Glänzende Musik

Glänzende Musik

Interview mit dem Trio Eranthis
Trio Eranthis | © Martin Lamberts

Im Anschluss an das Salonkonzert der Edition Faust am 27. November 2022, zu dem Dr. Michele Sciurba und die Kammeroper Frankfurt einluden und bei dem das Trio Eranthis eine Standing Ovation des begeisterten Publikums für die Darbietung von Beethovens Klaviertrio Opus 1, Nr. 1, in Es-Dur und Mendelssohns Klaviertrio Nr. 1, Opus 49, in d-Moll erhielt, traf Sarah C. Schuster die Musiker:innen des Trios – Jaepyo Jeong (Klavier), Miwa Kawasaki (Violine) und Seung Yeon Lee (Violoncello) – zu einem Gespräch über den Weg zur Musik und das Leben als Musiker:innen.

Das Trio Eranthis

Sarah C. Schuster: Wie ist das Trio Eranthis entstanden und wie kam es zum außergewöhnlichen Namen?

Miwa Kawasaki: Der Name bezeichnet eine der allerersten Frühlingsblüten, kleine glänzende gelbe Blüten, die man schon sehr früh, noch während des kälteren Winterendes, sehen kann. Die meisten Menschen kennen die weißen Schneeglöckchen. Eranthis ist ein Winterling, der blüht, wenn der Wald noch nicht grünt. Man findet die Blütenteppiche, wenn alles noch hölzern ist. Die Schönheit der Pflanze und der Klang des griechischen Namens haben uns gut gefallen. Unser Trio ist auch ein bisschen glänzend.

Jaepyo Jeong: Miwa ist unsere Blume, wir sind die Pflanzenerde. (lacht)

Miwa Kawasaki: Jaepyo ist ein neues Mitglied unseres Trios. Das Trio Eranthis selbst gibt es seit 2018.

Wie haben Sie zum Trio Eranthis zusammengefunden?

Miwa Kawasaki: Ich wollte etwas Neues beginnen und kannte einen sehr guten Cellisten. (zeigt auf Seung Yeon Lee) So habe ich Seung Yeon angesprochen. Nach einem guten Pianisten haben wir lange gesucht, da die Klaviertrios, die wir spielen, enorm viel mit einer guten Klavierstimme zu tun haben. Ohne einen ausgezeichneten Pianisten funktioniert das nicht. Zum Glück haben wir Jaepyo gefunden.

Jaepyo Jeong: Danke für die Wahl.

Miwa Kawasaki: Ich habe Seung Yeon und Jaepyo an unterschiedlichen Orten kennengelernt. Ich war schon lange Fan von Seung Yeons Barockensemble „Bassorum Vox“ und besuchte die Konzerte regelmäßig. Bei Jaepyo war es reine Glückssache. Bei einem meiner Konzerte hatte die Pianistin abgesagt. Ich fragte all meine Bekannten, um sehr kurzfristig jemanden zu finden, und bin dann bei Jaepyo gelandet.

Jaepyo Jeong: Unser erstes gemeinsames Konzert war in einem Krankenhaus mit einem großen Programm, darunter César Francks Violinsonate.

Miwa Kawasaki: Es hat uns sehr viel Freude bereitet und so haben wir weiter zusammengespielt.

Seung Yeon Lee: Später haben wir auch erfahren, dass Jaepyo und ich eine Verbindung haben. Während Jaepyos Studienzeit in Korea – ich war zu dieser Zeit bereits in Deutschland – begleitete er oft die Klasse meiner Professorin, bei der ich in Korea studiert hatte. Meine ehemalige Professorin erzählte mir später, was für ein guter Pianist Jaepyo ist und riet mir, weiter mit ihm Musik zu machen. Sie gratulierte uns auch zu diesem Konzert des Edition Faust Salonabends.

Jaepyo Jeong: Der Musikkreis ist manchmal sehr klein.

Seung Yeon Lee: Wir waren zwar nicht an der gleichen Universität, aber bei der gleichen Professorin.

Wer oder was inspiriert Sie bei der Auswahl Ihrer Stücke und Ihres Programms?

Miwa Kawasaki: Es sind oftmals meine Lieblingsstücke. (lacht) Aber am Ende geht es darum, dass wir uns einigen. Wenn meine Vorschläge nicht auf Zustimmung treffen, kommen die Noten zu mir zurück und es muss ein anderes Stück ausgewählt werden. Bei der Entscheidungsfindung verstehen wir uns sehr gut. Ende gut, alles gut.

Wie bedeutsam ist es, dass Sie jeweils Ihre Lieblingsstücke vorschlagen?

