Zum 3. Jahrestag des rassistischen Attentats in Hanau
Zum dritten Jahrestag des rassistischen Attentats in Hanau eröffnet im Hanauer Rathaus die Ausstellung "Hanau 19. Februar 2020 – Drei Jahre Erinnerung und Aufklärung", die vom 1. Februar bis 18. März 2023 zu sehen sein wird. Dort werden nochmals Teile der Ausstellung "Three Doors – Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" des Frankfurter Kunstvereins präsentiert: Die Untersuchungen von Forensic Architecture/Forensis zum Notausgang und zum Polizeieinsatz, eine Übersicht zu den Ereignissen in der Tatnacht, Berichte über die Kämpfe der Angehörigen und Überlebenden in den Jahren danach und zehn neue vom Frankfurter Kunstverein produzierte Filme, in denen die Aussagen der Familien und Überlebenden vor dem Hessischen Untersuchungsausschuss in eindrucksvoller und berührender Weise zugänglich gemacht wurden. Mit der Ausstellung "Three Doors" war der Frankfurter Kunstverein über drei Monate ein Forum kollektiver Wahrheitsfindung, ein öffentlicher Ort der Debatte, der in der breiten Öffentlichkeit und in der Politik etwas in Bewegung gebracht hat. Jede und jeder von uns muss weiterhin seinen Teil dazu beitragen, um Rassismus zu bekämpfen.
VORTRAG VON FORENSIC ARCHITECTURE UND FORENSIS
Eyal Weizman (Forensic Architecture/Forensis), Dimitra Andritsou (Forensis) und Robert Trafford (Forensic Architecture) erläutern in diesem Vortrag ihre Praxis und stellen neue Untersuchungen vor, die zum ersten Mal im Frankfurter Kunstverein und danach im Haus der Kulturen der Welt in Berlin in der Ausstellung Three Doors präsentiert wurden. Ihre Erkenntnisse zu den offenen Fragen über das rassistische Attentat vom 19. Februar 2020 in Hanau werden im Vortrag der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.
Forensic Architecture ist eine 2011 gegründete Rechercheagentur, die dank digitaler und investigativer Methodiken und Technologien Spuren der Gewalt durch Unternehmen und staatlicher Gewalt untersucht. Forensic Architecture arbeitet ausschließlich für zivile Opfer, NGOs und unabhängige Vereine. Die künstlerische Arbeit des Kollektivs setzt wissenschaftliche, technologische und juristische Forschungsweisen und Techniken ein. Forensis ist die in Berlin ansässige Schwesterorganisation von Forensic Architecture, die gegründet wurde, um deren Methoden in einen deutschen Kontext zu übertragen.
Links zu den Untersuchungen von Forensic Architecture/Forensis zum rassistischen Terror-Anschlag in Hanau:
Der Notausgang
Der Polizeieinsatz
PODIUMSDISKUSSION
WIE RADIKALISIERT SICH DIE MITTE?
HANAU, DER RECHTSTERRORISMUS UND DIE MEDIEN
Der Täter von Hanau war Akademiker, hat an einer Elitefakultät studiert, war Mitglied in einem Münchener Traditionsverein, wuchs im Reihenhauseigentum auf und besaß einen Mittelschichthintergrund. Wie radikalisiert sich jemand aus der Mitte der Gesellschaft heraus zum Rechtsterroristen – wirklich nur übers Internet? Welche Rolle spielen Vorbilder für die Täter:innen neuen Typs? Und welche Verantwortung tragen die klassischen Medien, von SPIEGEL bis BILD? Wie tief ist Rassismus tatsächlich in der Mitte der Gesellschaft verankert?
Gesprächspartner:innen:
Sheila Mysorekar, Vorstandsmitglied der Neuen Deutschen Medienmacher und Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen (ndo)
Martín Steinhagen, Journalist („Rechter Terror. Der Mord an Walter Lübcke und die Strategie der Gewalt“)
Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin, Expertin für Rechtsextremismus und die Neue Rechte
Moderation: Dietrich Brants, SWR2
PODIUMSDISKUSSION
ÜBER SIEBEN MONATE UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS ZU HANAU
EINE ERSTE ZWISCHENBILANZ
Am 21. Juli 2022 trafen sich die Angehörigen der Opfer des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020 in Hanau und die Initiative 19. Februar Hanau im Frankfurter Kunstverein und teilten ihre Erfahrungen und Einschätzungen zum bisherigen Verlauf des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Welche Fragen zum Polizeiversagen vor, während und nach der Tatnacht sind noch offen? Und warum werden diese nicht beantwortet? Welche Rolle spielen dabei Behörden, die ihren Aufgaben nicht nachkommen und Politiker:innen, die nicht kritisch genug nachfragen? Mögliche Antworten finden Sie in der Videoaufnahme der Veranstaltung.
Gesprächspartner:innen:
Hagen Kopp, Sprecher der Initiative 19. Februar Hanau
Niculescu Păun, Vater des ermordeten Vili-Viorel Păun
Emiş Gürbüz, Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz
Çetin Gültekin, Bruder des ermordeten Gökhan Gültekin
Newroz Duman, Sprecherin der Initiative 19. Februar Hanau
PODIUMSDISKUSSION
BEKÄMPFEN ODER VERWALTEN – WAS TUT DER STAAT GEGEN RECHTSTERRORISMUS?
