (…) wait for me because I couldn’t find my blessed towel. It seemed to epitomise my disorganised state of being. I came to feel that someone (…) would always know where his towel was.” Diese als Reiseerinnerung getarnte Offenbarung hat evidente Dignität. Denn eigentlich gibt es nur eines, wozu ein Handtuch auf Reisen nicht taugt, aber ich mag hier keine Grünen-Witze wiederaufzoten lassen. Statt dessen ist auf den bedenklichen Zustand hinzuweisen, in welchem sich Hotelkopfkissen gerne befinden, namentlich in Ländern der Dritten Welt, zu der auch Mittelhessen zählt. Unter der Wange garantiert das eigene Handtuch, wenigstens psychisch, antibakteriellen Schlaf. Wiederum sollte ein Reisender kein zu kleines wählen; man muß beide Schultern mit abdecken können. Es dient der Aufnahme von Schweiß und schützt auf Zugfahrten den Nacken. Links locker übers Jackett getragen, führt es enorm schnell zu Kontakten. Die Frage „Weshalb haben Sie dieses Ding über der Schulter?“ begleitet den Handtuchreisenden eigentlich permanent, und zwar ziemlich wurscht, welchen Kulturkreis er gerade besucht. Sie kann zu privaten Einladungen führen oder einer unentgeltlichen Passage gegen Hand. Besonders gern wird sie in der Oper gestellt; in Restaurants hingegen verkneifen die Leute sie sich, aufgrund eines, fürchten wir, üblen hygienischen Vorbehalts. Das Handtuch dient als Sonnenschutz, sei es nach arabischer Art direkt um den Kopf geschlungen, sei es am Strand zwischen Stöcke gespannt. Man verwendet es zum Brilleputzen und um verdächtig wirkende Bestecke sowie Kaffeetassen europäisch aufzupolieren, weshalb bei seiner Anschaffung darauf zu achten ist, daß es nicht fusselt. Insgesamt sollte man, abschließend bemerkt, ladenneue Handtücher meiden. So viel zu dem billigen Gegenargument, man könne sich sowas unterwegs doch jederzeit kaufen, was solle denn dieser quatschige Ratgebertext??! Glauben Sie nur: Wir wissen ziemlich genau, wovor wir hier warnen.

Letzte Änderung: 12.08.2024  |  Erstellt am: 12.08.2024

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