Miwa Kawasaki: Es ist sehr wichtig. Zuerst müssen wir die Stücke lieben, um sie anderen präsentieren zu können. Es müssen unsere Lieblingsstücke sein.

Salonkonzert der Edition Faust mit dem Trio Eranthis

Das Leben als Musiker:innen

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie Musiker:innen werden wollen? Gab es einen besonderen Moment, der ausschlaggebend dafür war, der Musik professionell nachzugehen?

Seung Yeon Lee: Ich habe mit acht Jahren angefangen, Cellounterricht zu nehmen. Meine Mutter war auch Cellistin. Am Anfang wollte ich nicht unbedingt Cellist werden, sondern habe einfach Cello gespielt, weil meine Mutter sagte, ich muss spielen. (lacht) Ich war ein sehr braves Kind und habe gemacht, was sie sagte. Mit 13 Jahren habe ich ein Konzert des weltberühmten Meisters Mischa Maisky besucht, das mich wirklich inspiriert hat. Nach diesem Konzert hatte ich ein so großes Glücksgefühl, dass ich mir dachte, dass es wirklich schön wäre, wenn ich später auch ein solcher Cellist werde, der Menschen so glücklich machen kann. Das war ein besonderer Moment, in dem ich beschloss, Cellist zu werden.

Ihr Level war mit 13 Jahren dementsprechend bereits auf einem sehr hohen Niveau.

Seung Yeon Lee: Ich gab mit zwölf Jahren mein Debut mit einem Orchesterkonzert in Korea und hatte bis dahin schon mehrere Wettbewerbe gewonnen. Meinen ersten Wettbewerb in Korea gewann ich acht Monate, nachdem ich angefangen hatte, Cello zu lernen. Ansonsten hätte mich meine Mutter nicht weiter angetrieben. Die Wettbewerbe waren stressig, aber ich habe eigentlich nicht daran gedacht, den ersten Platz zu erlangen. Zunächst nahm ich auf Wunsch meiner Mutter an Wettbewerben teil. Später, während meines Militärdienstes, war ich im Polizeiorchester, wo ich Cello spielte und weiter an Wettbewerben teilnehmen konnte.

Miwa Kawasaki: Als ich mit sechs Jahren anfing, wie meine ältere Schwester Violine zu lernen, wollte ich bereits Musikerin werden, was zunächst noch nicht ganz realistisch schien, aber der Wunsch war da. Es war ein langer Kampf mit meinen Eltern, die der Meinung waren, dass es für einen Erwachsenen kein sicherer Weg sei. Ich musste immer wieder kämpfen, um weiterlernen zu können. Ich habe an einer sehr großen, aber normalen Universität mit einer kleinen Musikabteilung studiert, was nicht leicht war, da es keine Musikhochschule war. Ich habe es geschafft und bin dann nach Deutschland ausgewandert.

Jaepyo Jeong: Anders als bei Seung Yeon gab es in meiner Familie keine Musiker. Es war eine normale Familie. Doch mein Vater liebte Musik, vor allem klassische Musik. Er ist ein wirklicher Musikliebhaber. Als ich jung war, hörte mein Vater, und damit auch ich, fortwährend die Musik Beethovens, die er insbesondere schätzte, vor allem das Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur. Anstatt eines Weckers oder eines Weckrufs spielte mein Vater morgens Beethovens Sinfonie Nr. 5 in c-Moll. Er drehte einfach die Musik auf. So wachte ich jeden Morgen auf und habe schon in jungen Jahren den vierten Satz auswendig gelernt. (lacht) Mein Zuhause war voller Klang und so fühlte ich mich seit meiner Kindheit auf natürliche Weise zu klassischer Musik hingezogen. Schon bevor ich mit etwa sieben Jahren anfing, Klavier zu lernen, versuchte ich, die Stücke nach Gehör eigenständig auf dem Klavier nachzuspielen. Mit acht Jahren führte ich Klavier als reines Hobby an einem Hagwon, einem südkoreanischen privaten Bildungsinstitut, fort.

Haben Sie dort auch Beethoven gespielt?

Jaepyo Jeong: Nein, nein. Ich fing mit Hanon und Popmusik an. Doch eines Tages, ich war in der Mittelschule, spielte mir ein Freund vor, der auf dem Weg war, professioneller Pianist zu werden. Als ich ihn spielen sah und hörte, änderte sich die vage Vorstellung des Klaviers als Klang durch eine Anlage zu einem wundervollen Instrument, das mich stark berührte. Er spielte Chopins Ballade Nr. 4 in f-Moll. Ich wollte eigentlich Bildhauer werden, doch in diesem Moment wurde das Klavier vom Hobby zum Hauptfach. Professionellen Klavierunterricht habe ich somit erst mit 16 Jahren angefangen.

