Moody Blues

Moody Blues

PLATTE DER WOCHE #3

In dieser locker geführten Reihe wird Musik auf Tonträgern vorgestellt, die absoluten Referenzcharakter hat. Wir widmen uns Platten, die jenseits der Trends Bestand haben und durch ihre einzigartige klangliche, technische, interpretative und/oder politische Dimension Einfluss auf die musikalische Landschaft nahmen. Bewusst wird hier der Fetisch des Allerneusten ignoriert, stattdessen auf Gebliebenes geschaut – und das, was bleiben sollte, und zwar über alle Genres der Musik hinweg. Wir laden Schreibende dazu ein, sich an der Reihe zur klanglichen Zeitlosigkeit zu beteiligen.

Meine zugegebenermaßen nicht sehr erlebenspralle Jugend ist immerhin von einer Band mitbestimmt worden, die den aufrechten Rockkritikern nie sonderlich viel Freude bereitet hat – nämlich von den Moody Blues. Die es, gegründet 1964, tatsächlich immer noch gibt, wenn auch in wechselnder Besetzung. Leider treten sie unterdessen bevorzugt in den USA auf, was selbst für radikale Nostalgiker doch ein bißchen sehr weit weg ist. Dort indes hat sich eine unbeirrbare Fangemeinde erhalten.

Wie der Bandname schon sagt, begannen die Moody Blues mit Rhythm & Blues. Da noch hatten sie die Kritiker lieb. Schon aber irritierte die Band mit einer argen „Süßlichkeit“. Und hatten die Mißgunst um Erlaubnis nicht mal gefragt … – Jedenfalls wichen sie vom Pfad, dem ausgetretenen des gradlinig erdigen Sounds, unversehens ab und garnierten ihre Songs mit harmonische Sättigungsbeilagen aus waberndem Mellotron, woobelndem Synthesizer, tirilierenden Flöten, und das alles ziemlich reichlich.

Für so viele gewöhnungsbedürftig, war es genau das, was aber mich infizierte – ein geradezu Virus, Moody Blues-Virus, der zwar nicht krank macht, sehr wohl aber süchtig. Jedenfalls mich. Bis heute hat er mich im Griff. So dass ich geradezu erlöst war, als die Band nach elend langer Warte-, ja einer, für mich, geradezu Passionszeit denn doch noch, im April 2018, in die Rock’n Roll Hall of Fame aufgenommen wurde. Ray Thomas leider, den Sänger und Flötisten, der Melancholy Man und For my Lady komponierte, konnte diese Nachricht nicht mehr erreichen, viereinhalb Monate vorher ist er verstorben. Die andern machen aber weiter – und sicher auch für ihn. Justin Hayward geht sogar noch auf Solo-Tour, ja hat im Jahr der Hall of Fame sogar in der Alten Oper in Frankfurt gastiert. Selbstverständlich war ich dabei.

Von ihm stammt nicht nur das unverwüstliche Nights in White Satin, sondern viele andere Moody Blues-Songs verdanke sich ihm. Und nun lieferte er ein Unplugged-Konzert vom Feinsten ab. Ich hatte das überhaupt nicht erwartet. Wer hätt’s erwarten können, der noch den opulenten Moody Blues-Sound der frühen Jahre im Ohr hat? Doch nicht nur wenige erwarteten, sondern sehr viele hörten es auch nicht; der Mozartsaal der Alten Oper war leider nur halbvoll. Welch Schande! hätt’ ich rufen sollen. Denn nicht nur Hayward war in Form, Mike Dawes (Gitarre) und Julie Ragins (Vocals und Keyboards) waren’s genauso – zudem die Mischung stimmte: Hayward spielte zwar neuere Stücke, vergaß indessen nicht, was sein – so will ich es sehen: – „handverlesenes Publikum“ vor allem hören will: – die guten alten Songs von Nights in White Satin über Tuesday afternoon bis zu Questions.

Wobei Hayward den engsten Umgang mit seinem Publikum sucht, es ständig einbezieht, „Frontalmusik“ ist das nicht. Sondern gehüllt in leise Selbstironie erzählte er immer mal wieder, erzählte zwischen den Liedern aus dem Leben eines Musikers, der viel erreicht hat, seinen Anfängen dennoch treu blieb. „Ich lebte damals aus dem Koffer und besaß so gut wie nichts – bis auf weiße Satin-Bettwäsche, die mir ein Ex-Freundin hinterlassen hatte.“

Ach, und als ich dann nach Hause ging, im Rausch noch selbst der stehenden Ovationen – da meinte ich sie noch einmal zu spüren, meine eigenen „versunknen schönen Tage“ (Eichendorff). Die ohne diese Band so schön gewesen nicht wären, geschweige denn versunken – verloren allerdings nicht. Doch einer der erfolgreichsten Songs Justin Haywards, Forever Autumn, der jahrelang bis in meine Träume reichte, hat mich eine Botschaft heraushören lassen, die noch heute gilt: Wir wickeln routiniert selbst die Jahreszeiten ab und dann auch gleich das Leben. Doch ist das Ende womöglich gar nicht das Ende? – bleibt’s nicht erst Herbst, und der Winter, der muß warten? Solange es noch Zuspruch gibt, sind sie nicht durch, die Moody Blues. Und wir, mit ihnen, sind’s auch nicht.

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Letzte Änderung: 30.04.2025  |  Erstellt am: 30.04.2025

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