Die Frankfurterinnen

Die Frankfurterinnen

Ausstellung „Zurück ins Licht“ im Jüdischen Museum Frankfurt
Ruth Cahn, Frau im lila Kleid  | © Privatsammlung M. Kopp

Die Ausstellung „Zurück ins Licht“ im Jüdischen Museum Frankfurt möchte vier vormals renommierte, von den Nazis wegen ihrer jüdischen Herkunft ermordete oder ins Exil getriebene Künstlerinnen der Vergessenheit entreißen. Eugen El hat sich ihre Werke und Lebenswege angesehen.

Ihre künstlerischen Temperamente treten sogleich hervor: Verspielt und imposant zeigt sich Ruth Cahn in ihrer Kohlezeichnung; skizzenhaft und schnell hält sich hingegen Rosy Lilienfeld fest. Erna Pinner unterdessen konzentriert sich auf eine dünne, entschiedene Kontur – dadurch wirkt ihr Selbstporträt schnell und dynamisch, während wir Amelie Seckbachs getragener, naturalistischer Selbstporträtplastik als Fotografie begegnen. Mit „Zurück ins Licht“ ist die neue Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt überschrieben, an deren Beginn Selbstporträts der einst überregional wahrgenommenen, von den Nazis wegen ihrer jüdischen Herkunft ermordeten oder ins Exil getriebenen Frankfurter Künstlerinnen stehen.

Von einem 1935 im „Frankfurter Israelischen Gemeindeblatt“ erschienenen Artikel über die vier Künstlerinnen ausgehend, rekonstruierte das kuratorische Team um Eva Sabrina Atlan ihre Lebenswege und Œuvres und brachte insgesamt 290 Exponate aus hauseigenen Beständen sowie nationalen und internationalen Privat- und Museumssammlungen zusammen. Cahn, Lilienfeld, Pinner und Seckbach ist jeweils ein Kabinett gewidmet, wobei die Räume ineinandergreifen und auf diese Weise Dialoge und Querverbindungen zwischen den biografischen und künstlerischen Wegen der Künstlerinnen zulassen.

Künstlerische Entdeckungen

Eva Atlans Team sind dabei wohl einige Entdeckungen gelungen. So sieht man in Frankfurt erstmals die gesammelten Werke von Rosy Lilienfeld (1896-1942). Überliefert sind bisher nur Zeichnungen und Druckgraphiken der in Auschwitz ermordeten Künstlerin, wenngleich eine Atelieraufnahme auch Gemälde zeigt. Lilienfeld illustrierte unter anderem literarischer Texte, und zwar nicht nur historische Vorlagen wie Edgar Allan Poes Kurzgeschichte „Der verlorene Atem“, sondern auch Kafkas „Verwandlung“. Sie bebilderte zudem Martin Bubers 1935 erschienene, zweisprachige Nacherzählung „Bilder zur Legende des Baalschem“ zum Leben des Begründers des Chassidismus.

Amelie Seckbach (1870-1944) begann erst spät, mit 52 Jahren, künstlerisch zu arbeiten. Zuvor wurde sie als Sammlerin asiatischer Kunst bekannt. Seckbach konnte als Malerin und Bildhauerin reüssieren. Sie wurde vom belgischen Künstler James Ensor gefördert, dessen Einfluss einige Arbeiten deutlich zeigen. Das Jüdische Museum zeigt erstmals auch im Ghetto Theresienstadt entstandene Werke Seckbachs. Dort starb sie 1944.

In sattes Grün lässt Ruth Cahn (1875-1966) den Betrachter ihrer detailverliebten Palmengarten-Gouache von 1924 eintauchen. Ebenfalls aus dem 1920er Jahren stammt das Gemälde „Frau im lila Kleid“, das eine elegante, unbeteiligt dreinblickende und doch sehr präsente Dame mit markanter Lippenkontur zeigt. Nur bruchstückhaft sind unterdessen Cahns Leben und Werk überliefert: Sie floh 1935 nach Chile und kehrte Anfang der 1960er Jahre nach Frankfurt zurück, ohne fortan künstlerisch in Erscheinung zu treten. Ihre sämtlichen bekannten Werke sind nun nach Museumsangaben in „Zurück ins Licht“ zu sehen.

Im Exil konnte auch Erna Pinner (1890-1987) die Schoa überleben. Ihre in den 1920er Jahren auf einer Weltreise entstandenen Tuschzeichnungen bestechen durch eine klare, feine Konturlinie, die die Bildkomposition auf das Nötigste reduziert. Nur gelegentlich greift sie zur Farbe. Pinner hält Orte und Landschaften in Afrika, Südamerika und dem Nahen Osten fest; die dort lebenden Menschen porträtiert sie mit einem offensichtlichen Interesse für das „Exotische“. Ihr besonderes bildnerisches Interesse gilt jedoch Tieren. Tierskizzen fertigte Pinner in den 1920ern auch im Frankfurter Zoo an. 1935 floh sie nach London und blieb dort bis zum Lebensende, vor allem als Illustratorin wirkend.

Die Stadt als Sujet

Frankfurt war für die Protagonistinnen dieser Ausstellung ein Ausgangs- und Schnittpunkt ihres Wirkens. Einigen war die Stadt auch ein geläufiges Sujet: Ikonische und wiedererkennbare Orte wie den Dom, den Eisernen Steg oder den Osthafen, aber auch eher unspektakuläre Straßenansichten hielt etwa Rosy Lilienfeld durchgehend monochrom und ausdrucksstark in Bleistift, Kohle und Kreide fest; Geradezu mediterran muten hingegen Ruth Cahns Aquarelle vom Eintracht-Sportpark im Riederwald und dem Bethmann-Weiher an.

Die kulturellen Adressen und Institutionen Frankfurts der 1920er und frühen 30er Jahre lassen sich im Jüdischen Museum anhand eines großformatigen Stadtplans nachvollziehen. Dass dort auch das Fotoatelier von Nini und Carry Hess verzeichnet ist, wo die künstlerische Crème de la Crème der Weimarer Republik ein- und ausging, ist ein schöner Wink: Erst im vergangenen Frühjahr widmete das Museum Giersch der Goethe-Universität den ebenfalls jüdischen Fotografinnen und vergessenen einstigen Protagonistinnen des Frankfurter Kulturlebens eine akribisch zusammengestellte Schau. Und erst kürzlich ging im Städel Museum eine Schau zu Ende, die sich der Wiederentdeckung der Malerin Ottilie W. Roederstein widmete. „Zurück ins Licht“ knüpft daran an und holt vier Künstlerinnen, die einiges verbindet und noch mehr trennt, aus der Vergessenheit.

Letzte Änderung: 11.12.2022  |  Erstellt am: 11.12.2022

Rosy Lilienfeld, Die Freude vertilgt die Wurzeln der falschen Wünsche  | © Foto: Jüdisches Museum Frankfurt

Zurück ins Licht.
Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege

25. November 2022 – 17. April 2023

Jüdisches Museum Frankfurt
Bertha-Pappenheim-Platz 1
60311 Frankfurt am Main

www.juedischesmuseum.de

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