Seung Yeon Lee: Wenn man professionelle:r Musiker:in werden will, ist der Beginn mit acht Jahren bereits spät. Die Kinder fangen mit etwa vier, fünf Jahren an.

Der späte Einstieg ins professionelle Klavierspiel war mit Sicherheit nicht einfach.

Jaepyo Jeong: Ich hatte großes Glück, dass meine Eltern ohne weiteres zustimmten, als ich ihnen mitteilte, dass ich Klavier studieren und als Pianist erfolgreich werden wollte, da sie die Musik liebten. Für gewöhnlich ist es in der Bildungskultur Koreas ausgeschlossen, dass Schüler sich ihr Studienfach aussuchen, zumal Musik, was immer mit Zukunftsangst einhergeht. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie es erlaubten. Das Stück, das mir mein Freund damals zeigte, Chopins Ballade Nr. 4 in f-Moll, war schließlich dasjenige, dass ich beim Abschluss meines Studiums vorspielte.

Was ist das Schönste daran, Musiker:in zu sein?

Seung Yeon Lee: Es ist eigentlich eindeutig. Das Schönste ist das Musizieren. Wir lernen so viel unterschiedliche Musik kennen und sind immer bereit, neue Musik kennenzulernen. Wenn wir Musikunterricht geben, macht es Spaß, obwohl es Arbeit ist.

Jaepyo Jeong: Ein weiterer Vorzug ist die Möglichkeit, durch das Spielen Stress abzubauen. Die Bewegung der Finger beim Klavierspiel soll sogar gegen Alzheimer vorbeugen.

Miwa Kawasaki: Das Schönste ist es, Musik zu spielen und die Möglichkeit, so viele schöne Werke kennenzulernen. Durch die Musik lernt man darüber hinaus viele gute Musiker:innen kennen, interessante Menschen mit verschiedensten Hintergründen. Es ist sehr international und ein besonderer Ort der Begegnung.

Seung Yeon Lee: Wir spielen verschiedene Stile, beispielsweise Barock, Klassik oder Romantik, das heißt, wenn wir uns intensiv mit den Werken beschäftigen, ist das für uns wie eine Zeitreise. Das ist für mich ein besonderer Aspekt des Musizierens. Wie hat der Komponist gelebt? Wie war die Zeit, in der das Stück entstanden ist und wie ist es genau entstanden? Beim Spielen behalten wir all diese Faktoren im Hinterkopf.

Wenn Sie spielen, halten Sie die Distanz zu den Stücken oder kann man sich zwischenzeitig in der Schönheit des Klangs verlieren?

Seung Yeon Lee: Ich selbst versuche die Distanz zu wahren und die Sicht des Publikums einzunehmen.

Miwa Kawasaki: Das ist vorbildlich. Ich bin mittendrin. (lacht) Ich fühle das Stück sogar, während ich es spiele.

Es gibt also beides. (lacht) Was ist das Schwierigste am Musiker:innen-Dasein?

Miwa Kawasaki: Die Technik und natürlich das Zusammenspiel, da alle Musiker:innen verschiedene Vorstellungen davon haben, wie ein Stück gespielt werden sollte. Es sind nicht immer nur Kenntnisse, sondern auch Kommunikationsfähigkeit zwischen verschiedenen Musiker:innen, auf die es ankommt, auf eine möglichst freundliche Art und Weise. Eine andere Geschichte ist die finanzielle. Es ist immer schwer.

Seung Yeon Lee: Es ist nie sicher, deswegen unterrichten wir alle für ein regelmäßiges Einkommen. Es wäre besser, wenn wir hauptsächlich Konzerte geben könnten, aber so funktioniert es nicht.

Das Üben nimmt viel Zeit in Anspruch. Gehört diese Zeit zu den schönsten oder den schwierigsten Momenten?

Seung Yeon Lee: Als Schüler und während der Studienzeit war das ständige Üben manchmal schwierig, doch jetzt, als professioneller Musiker, gehört es zu den schönen Momenten.

Jaepyo Jeong: Es ist eine körperliche, aber keine seelische Anstrengung. Im Moment habe ich nicht viel Zeit zum „körperlichen Üben“, also arbeite ich gedanklich immer wieder an Musik.

Während Corona konnten Sie eine lange Zeit nicht auftreten. Welche Gedanken macht man sich als Performer, wenn man nicht performen darf?

