Die Fläche ist ihr Raum
Auf dem Umweg und dennoch getroffen: Nach intensiven Lebens- und Ausstellungserfahrungen in New York City (1996-2012) stellt die Bildende Künstlerin Elke Albrecht mittlerweile auch deutschlandweit aus, regelmäßig in Berlin, Jena oder auch im Rhein-Main-Gebiet (Wiesbaden, Hanau). Achim Heidenreich besuchte Elke Albrecht jetzt in ihrem Atelier in Eisenach-Madelungen – wo es immerhin einen malerischen Dorfteich gibt.
Elke Albrechts haptische Malkunst wirkt unmittelbar. Im kompletten Verzicht auf jede im Betrachter evozierte Assoziationsmöglichkeit weist sie weit über deren im Wortsinn transparente Materialität – meist Graphitlinien in Kombination mit selbst kreierten, flächigen Farbschattierungen auf Leinwand –, ihre nur einfach scheinende, dabei zeitlich überaus differenzierte und aufwendige Art und Weise der Gestaltung hinaus. Sie erzählt nichts, und doch sind Ihre Gemälde diskursiv angelegt.
Achim Heidenreich: Was sich über Ihren mittlerweile sehr stattlichen und prominent international präsenten Werkkanon sagen lässt, frei nach Wittgenstein, findet sich nicht in biographistischen Krisenmetaphern, leeren Ewigkeitsversprechen oder platten Naturverwandtschaften, sondern einzig und allein in Ihrer mit jedem Werk erneut ausgeloteten, ausgelebt-stimmigen Form-Inhalt-Kongruenz.
. Dies jedoch stets als Prozess. Stimmt das?
Elke Albrecht: Es freut mich, dass Sie auf die Komplexität meiner Arbeitsweise hinweisen, denn diese steht beim flüchtigen Hinsehen im Widerspruch zur Unmittelbarkeit, die mir sehr wichtig ist und die ich mir bei meiner Arbeitsweise schleichend erarbeiten muss. Ich verwende Graphit, das ist richtig und Farben, die eine bestimmte Konsistenz haben müssen, um transparent zu sein. So fertige ich diese selbst an.
Bleistift auf Papier ist ja durchaus auch eine prominente Kombi.
Es ist ein wenig wie beim Kochen: Die Farbe trage ich besonders auf, der Rest ist ein Geheimnis. Von Schattierungen würde ich nicht sprechen, meine Leinwände sind grundiert, sonst würde die Farbe wegsacken. Wichtig ist aber, dass ich sehr bewusst auf Leinwand arbeite und nicht auf Papier. Eine graphische Ästhetik liegt mir zwar nahe, aber ich sehe mich tatsächlich als Malerin. So würde ich meine Arbeiten graphische skulpturale Malerei nennen.
Skulptural aber nicht gegenständlich, also abstrakt?
Ich arbeite aus vollster Überzeugung abstrakt, denn die Wahrnehmung meiner Welt ist auf den ersten Blick nicht gegenständlich und das ewige daran arbeiten, gibt mir das Gefühl, diese formen zu können. Ich mache Umwege und gehe zu weit, um mit den Hinterlassenschaften arbeiten zu können. Nach einem unbeschwerten Anfang, den ich mir bei jeder Arbeit leiste, geht es um Komprimierung, übrigens ein Wort, das mir am Herzen liegt. Also geht es vielleicht um die Komprimierung von Umwegen?
Immer wieder werden bereits zum Opus geronnen scheinende Arbeiten verworfen, ergänzt, übermalt, erweitert. Genau darin findet sich wohl Ihr Narrativ: Die eigene innere Korrespondenz mit ihren Gemälden im Hier und Jetzt auf der gleichen intensiven Diskurshöhe halten zu können und die Einladung an den Betrachter zu vermitteln, an dieser Korrespondenz mit ihr teilzuhaben. Natürlich arbeiten auch Sie sich am vorprogrammierten Scheitern an der Möglichkeit der Versöhnung im Kunstwerk, um Entfremdung aufzuheben, ab. Das ist bei Ihnen jedoch keine Sisyphusarbeit, scheint mir. Wenn Sie sich in Ihrem Schaffen bereits existierender Werken wieder zuwenden, dann kehren Sie nicht einfach zu einem „Früher“ zurück. Hier sind Sie, finde ich, als gewissermaßen Komponistin durchaus auf der Zeitachse unterwegs, jedoch von einer nun höheren Warte aus.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Oder doch? In New York habe ich das nicht-zu-früh-Aufhören gelernt und habe keine Angst Geschaffenes zu verlieren, bei dem geringsten Zweifel arbeite ich weiter. Ein unterstützender Sammler aus Santa Fe sprach davon, dass man sich als Künstler selbst überraschen sollte, das hat mir gefallen, dafür muss ich stets weitergehen.
