Philosophie der Nische

Philosophie der Nische

Leon Joskowitz und Geräuschlabor
Leon Joskowitz | © Michael Faust

Die „Philosophie der Nische“ besteht aus 30 Aphorismen, in denen der Philosoph Leon Joskowitz seine Gedanken zur Kultur und der Möglichkeit einer besseren Zukunft weiterentwickelt. Die Performance wird am 24. Februar 2024 live uraufgeführt. Den Vortrag übernimmt der Autor Leon Joskowitz. Die Musik kommt von Geräuschlabor (Max Mahlert & Tomek Witiak). Die Performance findet anlässlich der Finissage der Ausstellung Statua des Künstlers Urban Hüter in der Heussenstamm Galerie statt.

Leon Joskowitz: Philosophie der Nische

1
Die Nische ist immer da. Alles, was sichtbar
wird, muss durch die Nische.
Die Nische ist der Übergang vom Nichts ins
Dasein. Und umgekehrt zeigt die Nische den
Weg in die Leere an.

2
Die Nische ist der Raum dazwischen. Sie ist
immer kleiner als die Dinge in ihrer Umgebung.
Sie kann nur als das Kleinere existieren. Die
Nische braucht das Große nicht, sie scheut es
nicht, sie ist unbeteiligt. Ihre Existenz ist
unvermeidlich, deshalb hat sie keine Sorge.
Die je besondere Nische, der Spalt zwischen
Bordstein und Gehweg, der Trampelpfad, der
Verlag, die Barmherzige, sie vergehen. Die
Möglichkeit, dass es anders sein könnte, dass
es anders wird, bleibt. Die Nische ist Hebamme
und Ort der Geburt. Sie ist Anfang und Ende,
flüchtiger als ein Moment, immer schon
vergangen, sprießt und blüht sie an
unerwarteten Orten neu hervor.

3
Die Nische zeigt sich, wenn sie es will. Man
kann sich für sie empfänglich machen, mehr
nicht. Sie ist ein Schatten, ein Tor, eine
Verrückung, ein Kosmos im Kleinen. Sie bringt
die Dinge ins Licht, aber ihre Gesetze sind nicht
durch das Positive zu bestimmen. Die Negation
freilich geht ins offene Blau und verschwimmt.
Wolken ohne Ränder. Tonleitern ohne
Sprossen. Ahnung von Unendlichkeit.

4
Die Nische lohnt sich nicht. Sie bleibt dem
Markt äußerlich und entzieht sich seines
Zugriffs. Füllt sie sich doch, verliert sie ihren
ursprünglichen Charakter, vergeht und taucht
andernorts neu auf. Darin ist die Nische
Störenfried. Deshalb verachtet der Markt die
Nische. Die Nische transportiert das
Kommende, sie zeigt an, dass auch unsere
Gesellschaft nur Übergang ist. Sie ist
zukunftsoffen, sie nimmt vorweg und erscheint
nach eigenem Gesetz.

5
Die Nische ist autonom. Darin liegt ihre
Herausforderung, ihr Stolz, ihre
Selbstverständlichkeit. Ihr Gesetz kommt aus
dem Inneren, wir sehen bloß die
Erscheinungen, schmeißen uns Ihnen
entgegen, stürzen auf sie zu wie auf Essbares.
Zu schnell im Urteil, zu schnell im Handeln, zu
schnell im Sein. Wie aufgezogene Uhren spulen
die Menschen ihr Programm ab und verlieren
den Blick für den Leerraum zwischen den
Dingen.
MA.
Zwischen den Tönen, unter den Platanen, am
Rand von schwarzen Löcher. Wo man auch
hinschaut: Nischen.

6
Die Nähe zum Nichts teilt die Nische mit dem
Tod. Beide gehen sie dem Begreifen der Welt
voraus, übersteigen den menschlichen
Verstand, bringen Übergang und Verwandlung.
Die Nische setzt uns auf ihre Spur, in ihr wird
etwas sichtbar, was zuvor noch nicht war, sie
bietet Raum und Milieu, ist Keimzelle, Spross
und erstes Blatt.