Jaepyo Jeong: Ich habe es ehrlich gesagt genossen, dass ich die Zeit für mich hatte, um ohne Stress Repertoire einzustudieren.

Miwa Kawasaki: Ich habe die Zeit genutzt, um vor allem Barock zu spielen. Ich hatte beim Wechsel zwischen Barockinstrument und modernen Instrument genug Zeit, um mich auf das Instrument zu konzentrieren.

Seung Yeon Lee: Als Musiker:in hat man eigentlich immer etwas zu tun. Wir konnten unser Repertoire erweitern und Stücke vertiefen. Ich konnte auch viel lesen und Musik hören. Vor ein paar Monaten haben wir wieder angefangen, Konzerte zu geben, und ich weiß nicht, wie es den anderen ging, aber ich hatte das Gefühl, dass mein musikalischer Sinn durch die Coronazeit und die lange Konzertpause ein bisschen geschwächt war, aber das war nur bei den ersten Konzerten.

Miwa Kawasaki: Ich war so froh, wieder Konzerte geben zu können, dass ich regelrecht explodiert bin: „Endlich!“

Was plant das Trio Eranthis für die Zukunft und wann kann man Ihr nächstes Konzert besuchen?

Miwa Kawasaki: Am 27. Januar 2023 spielen wir um 19:30 Uhr das erste Mal in der Stadtmitte Frankfurts im Frankfurter Salon. Wir spazierten eines Tages zufällig die Straße vor dem Römerplatz entlang und sahen von außen im Fenster einen Flügel. So hat sich alles ergeben. Der Frankfurter Salon ist sozial ausgerichtet und beschäftigt Menschen mit Handicaps oder in sozialer Not, was wir sehr gut finden.

Jaepyo Jeong: Was unsere Zukunftspläne angeht, werden wir gemeinsam neues Repertoire für unser künftiges Programm erarbeiten: Trios von Beethoven, Schumann, Brahms, Mendelssohn usw. Wo wir zukünftig spielen, spielt für uns eigentlich keine Rolle. Wir spielen an verschiedenen Orten wie Altersheimen, Kirchen oder Krankenhäusern.

Seung Yeon Lee: Wir verstehen es als unsere Aufgabe als Musiker:innen, denjenigen Leuten Musik zu ermöglichen, die nicht zu Konzerten kommen können.

Jaepyo Jeong: Deutschland hat mir viel gegeben. Ich konnte unter einem sehr guten Lehrer studieren und hatte viele Möglichkeiten, dank Stipendien ohne zusätzliche Belastungen Klavier zu spielen. Ich habe viele Vorteile genießen dürfen, weshalb ich der deutschen Gesellschaft etwas zurückgeben möchte.

Seung Yeon Lee: So geht es uns eigentlich allen. Wir haben von Deutschland viel bekommen und mitbekommen. Wir hatten gute Studienplätze und sehr gute Professoren. Als professionelle Musiker:innen wollen wir davon etwas zurückgeben.

Miwa Kawasaki: Was ich besonders schön daran finde, in Deutschland zu spielen, ist, dass das Publikum sehr offenherzig ist. Es spielt keine Rolle, wie oft jemand klassische Musik hört, da das Publikum sich in die Musik hineinfühlt. In Japan ist das schwer. Dort herrscht eine größere, seit Kindheit anerzogene Distanz, was das Zeigen der eigenen Gefühle angeht. In Deutschland haben wir großes Glück mit unserem Publikum, das seine Gefühle offen ausdrückt, was wir bei unseren Konzerten spüren.

Jaepyo Jeong: Ich hatte einmal eine ungewöhnliche Begegnung an einem Kebab-Stand. Ein Fremder kam zu meinem Tisch und fragte, ob er sich zum Essen dazusetzen könne. Er wusste nicht, dass ich Pianist bin. Ich sagte ihm damals, dass mein Deutsch noch nicht so gut sei, aber wir gerne gemeinsam an diesem Tisch essen können. Dann schaute er auf meine Hände und sagte: „Sie müssen nicht sprechen, Sie sind ein Mensch, der alles mit seinen Händen zeigt.“ Das war vor fünf Jahren, dass ein fremder Mensch mir das an einem Kebab-Stand sagte. Es war eine seltsame Erfahrung und gleichzeitig der Moment, in dem ich beschloss, als Pianist in Deutschland zu bleiben. Musik ist eine besondere Sprache.
 
 

Das nächste Konzert des Trio Eranthis findet am 27.01.2023 um 19:30 Uhr im Frankfurter Salon, Braubachstraße 32, 60311 Frankfurt am Main, statt.

Letzte Änderung: 19.01.2023  |  Erstellt am: 18.01.2023

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