Der Notruf nicht erreichbar, ein Notausgang verschlossen, ein Täterhaus, das erst Stunden nach der Tat gestürmt wird – überall, wo beim rassistischen Anschlag von Hanau Behördenversagen im Raum steht, scheint die staatliche Aufarbeitung zu stocken. Die Frage, was der Staat gegen Rechtsextremismus tut, ist in Deutschland leider auch immer die Frage, was er nicht tut. Warum enden Ermittlungsverfahren, bevor eine Tat wirklich aufgeklärt ist? Warum haben die Sicherheitsbehörden rechtsextreme Gewalttäter:innen manchmal gar nicht auf dem Schirm? Und was müssen Polizei, Justiz und Geheimdienste nach Hanau unbedingt anders machen?
Gesprächspartner:innen:
Heike Kleffner, freie Journalistin und Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
Armin Kurtović, Vater des Verstorbenen Hamza Kurtović
Matthias Quent, Rechtsextremismusforscher und Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal
Moderation: Dr. Max Bauer, Südwestrundfunk
PODIUMSDISKUSSION
HANAU ALS ZÄSUR – WAS HAT DER ANSCHLAG VERÄNDERT?
Nach dem 19. Februar 2020 setzen Trauer, Mitgefühl und Entsetzen ein. Dennoch trifft der rassistische Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen – Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili-Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin – ermordet wurden, nicht alle gleichermaßen. Für einen Teil der Gesellschaft markiert er eine Zäsur. Wie viel Angst haben heute noch diejenigen, die damals dachten: „Das hätten wir sein können“? Wie steht es um das oft schon brüchige Vertrauen der migrantischen Communitys in die Behörden?
Gesprächpartner:innen:
Saba-Nur Cheema, Politikwissenschaftlerin, Antirassismus-Trainerin
Özlem Gezer, „Spiegel“-Journalistin, Co-Autorin der „Hanau-Protokolle“
Dr. Cihan Sinanoğlu, Soziologe, Leiter des Nationalen Rassismusmonitors
Moderation: Philine Sauvageot, Südwestrundfunk
PODIUMSDISKUSSION
ERINNERUNG UND AUFKLÄRUNG: NSU, DESSAU, HALLE, HANAU – DIE KÄMPFE DER ANGEHÖRIGEN UND ÜBERLEBENDEN
Zum Abschluss der Ausstellung Three Doors diskutierten Angehörige von Opfern rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie Überlebende und Unterstützer:innen über ihre Erfahrungen und Perspektiven im Kampf um Erinnerung und Aufklärung.
Gesprächspartner:innen:
Gamze Kubaşık, Tochter von Mehmet Kubaşık, der am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU ermordet wurde
İsmet Tekin, Überlebender des antisemitischen und rassistischen Anschlags von Halle und Wiedersdorf
Mouctar Bah, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Çetin Gültekin, Bruder des ermordeten Gökhan Gültekin
AUDIO DOKU-SERIE
DIE LÜCKE VON HANAU
IN DER SWR2 UND ARD-MEDIATHEK
Die sechsteilige Doku-Serie Die Lücke von Hanau des SWR2 entstand mit einem Verständnis journalistischer Tätigkeit, das vertieft informieren und die öffentliche Diskussion bereichern will. Mit journalistischen Methoden der Recherche und einer objektiven Herangehensweise kann dieses dokumentarische Prinzip Lücken bei der Aufklärung der Ereignisse des rassistischen Attentats vom 19. Februar 2020 in Hanau und Leerstellen im staatlichen Handeln aufzeigen. Durch das akribische Abgleichen dokumentierbarer Fakten werden offizielle Deutungen und gleichzeitig fehlende Aspekte sichtbar gemacht. Insgesamt entstand auf diese Weise eine Doku-Serie, in der der SWR2-Journalist Dietrich Brants aufzeigt, wo im Kontext dieser Morde eine Gegenerzählung zur verbreiteten Meinung eventuell angebracht wäre. Alle Folgen wurden in der Ausstellung Three Doors präsentiert und sind auch auf der SWR2-Webseite sowie in der ARD-Mediathek zu hören.
Letzte Änderung: 31.01.2023 | Erstellt am: 31.01.2023
HANAU 19. FEBRUAR 2020 –
DREI JAHRE ERINNERUNG UND AUFKLÄRUNG
IM FOYER NEUSTÄDTER RATHAUS
AM MARKT, HANAU
VOM 1. FEBRUAR BIS 18. MÄRZ 2023
Nach der Ausstellung “Three Doors – Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh” im Frankfurter Kunstverein werden die Untersuchungen der unabhängigen Rechercheagentur Forensic Archicture/Forensis zum rassistischen Terroranschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau präsentiert. Die Räume sind täglich von 10 bis 17 Uhr offen, Gruppen- und Sonderführungen können mit der Initiative 19. Februar Hanau vereinbart werden.
Ein Kooperationsprojekt von Forensic Architecture/Forensis, Frankfurter Kunstverein, Stadt Hanau, Initiative 19. Februar Hanau. Unterstützt u.a. vom Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main und vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin.
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