7
Die Nische ist überall. Leise zwischen den
Gedanken, unter Wasser kaum bekannt, ein
Ort zum Laichen. Das Ei selbst ist Nische,
Hauch, fragil, unersetzlich, sich selbst genug,
Nahrung, Ende und unendlicher Anfang.
Jede Nische kennt ihrerseits eigene Nischen, ist
selbst das Große für noch Kleineres. Diese
kaskadenförmige Struktur der Nische erklärt
ihr Potenzial zur Wandlung. Darin ist sie
Unterschlupf, Versteck und Geheimnis. Daher
auch ihr schlechter Ruf, ihre Randlage und ihre
klandestine Natur, ihre Nähe zu den Schatten,
dem Dunklen und Feuchten. Deshalb macht sie
Angst, wird gemieden, gesäubert, dem Blick
entzogen und bleibt häufig verstellt.

8
Aus der Nische quillt das Neue hervor. In der
Nische kommt es zur Welt. Das Woher bleibt
im Dunklen, die Tatsache selbst ist für jede/n
sichtbar.
Es schlüpft. Aus dem Unsichtbaren ins
Sichtbare treibt es seine Kassiber wie der
Giersch. Kleiner als Millimeter, mit bloßem
Auge nicht zu erkennen, zu langsam und
gleichförmig geschieht die Bewegung, wie
Haare und Kinder, so die Pflanzen und die
Großen auch. Mit einem Wort: Wachstum.
Fortwährend, ohne Anfang, nur Werden und
Lachen und Glück. Bis es bräunt; welkt, im
Kalten seine neue Heimat findet und darbt bis
es endlich zerfällt. So unmerklich wie der
Anfang auch das Ende.

9
Die Nische macht sichtbar, was zuvor
verborgen war. Selbst wesentlich
Konstellation, Blick und Verhältnis, scheint sie
weder der Ausdehnung zu bedürfen noch einer
festen Gestalt. Als Zeugin des ganz Anderen -
des Nichts oder der Leere – bleibt etwas an der
Nische dem menschlichen Geist (äußerlich
und) unzugänglich. Sie säumt die Ränder des
Uneinsehbaren, vernäht das Nichts aus
Schatten und Licht.
Diesen Nähten gilt die Aufmerksamkeit. Als
Leerstelle zwischen zwei Tönen, als Bedingung
von Schönheit wie von Wandung wird sie
vernehmlich, verschwindet darin, ist anwesend
und abwesend zugleich, schweigt uns an, lacht
aus den Weiten der Unendlichkeit, lacht uns
aus, lächelt und sinkt zurück ins Verborgene
sobald an Zugriff nur gedacht wird.
Die Nische markiert Gegenwart und
Individuum, um auch sie wieder loszulassen.

10
Auf den ersten Blick scheint die Nische
nebensächlich und keiner weiteren
Betrachtung wert.
Verweilt man hingegen einen Augenblick zu
lange bei der Frage nach der Nische, lernt gar
sich in ihr aufzuhalten, wird offenbar, dass das
moderne Verständnis des Lebens und auch die
Chance auf eine bessere Zukunft an der Nische
hängen wie an einem seidenen Faden.
Während die Angst vor der Zukunft und den
Blick auf die Nische großflächig verstellt, folgt
die Nische ihren eigenen Gesetzen. Sich für
ihre Existenz empfänglich zu machen, ist schon
viel.

11
Einst fand die Nische im Tempel eine bauliche
Funktion, und so entbehrt es nicht einer
gewissen Ironie, dass die Nische im Kontext
der Lehre von der Evolution ins europäische
Denken einzog. Die Nische als
evolutionsbiologische Idee erlaubt es, einem
allmächtigen Schöpfergott auszuweichen.
Dessen absolute Gestaltungsmacht war mit
dem neuzeitlichen Blick auf die Natur nicht
mehr vereinbar. Die Nische bot einen Ausweg.
Sie schuf Platz, sprengte die Statik, betonte das
Eigenrecht der Schöpfung und die Schönheit
der Differenz. Sie befreite (und befreit) das
Leben aus den Händen Gottes und macht die
schöpferische Entwicklung zum Prinzip, das bis
heute fortwirkt.