Sie haben, finde ich, tatsächlich über die gezeichnet dokumentierte Reflektion von Moderne und Postmoderne eine Authentizität im Ausdruck Ihrer Kunst erreicht, die allenfalls nur noch geschmacklich diskutiert werden kann, nicht aber ästhetisch in ihrer Dringlichkeit und Triftigkeit in Frage steht, sondern auf unsere auch existentiellen Fragen sinnvoll antwortet. Vorrangig die nach der ablaufenden Zeit? Die fassen Sie fast schon seismographisch mit ihrer Technik der millionsten Linie. Zeit und Raum sind die Grundvoraussetzungen von Wahrnehmung. Das gilt zumindest für die Aufklärung. Die Fläche der Leinwand ist also ihr Raum?
Der klingt jetzt ein wenig “zu groß” für meine Arbeit, aber es gefällt mir. Erstmal aber ist die Leinwand die Begrenzung, denn um notwendige ausdrucksstarke Kompositionen zu schaffen, brauche ich die Begrenzung. Auch bin ich täglich unendlich dankbar, ein Medium zu haben, das zunächst nur mir gehört. Doch, natürlich stimmt es, dass die Aussage meiner Arbeit die Erfahrungen aller betrifft und dass die Aussage nicht nur oder überhaupt nicht auf der Fläche existiert.
Mit seriellen musikalischen Ansätzen teilen sie die Anschauung einer Spiralförmigkeit der Zeit, die es tatsächlich erlaubt zurückzukehren, allerdings entwickelter. Auch bei Ihnen kann jedes Detail ihrer Werke als Zentrum des Ganzen stehen. Bei Karlheinz Stockhausen hieß das „Momentform“. Schaut man bei Ihnen auf den ganzen Werkkanon ebenso intensiv wie auf die kleine Fläche eines Bildes (erst jetzt fällt der Begriff), dann kann sogar von einer fraktalen Ordnung gesprochen werden, dass nämlich im Mikrokosmos die gleich Struktur Zusammenhang stiftet wie im Gesamten.
Darin finde ich mich tatsächlich wieder. Bei mir geht es immanent darum, den Moment festhalten zu wollen und damit der vergehenden Zeit, von der ich allerdings sehr viel brauche für ein Werk, ein Schnippchen zu schlagen. Nichts ist für die Ewigkeit.
https://www.elke-albrecht.com/
Letzte Änderung: 09.01.2024 | Erstellt am: 15.12.2023
Elke Albrecht
1991 – 1996 Studium an der Hochschule für Kunst und Design Halle Burg Giebichenstein
1996 Stipendium der Stiftung Kunstfonds
1996 – 2012 lebt und arbeitet in New York City
2005 – 2010 Aufbaustudium an der Art Students League of New York und
an der National Academy School of Fine Arts Zeichnung/Malerei bei Nicki Orbach
2008 – 2012 vertreten durch die Galerie OK Harris Works of Art, New York City
seit 2012 lebt und arbeitet bei Eisenach und bei Berlin
2013 vertreten auf der ART fair Köln
2014 vertreten auf der ART Karlsruhe
seit 2014 vertreten durch die Galerie Huber & Treff, Jena
2015 Stipendium der Pollock – Krasner Foundation of New York
2018 Leitung der Meisterklasse „Abstrakte Malerei“ der Sommerakademie Kloster Irsee
2020 Lehrauftrag (PW) an der Universität Erfurt im Fachbereich Kunst
2020 Publikation des Kataloges „Elke Albrecht – Paintings“
2022 Stipendium NEUSTART KULTUR der Stiftung Kunstfonds