Frankfurter Naturkunden: Luchse

Frankfurter Naturkunden: Luchse

Lesung und Gespräch der Frankfurter Bürgerstiftung
Kupferstich als Erinnerung an den letzten Luchs im Harz aus dem Jahr 1818 | © Historischer Kupferstich, Archiv Luchsprojekt Harz

Auch wenn man ihn so gut wie nie zu Gesicht bekommt, kann es in immer mehr Waldregionen passieren, selbst von einem Luchs beobachtet zu werden. Der Luchs zieht es vor, im Verborgenen zu bleiben, im Dickicht der Natur, in den Tiefen kulturgeschichtlicher Archive. Er bevölkert nicht - wie Bär und Wolf - Kunst und Literatur. In Erscheinung aber tritt der Luchs immer dann, wenn sich die europäische Zivilisation mit ihren Selbstwidersprüchen konfrontiert sieht - in Krisenmomenten und Schwellenzeiten wie der Renaissance oder der Aufklärung. So ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass der Luchs, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa so gut wie ausgerottet war, gerade jetzt in unsere Wälder und Wahrnehmung zurückkehrt, während eines vom Menschen verursachten Artensterbens ungeahnten Ausmaßes.

Seine Augen funkeln im Dunkeln. Deshalb nannten ihn die alten Griechen „Lynx“, den Funkler. So nennen auch die heutigen Biologen den Luchs, der hierzulande ausgerottet war. Im Jahr 2000 wurden 24 Luchse im Harz ausgewildert. Mittlerweile ziehen ihre Nachkommen auch durch Nordhessen und Thüringen. Im Januar vorigen Jahres wurde eine ganze Luchsfamilie im Reinhardswald gesichtet, im Mai 2023 ebendort ein Luchs aus zehn Meter Entfernung aus einem Auto heraus gefilmt. Markus Port von der Universität Göttingen ist ihnen auf der Spur. Am 24. Januar, wenn die Luchse auf Brautschau sind, wird uns der Verhaltensbiologe berichten, wie es den Luchsen in Nordhessen und in Thüringen/Eichsfeld geht. Der Luchs hat auch Spuren in der Kulturgeschichte hinterlassen: etwa in der römischen Akademie der Luchsartigen, der oder auf Goyas berühmtem Bild „Der Traum der Vernunft gebiert Monster“. Wie wir das Wilde in Gestalt des Luchses verdrängt und sublimiert haben, darüber hat der Literaturwissenschaftler Bernhard Malkmus ein Buch in der „Naturkunden“-Reihe des Matthes & Seitz Verlags geschrieben. Der Schauspieler Matthias Redlhammer wird aus dem Buch „Luchse“ lesen und wie Goethes scharfsichtiger Türmer Lynceus die Augen des Luchses funkeln lassen.

Dr. Markus Port, geboren und aufgewachsen in Nordhessen (Landkreis Kassel und Werra-Meißner-Kreis), studierte Biologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Nach seinem Diplom erfolgte dort die Promotion zur Verhaltensökologie des Rotstirnmakis (Eulemur fulvus rufus). Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter (Postdoc) an den Universitäten Cambridge und Exeter (Großbritannien) sowie 2014-2021 Leiter des Luchsprojektes der Georg-August-Universität Göttingen. Seit 2021 ist der Biologe Projektkoordinator „Luchs Thüringen. Europas Luchse vernetzen“ des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Thüringen.

Matthias Redlhammer, geboren 1957 in Köln, wollte eigentlich Gärtner werden. Er arbeitete im Orchideenhaus des Frankfurter Palmengartens, begann aber 1979 eine Schauspielerausbildung in Bochum. 1981 schloss er sich dem Ensemble des dortigen Schauspielhauses an, von 1986 bis 1990 arbeitete er am Wiener Burgtheater, danach bis 1992 am Berliner Schillertheater. Als freier Schauspieler gastierte er unter anderem am Thalia Theater Hamburg und ging 2010 wieder in Bochum unter Vertrag. Er war in „Tatort“-Folgen und mit „Schimanski“ unterwegs. Seit 2017/18 ist er Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt, wo er am 16. März 2024 als König Philipp in Schillers „Don Carlos“ Premiere hat.

Bernhard Malkmus zeichnet als scharfsichtigem Beobachter in seinem Portrait des Luchses eine faszinierende alternative Geschichte unserer Kultur nach. Anhand von Dokumenten von der Antike bis zur Gegenwart, von Galilei, Goya und Lévi-Strauss, wird der Luchs als kluger Kenner des Menschen lebendig, der uns dazu einlädt, den Zusammenhang zwischen Naturvernichtung und instrumenteller Vernunft im Zeitalter des Anthropozäns zu reflektieren. Seine Wiedereinbürgerung stellt uns die lange verdrängte Frage, inwieweit wir uns selbst wieder ein Stück auswildern müssen, um uns als Bürger der Biosphäre bewähren zu können.

Letzte Änderung: 11.01.2024  |  Erstellt am: 11.01.2024

Frankfurter Naturkunden: Luchse

Lesung und Gespräch mit Dr. Markus Port und Matthias Redlhammer

MI, 24. Januar 2024 – 19.30 Uhr

Holzhausenschlösschen
Justinianstraße 5
60322 Frankfurt am Main

Eintritt frei, freie Platzwahl. Über die Mediathek der Website wird am Veranstaltungstag ein kostenfreier Livestream der Veranstaltung angeboten.

Konzeption: Claudia Schülke

www.frankfurter-buergerstiftung.de

Luchse -Ein Portrait | © Historischer Kupferstich, Archiv Luchsprojekt Harz

Bernhard Malkmus Luchse -Ein Portrait

Herausgeber: Judith Schalansky. Illustration: Pauline Altmann. Umfang: 143 Seiten

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