12
Der Markt verstellt den Blick auf die Nische. Er
weiß zu nutzen, was in der Nische sichtbar
wird, aber er duldet keine anderen Gesetze
neben sich. Die Nische geht dem Markt voraus
und überdauert ihn, deshalb fürchtet und
verachtet er die Nische. In ihren
Eigengesetzlichkeiten bleiben sie einander
fremd und unvereinbar. Nische und Markt,
Peripherie und Zentrum. Reziprok und ungleich
in ihrer Macht dominiert der Markt das
Sichtbare, wirkt die Nische im Verborgenen.
Der Markt ist menschlich, seine Gesetze sind
im Dienste ökonomischer und politischer
Mächte kodiert. Ohne Geheimnis. Die Nische
ist gar nicht, bloß leerer Raum, MA, eine Spur,
ein Spalt, Öffnung. Sie verändert den Einfall
des Lichts, bringt zur Erscheinung, was vom
Markt gesehen, geprüft, angeeignet oder
verworfen wird.

13
Die Aufmerksamkeit für die Nische ist Hingabe.
Ein Lauschen ohne Ziel und Linearität, bloße
Nähe zum Ton und stete Verbeugung vor Ohr
und Trommelfell. Das letzte bisschen Haut,
dünner als Papier, trommeln Hammer und
Amboss für uns den Takt der Welt. Dort ist zu
warten, zu lernen, sich aufzuhalten, geduldig,
ohne Hast, jedem Stühlerücken seine
Schönheit, jeden Laut als Ereignis lieben, nicht
weil er schön ist, oder nicht lieben, weil er
hässlich ist, sondern weil er Leben ist, mehr als
nichts und darin alles.

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Still werden, lauern auf Nichts. Dann wird die
Nische merklich und zeigt sich in ihrer
unendlichen Spontanität und Plötzlichkeit.
Diesen Zustand abwarten, sich mit ihm
vertraut machen, ohne Ziel, ohne Zweck, darin
dem ästhetischen Bewusstsein wie der inneren
Ruhe zuträglich, führt die Aufmerksamkeit für
die Nische zu neuen Erkenntnissen. Hier wird
Hoffnung produktiv und wandelt sich in
Zuversicht.
Dass dieser Prozess langsam ist und eine
politische Revolution damit nicht zu machen
scheint, spricht nicht gegen die Nische,
sondern ist Einflüsterung und Blendung eines
Systems, das bereits ums Überleben kämpft.

15
Der Schlaf ist selbst Nische, ferne Erinnerung
an die Tag- und Nachtgleiche. Darin der Traum.
Er folgt unbeirrbar seinen eigenen Gesetzen,
geht Raum und Zeit voran, ist unser eigener
Hermes, Bote des Inneren, Zeuge einer
unverbrüchlichen Vielheit und der
Uneinsehbarkeit von Gut und Böse.

16
Exkurs über den Garten: Das stoische Denken
betrachtet den Garten als Insel, Exil und Ort
der inneren Emigration. Refugium und Nische
kann der Garten dort sein, wo er in seiner
Eigengesetzlichkeit erkannt und unterstützt
wird. Trotz Mangel an sprachlichem Vermögen
ist den Pflanzen abzulesen, was sie brauchen,
um a) wohl zu gedeihen, b) gut auszusehen
und c) darin wie auch im Darbringen von
Früchten den Menschen zu dienen. Ein
gegenseitiges Dienen ohne Führung. Ein
Umgang, der ästhetisch beginnt und im
praktischen, der Gesundheit, endet.

17
Die OADE1 ist eine Nische als soziale Skulptur
und green cube. Ein Ort an dem das erste
1 Die OADE ist eine soziale Skulptur, ein temporär künstlerisch
nutzbar gemachter Garten, ein Akronym für Open Air Distance
Exhibition.
Gesetz nicht gilt. Es gibt dort kein Eigentum,
keinen Besitz, keine Ansprüche, die sich aus
Urkunden und Vertragsverhältnissen herleiten.
Alles wird dort neu verhandelt, ist Übergang,
flüchtig, vergänglich.
Lernen, sich nicht zu verbeißen. Keiner
Entscheidung trauen als der ästhetischen
Intuition. Intuitiv handeln, keine Angst davor
zu verlieren, immer auf dem Absprung. Die
Wurzel mit ausreißen, wenn es sein muss;
sonst gar nicht reißen. Mit den Dingen
mitgehen, ihren Bewegungen folgen, sie
aufgreifen, unterstützen, lenken. Den Raum
zwischen den Pflanzen aufsuchen, dort ist
Schatten und Schutz.

