Turnstile

Turnstile

GEORG GATSAS in Köln

Georg Gatsas wohnt und arbeitet als Künstler, Fotograf und freier Journalist und bedient sich eines interdisziplinären Ansatzes, der sich darauf konzentriert, wie Sound, Erinnerung und öffentlicher Raum interagieren. Gatsas’ Fotografien beziehen sich auf Kunst und Musik inklusive ihrer Affinität zur Geschichte und Soziologie. Als Nomade in einer globalisierten Welt reist er zwischen verschiedenen urbanen Landschaften umher und bildet in seinen Porträts Individuen in den Welten, die sie umgeben, ab. In den letzten Jahren wurden Gatsas’ Arbeiten in verschiedenen Solo- und Gruppenausstellungen in der Schweiz und im Ausland ausgestellt.

Im Jahr 2002 hat Georg Gatsas seine erste große Fotoserie, The Process, begonnen. Zwanzig Jahre später eröffnet er die Ausstellung Turnstile bei JUBG, die auf seine langjährige Karriere zurückschaut. Aus diesem Anlass möchte Georg gerne sechs Punkte teilen, die er über das Produzieren von Kunst gelernt hat:

1. Unter den tausend fragmentierten Tönen von Caterina Barbieri existiert ein Ort für dich. Wenn Bob Otis von Dropdead einen Mikrofonständer durch eine hölzerne Bühne hämmert, spendet dies Trost. Entrückt zu Gang Gang Dance, Kode9, DJ Lag oder hundert weiteren zu tanzen, ist die einzige Vorstellung, die du von Freiheit haben kannst.

2. In Clubs und auf Konzerten mögen Treten und Anrempeln wie Formen des Ausschließens wirken, aber du verstehst sie als eine Art von Verbindung. Die Lautstärke und die Gewalt erschaffen einen Raum. Und innerhalb dieses Raumes machst du die Beobachtungen, die den Rahmen deiner Arbeit bilden:

- warte auf die unnachgiebige Kraft des Augenkontakts.

- mache deutlich, wie der Verfall der Stadt in der Kunst widerhallt, die trotz dieses Verfalls produziert wird.

- umkreise dein Motiv lang genug, bis das Ernste daran absurd wirkt.

- höre sorgfältig genug hin, um dann das Ernste darin wiederzuentdecken.

3. Folge den Verbindungen zwischen deinen persönlichen Lieblingen. Suche dabei nach dem intensivsten Austausch von Ideen zwischen den Künstler*innen. Aber du bist nicht dort, um diesen zu dokumentieren. Du bist dort, um daran teilzunehmen, und die Kamera begleitet dich dabei. Die Outfits, die Körperhaltungen, die Tanzbewegungen und die verschiedenen Räume sind eine Sprache, die wir uns permanent gegenseitig beibringen. Wie könnte man daraus kein Wörterbuch machen wollen? Diese visuellen Codes sind ebenso schöpferisch wie Cokis Basslines, die dir die Luft abschnüren, oder wie Martin Revs unermüdliches Stakkato. Aber sie verfliegen auch schnell wieder. In diesen Momenten machst du deine beste Arbeit.

4. Mit der Zeit lernst du, dass Dinge, die lebendig sind, sterben werden: Städte, Communities, soziale Bewegungen, Gesten und Künstler*innen. Aber das ist nicht der Grund, weshalb du fotografiert. Du bist nicht da, um zukünftige Denkmäler zu erschaffen. Aber im Laufe der Jahre merkst du, dass dies ein Nebeneffekt ist, den du zu schätzen weißt.

5. Die räumliche Nähe ist entscheidend: die konstante Freude daran, einem Freund über den Weg zu laufen und zu erfahren, dass deine Lieblingsband heute Abend spielt; oder daran, einen Flyer für eine Party in die Hand gedrückt zu bekommen; die täglichen Routinen, die dich an jenen Straßenecken und Schaufenstern vorbeiführen, wo lebenslange Freundschaften begonnen haben. The Process nimmt diese Themen für New York City in den Blick, Signal The Future macht das Gleiche für London. Beide sind unverkennbare Portraits ihrer urbanen Landschaften, aber für die Arbeiten der Künstler*innen sind diese selbst verantwortlich und nicht die Stadt, in der sie arbeiten.

