Vom Faustkeil zur Computer-Maus

Vom Faustkeil zur Computer-Maus

Ausstellung mit Werken von Tim Berresheim in Köln

Tim Berresheim produziert seit 2002 mit Hilfe des Computers Tafelbilder. Auf den Bildern, die als Fotografien, Siebdrucke oder Computerprints realisiert werden, sind Szenerien dargestellt, die sich im dreidimensionalen, illusionistischen Raum abspielen. Im Zuge der Arbeit mit CGI und DGI entstehen – das gilt sowohl für die figurativen als auch für die abstrakt anmutenden Werke – plausible, d. h. physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterliegende bühnenhafte Bildwelten. Seit der zweiten Hälfte der 2000er Jahre ist zudem der Aspekt der Mehrdimensionalität für Berresheim von Relevanz. Mittels optischer Verzerrungen innerhalb der – im Hinblick auf Detailreichtum, Raumanordnung und Ausleuchtung – komplexen Darstellungen wird die Lesbarkeit des Bildes permanenten Veränderungen unterzogen und somit die Idee einer letztgültigen zentralperspektivischen Ansicht zur Disposition gestellt.

Geräte, Objekte, Schmuck aus Knochen und Stein – um die 40.000 Jahre alt. Es sind immerhin die weltweit frühesten Belege mobiler Kunst, die man in den Höhlen auf der Schwäbischen Alb entdeckt hat. Interessant! Aber warum erzählt Tim Berresheim von Höhlen, wenn man ihn nach seinen neuesten Arbeiten fragt? Was haben uralte Artefakte aus Knochen und Stein mit seinen durch und durch digitalen Werken zu tun? Der Künstler antwortet mit einer Analogie: „Wir befinden uns noch in der digitalen Höhle“, das werde ihm immer klarer. „Hier hinterlassen wir unsere ersten Spuren.“ Mit digitalen Werkzeugen, die eher noch grob seien, wie die Faustkeile der Menschen vor 40.000 Jahren.

Er selbst ist hingefahren, in die Höhlen auf der Alb, und hat sie mit Laser eingescannt. Auch in einer mittelalterlichen Krypta war Berresheim mit seinem technischen Equipment unterwegs. Die barocke Reliquien-Kapelle der Abteikirche und der Kaiser-Saal des alten Klosters in Kornelimünster bei Aachen wurden ebenfalls abgescannt. Aus diesen architektonischen Versatzstücken hat Berresheim dann am Computer die Szenerien seiner aktuellen Werkgruppe zusammengebastelt. Alles wurde im Rechner zerschnitten, verdreht und ineinandergeschoben – wesentliche Epochen der Kunst-, Kultur-, Architekturgeschichte verdichtet in virtuellen Bildern, die mitunter von fantastischen Horror-Vogelscheuchen bevölkert sind.

Man glaubt Berresheim, wenn er sich selbst als spielgetrieben und spaßgesteuert beschreibt – fortwährend auf der Suche nach technologischen Innovationen, die seine Kunst voranbringen können. In seinem Aachener Atelier, sitzt er dabei am liebsten hinter verhängten Fenstern am Computer. „Ich habe einfach gerne meine Ruhe“, bemerkt der Künstler. Die ständigen Fortschritte im Digitalen, das sei für ihn aufregend genug: Jeden Tag neue Tools, jeden Tag neue Möglichkeiten, das Bild wieder anders zu betreiben. „Für mich ist es das maximale Abenteurertum, darin zu navigieren – die Außenwelt brauche ich dann nicht.“

Text: Dr. Stefanie Stadel

Letzte Änderung: 03.11.2022  |  Erstellt am: 21.10.2022

Tim Berresheim:

La Grotta della Fenice –
Lo Spaventapasseri

Dauer der Ausstellung:
bis 5.11.2022

JUBG
Albertusstrasse 13-17
50667 Köln
www.jubg.space

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