18
Die größte Nische ist der Planet selbst.
Biosphäre, Wohnstätte, Heimat. Hier ist Leben,
Tag und Nacht, Aktivität und Bewegung des
Inneren, Neugier, Wille, Trieb und Sehnsucht.
Jenseits geht der Blick in eine wüste Weite,
unbekannte Dimensionen, ein Aufflackern, ein
Schlingern, eine Ahnung vom Kreis. Darin das
Glück der Nische und die bange Frage, ob der
unendliche Rest, ob auch das Universum selbst
nur Nische für das Kommende ist?

19
Schlüpfen. Ein Weg in die Nische, Unterschlupf
finden, ohne sich zu unterstellen. Keiner gibt in
der Nische Befehle. Wenn der Ton ihr nicht
passt, verschwindet sie, löst sich auf. Ein
harsches Wort und Kaskaden stürzen, wie
Theben, die hängenden Gärten, Eden. Selbst
die Erinnerung, noch die allererste, ist der
Nische schon äußerlich. Es gibt sie oder nicht,
sie hat nur Existenz, aber keine Zeit, keine
Vergangenheiten, keine Zukünfte. (Chronos ihr
zu entreißen war Gewalt.)

20
Nichts ist kleiner als die Nische. Die Nische ist
schon klein, ein Winkel, ein Tisch im altem
Gebälk, zwei Gläser breit, zwei Münder Lust.
Voll vom Erzählen und dem Suchen nach Garn.
Mit den Fingerkuppen über die Nähte
streichen wie über liebgewonnene Narben, die
vom Sturz erzählen. An den Nähten ansetzen,
wie die Dinge zusammenhängen, was was
bedingt, bewirkt, beeinflusst, verursacht und
braucht oder will und kann. Immer in
Beobachtung bleiben, sich als Tier beobachtet
fühlen. Und diese Beobachtung, Objekt wie
Subjekt, loslassen, zurück zum Übergang.
Grenzgängerin sein, licht und leicht.

21
Wenn sich die Nische überhaupt vergleichen
lässt, dann mit dem Gedicht. Konstellativ,
flüchtig, auf dem Markt fehl am Platz. Nicht zu
verkaufen, weder Teil einer Kette noch
Endpunkt. Auch kein Anfang, am ehesten noch
das. Etwas Neues. Nach eigenem Gesetz,
eigener Logik in die Welt gebrachtes. Eine
Neusortierung des Alten, Umordnung, wie
Reiseliteratur, die lügt und darin die
Möglichkeit berührt von einem ganz anderen
Ort, einem ganz anderen Gefühl zu berichten.

22
Das Kunstwerk ahmt die Nische nach. Dies
gelingt, wenn ihm der Kippmoment der Nische
innewohnt. Die Wahrnehmung wird eine
andere, die Berührung verdichtet sich zu
einem Gedanken, eine Perspektive oder ein
Urteil stellen sich ein. Im Gegensatz zur Nische
als Ur, als natürliches Phänomen, ist das
Kunstwerk gemacht. Ein Mensch hat es
hergestellt. Darin bleibt es der Nische
äußerlich und muss doch etwas von ihr
bewahren, um als Kunstwerk zu gelingen.

23
4’33’‘

24
Die Nische überrascht. Sie ist die Nacht, die
zum Tag führt und der Tag vor der Nacht,
knüpft an, wird verschlungen und ausgespuckt.
Eines nicht ohne das Andere gehört die
Täuschung dazu. Unklar bleibt, wer sich vor
wem versteckt. Der Tag vor der Nacht oder
andersherum. In gegenseitiger Vernichtung
verschlungen. Inbegriff von Negation. Kein
Ende in Sicht, scheint das Kommende
unerschöpflich und bringt Unendlichkeit ein.
Nacht und Tag, Farben, denen das Menschliche
nachgebildet wurde, wie Schatten und Feuer.

25
Die Nische ist der abgelenkte Blick, die
Erinnerung daran, aufrecht zu sitzen, ein
Mensch, ein Winken, Musik, die plötzlich laut
wird, ein vorbeifahrendes Auto, mit dem man
nicht gerechnet hat. Die Nische ist so wenig
berechenbar wie das Flackern der
Straßenlaterne, der Zufall oder ein Geruch, der
problemlos Jahrzehnte vernäht. Sie ist das
Knirschen des Zuckers, der sich im Çay nicht
ganz aufgelöst hat, sie ist der Kolibri und die
Hoffnung, er wie der Panda mögen noch lange
leben. Die Nische kommt und geht, aber sie
wird nicht. Sie transportiert das Kommende.