6. Der immer präsente Schleier von Krieg und Rezession ist nichts, dessen du dir bewusst werden müsstest. Er ist wie Atmen. Aber du musst lernen, seine Präsenz zu hinterfragen, lernen, wie du seinen Rhythmus durchbrechen kannst. Du musst lernen, Distanz einzunehmen zu London, New York und Berlin. Einen Flyer in die Hand gedrückt zu bekommen und dann zu sagen: “Hey, komm! Wir gehen heute Abend zusammen aus” – das funktioniert in all diesen Metropolen nicht mehr so, wie wir es von damals gewohnt sind. Du solltest stattdessen den Blick auf die neuen Harmonien richten, die du in Athen, Mailand oder Johannesburg finden kannst. Denke an Zentren und Randgebiete, und daran, wie du dem Einen entflohen bist, nur um das Andere zu finden. Daran, dass du nicht der Einzige auf dieser Reise bist, sondern dass alle, die es auch sind und waren, einen Teil deiner Arbeit bilden.

Ethan Swan, Rochester New York
Mai 2022

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Georg Gatsas began his first major series, The Process, in 2002. Now twenty years removed from this threshold, and on the occasion of his career-spanning exhibition at JUBG, Georg shares six things he learned about making art:

1. There is room for you beneath Caterina Barbieri’s thousand fragmented tones. There is a comfort in seeing Bob from Dropdead hammer a mic stand through a wooden plank stage. The disassociation found while dancing to Gang Gang Dance, to Kode9, to DJ Lag and a hundred others is the only thing you imagine when people say the word “freedom.”

2. All this kicking and jostling suggests exclusion, but you understand it as a conduit. The volume and force is a method for making space. And within this space are the observations that frame out your practice:

- wait for the unyielding force of eye contact

- make clear the resonances between the city’s decay and the art being made despite that

- circle long enough that the solemn becomes absurd

- and listen carefully enough to find the solemn again

3. You follow threads and favorites, seeking the densest exchanges of ideas between artists. But you are not there to document. You are there to participate, and the camera comes along too. The outfits, postures, dance moves, locales are a language we constantly teach each other. How could you not want to make a dictionary? These visual codes are as potent as Coki’s suffocating basslines or Martin Rev’s relentless stabs but they vanish in a moment. You work well in this moment.

4. Over time you learn that these things that live also die. Cities, communities, movements, gestures. Artists. This is not the reason to take the photos, you are not making future memorials. But as years pass you learn that this is a side effect you can value.

5. Proximity is key: the consistent joy of running into a friend and learning that a favorite band is playing that night, of being handed a flyer for a party, of daily routines that bring you past the street corners and storefronts where you began lifelong connections. The Process explores these themes in New York City. Signal The Future does the same for London. Both are unmistakable portraits of their locations, but you never credit the city for the work being done by the artists.

6. The shroud of constant war and recession is not something you have to learn, it is like breathing. But you do have to learn how to dispute it, how to break its rhythm. To step away from London and New York and Berlin, to understand that the handbills and hey-come-out-with-me-tonights aren’t working in these metropolises anymore, not the way we’re used to. To see instead the harmonies being found in Athens, in Milan, in Johannesburg. To think about centers and edges, and the way you fled for one only to find the other. How you are not the only one to make that journey, but everyone who did has a part in your practice.

Ethan Swan, Rochester New York
May 2022

Letzte Änderung: 17.06.2022  |  Erstellt am: 17.06.2022

GEORG GATSAS
Turnstile

Eröffnung:
25. Juni 2022
16 – 21 Uhr

Dauer der Ausstellung:
25. Juni – 23. Juli 2022

JUBG
Albertusstrasse 13-17
50667 Köln

www.jubg.space

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