Nur für Aficionados – für die aber richtig!

Nur für Aficionados – für die aber richtig!

Joachim Kühns French Trio spielt »The Way«
Cover The Way | © ACT Production

Alban Nikolai Herbst taucht tief in die Welt von Joachim Kühns neuem Album mit dem »French Trio« ein. Herbst beschreibt die intime Atmosphäre der Aufnahme auf Ibiza, die sich in einer luftigen, fast mysteriösen Klangwelt widerspiegelt. Kühns Free-Jazz-Ansätze, gepaart mit einer kammermusikalischen Struktur, richten sich an Kenner und Aficionados, die komplexe, tiefgründige Musik zu schätzen wissen. Herbsts Text entführt uns in eine musikalische Landschaft, die Freiheit und Intellektualität meisterhaft vereint. Ein Genuss für alle, die abseits des Mainstreams nach echten Jazzperlen suchen.

Kaum hat Joachim Kühn → sein berückendes Generationen-Duo mit Michael Wollny vorgelegt, schiebt er schon nach – diesmal aus seinem Haus auf Ibiza. Genau das ist der neuen CD auch anzumerken: Gelöstheit, Luftigkeit, Spielfreude. Die drei Musiker seines »French Trios« – er selbst am Klavier; am Baß Thibault Cellier; aufs Schlagwerk haut (auch wenn er’s mit dem Besen sehr oft streichelt) Sylvain Darrifourcq – haben sich ebendort nämlich zusammengefunden, um zu musizieren, und dort auch wurde diese neue Aufnahme eingespielt. Das Publikum waren die drei für sich selbst, andere Menschen brauchten sie nicht. Was ebenfalls zu spüren ist. Kühns »Go Sued« etwa, das dritte Stück, das mit dem zweiten, von den dreien zusammen entwickelten, »The Way«, mein liebstes ist – … »Go Sued« also wirkt, als sprächen die Instrumente miteinander, mitunter fast flüsternd indes. Baß und Schlagzeug erzeugen hier sehr ungefähre nicht einmal durchweg Töne, eher geräuschnahe Klänge von fühlbar mysteriösem Charakter. Doch immer wieder kommt es auch zu Ausbrüchen der Genre-Traditionen, denen gerade Kühn verbunden ist; sehr wohl ist der Freejazz dabei, ebenso – eigentlich notwendigerweise – seine analysierende Intellektualität. Kühn ist da ganz auf der Höhe seiner Kunst, etwas, das durchaus nicht selbstverständlich ist. Es gibt auch die, die große Werke schaffen, ohne zu wissen bzw. jemals zu begreifen, wie.
Auch deshalb, weil in diesem Jazz der Geist so sehr zu spüren ist, schreib ich im Titel von «Aficionados«, für die fast allein hier musiziert worden ist, und auch, weil, siehe oben, es eben nicht für sie geschah. Hier regiert allein das musikalische Denken, nicht eines, das auf Quoten schielt. Entsprechend sind die Strukturen komplex: Wir werden dann mit Lust beschenkt, wenn wir ihnen folgen können. Es ist dies der krasse Unterschied zum Mainstream; »irgendwie« müssen wir Eingeweihte sein, das Ohr gebildet und trainiert. Freilich wäre, darauf allgemein noch zu zählen, schlechterdings zeitblind. Umso dankenswerter, daß ACT so etwas weiter produziert und vertreibt.
Zugleich zieht sich durch »The Way« vom Meer her Wind; wir sehen die Gardinen sich leise blähend wehen, selbstverständlich in den Raum. Auch dieses mysteriös, weil wir es selbst, das Meer, nicht hören – nirgends, in keinem der vier Stücke. Und weil besonders der Kontrabaß hier führt, erst deutlich, dann unterschwellig.
Es kann freilich sein, daß Kühns Haus auf einem Berg gelegen ist oder einem Hügel tief im Land. Da hat denn abermals, im letzten Stück, »Supertonic«, der Baß ein Solo, das manchmal wie Olivenblätter schimmert und nach dem hellen Holz fast riecht – erhöbe denn Kühn selbst, also sein Klavier, nicht unversehens einen Einspruch, der in das Herz des Jazz’ zurückführt, nämlich in das erste Stück, »Homogeneous Emotions« (nach Ornette Coleman). Da hindurch scheint, fast selbstverständlich, der Free Jazz immer wieder auf, auch wenn die dissonanten Ballungen meist vorsichtig gewählt sind. Dennoch, gerade hier gibt es Aufbäumungen, die genau es eben sein werden, was auf Wohlklang geeichte Hörerinnen und Hörer abschrecken könnte. Um so weicher freilich wirken, obwohl sie es nicht eigentlich sind, die beiden folgenden langsamen Stücke; aus »Weichheit« wird da Innigkeit. Außerdem gibt es im ersten Stück ein sehr schönes Baßsolo, das aus einem anhebenden Duo mit dem Klavier zu einem unbegleiteten, fein ausgehorchten Klaviersolo wird, bevor das Schlagzeug hinzutritt und den nächsten »Drive« fast einpeitscht, Worauf wir fast logischerweise erneut die Free-Jazz-Anmutung hören. Wirklich wild indes wird sie nie; dafür ist Kühns »French Trio« viel zu mediterran. Im »klassischen« Sinn – immer wieder falsch verwendet, dieses Wort, zumindest unpräzise … – haben wir es bei dieser Einspielung rundum mit Kammermusik zu tun. Wer für die ein Ohr hat, tut gut daran, das »French Trio« ins eigene Musik-Portfolio mit aufzunehmen – gewiß kein »Muß«, aber eine feine, feine Ergänzung.

Letzte Änderung: 27.09.2024  |  Erstellt am: 19.09.2024

Cover The Way | © Foto: ACT Production

Joachim Kühn French Trio The Way

Joachim Kühn, Klavier
Thibault Cellier, Baß
Sylvain Darrifourcq, Schlagzeug

ACT September 2024

18 €

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