26
Die Nische zeigt sich als Übergang und
Aufmerksamkeit. Sie kann nicht antizipiert
werden, weil die Gesetze ihres Erscheinens nur
im Nachhinein, durch die Betrachtung dessen,
was in der Nische sichtbar geworden ist,
bestimmt werden können. Darin ihr zufälliges
Moment. Deshalb bleiben ihre Gesetze (wenn
es denn welche geben sollte) uneinsichtig. Im
Grunde ist unklar, ob es überhaupt Gesetze
dort gibt.

27
Ohne die Nische ist keine Bewegung, keine
Transformation. Die Nische ist der Raum, in
dem die Zeit ihren nächsten Schritt macht.
Dank der Nische kann der Pfeil des Zenon sein
Ziel erreichen. Darin ist sie Eingang für das
Neue und Ausgang für das Alte. Während das
Neue plötzlich auftritt, verblasst letzteres
langsam, ist selbst der Boden, der Hintergrund,
vor dem das Neue den Raum einnimmt. Die
Haltbarkeit des Alten unterscheidet sich nach
Qualität und Status. Ein Haus ist stabiler als ein
Blick, die Gesetz überdauern ihre Institutionen,
die Sprache muss gesprochen werden und
Hörerinnen finden. Das Schnellste ist der
Wandel selbst, er ist außerhalb der Zeit.
Deshalb ist immer alles möglich.

28
Der Philosoph Joseph Schelling hat versucht
der Nische mit der Rede vom nie aufgehenden
Rest beizukommen. Der Rest geht nie auf,
sonst wäre er nicht der Rest. Diese
Selbstgenügsamkeit, geschult an der kindlichen
Schau der Tautologie, hat nicht verfangen.
Unser jugendlicher Idealismus hat den Kampf
der Weltanschauungen verloren. Er hat auch
nie versucht, ihn um jeden Preis zu kämpfen,
weil eben nicht jedes Mittel Recht ist.
Heute ist die Nische fast völlig verstellt. Alles,
was nicht aufgeht, wird unter der
heimtückischen Formel noch nicht subsumiert,
an die Wand gestellt und (in Abwesenheit) zur
Erkenntnis durch den Menschen verurteilt.
(Erschießung später.)

29
Wilde Tiere, die in der Stadt leben, wie
Libellen, Igel oder Mäuse, zeigen den Weg in
die Nische an. Sie werden erst sichtbar, wenn
ihnen keine Gefahr droht, dann begeben sie
sich auf die Naht, berühren die menschliche
Welt, tauchen auf und ab, zeugen von der
kaskadenartigen Struktur, von Kaleidoskopen
durch die alle gleichzeitig schauen, und die ich
der Einfachheit halber Leben nenne.

30
Warum Menschen ihre Nische als Zentrum
missverstehen und die Offenheit für die
Nischen der Anderen verstellt ist, warum die
Freude am Wandel getrübt ist – wo unsere
Kinder täglich neu laufen und sprechen lernen,
bleibt rätselhaft.
Würden wir uns endlich nicht mehr als Ziel der
Natur missverstehen, sondern beginnen uns
mit unserer individuellen und kollektiven
Vergänglichkeit anzufreunden, uns als Teil
einer unendlichen Bewegung zu begreifen,
dann wäre der Blick auf die Nische frei und
Evolution wie gesellschaftliche Entwicklung
wieder möglich.
Die Evolution einer neuen Art darf dabei als
geglückte Utopie gedacht werden. Als Nische,
die sich füllt und Raum für neue Nischen
schafft.

Letzte Änderung: 15.02.2024  |  Erstellt am: 11.02.2024

Leon Joskowitz und Geräuschlabor
(Tomek Witiak Guitar / effects, Max Mahlert Drums)

Uraufführung
24. Februar 2024, Einlass 18 Uhr

Heussenstamm – Raum für Kunst und Stadt
Braubachstraße 34
60311 Frankfurt am Main

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