SHAKESPEAREHYPE - Die gezeichnete Begeisterung

SHAKESPEAREHYPE - Die gezeichnete Begeisterung

Werke von Adoph von Menzel im Georg Schäfer Museum in Schweinfurt
Nach Adolph von Menzel und Johann Phillipp Vogel: König Richard III, Act IV, Scene IV , Museum Georg Schäfer, Schweinfurt | © bpk / Museum Georg Schäfer, Schweinfurt (Foto: Matthias Langer)

Als eifriger Theatergänger und begeisterter Shakespeareaner hat Adoph von Menzel immer wieder Zeichnungen geschaffen, die von Shakespeares Figuren und Stoffen inspiriert waren. Eine Ausstellung im Georg Schäfer Museum in Schweinfurt zeigt Menzels gezeichnete Shakespeare-Begeisterung.

Ausgehend von der ausgeprägten Shakespeare-Begeisterung im Deutschland des 19. Jahrhunderts beleuchtet die Sonderausstellung im Museum Georg Schäfer die künstlerische Annäherung Adolph von Menzels (1815–1905) an die Werke des wohlbekanntesten englischsprachigen Dichters und Dramatikers überhaupt.
Die von Shakespeare (1564–1616) inspirierten Arbeiten des 1898 geadelten Malers, Zeichners und Illustrators sind eine großartige Entdeckung. Sie verteilen sich über beinahe ein halbes Jahrhundert und wurden sowohl in Deutschland als auch im Ausland rezipiert. Jede von ihnen ist einzigartig, jede geprägt von einem anderen Schaffenszusammenhang.So entwirft Menzel mit nur 21 Jahren eine arabeske Rahmenleiste für eine englische und eine deutsche Shakespeare-Gesamtausgabe. Jahre später wird der mittlerweile berühmte Menzel wiederum gebeten, für eine Buchpublikation ein Werk zu Henry VIII. zu liefern: 1872 erscheint Menzels König Heinrich VIII. tanzt mit Anna Boleyn in der weit verbreiteten Shakespeare-Gallerie der Grote’schen Verlagsbuchhandlung in Berlin. Mit meisterhafter Hand entwirft Menzel hier ein lebendiges Bild des Schlüsselmoments aus der 4. Szene des 1. Aktes. Diesen Arbeiten kam sicherlich Menzels eigene Begeisterung für das Theater zugute. Als eifriger Besucher schärfte er schon früh seinen Blick für zentrale Szenen aus den Dramen Shakespeares. Dies bezeugen vor allem seine Skizzenbücher zwischen 1836 und 1838, in denen eine Reihe von Grafitzeichnungen zu Aufführungen von König Lear, Richard II., Der Kaufmann von Venedig und Hamlet zu finden ist. Diese Aufführungen besuchte der Künstler im Berliner Schauspielhaus und benutzte seine Skizzen auch für spätere Werke, wie etwa für die Radierung von Hamlet und Polonius (um 1840).
Aber auch für Shakespeares Antlitz interessierte sich Menzel. Er kopierte zunächst die bekannten Porträts aus der Gesamtausgabe der Dramen Shakespeares, der sogenannten First Folio (1623), deren zweite Auflage (1632) der Künstler benutzte. Darüber hinaus zeichnete er die Grabbüste aus der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon ab. Da Menzel selbst nie in England war, griff er auf Buchreproduktionen als Vorlage zurück. Nach einer weiteren Tuschezeichnung folgte schließlich 1850–52 Menzels individuelle künstlerische Interpretation des Dichters – gekleidet in einem bürgerlichen Pelzmantel – im Hintergrund das Geburtshaus in Stratford und neben ihm der geliebte Maulbeerbaum, auf den in Shakespeares Dramen oft Bezug genommen wird. Auch das ist ein Beispiel von Menzels hervorragenden Shakespeare-Kenntnissen, die er mit seinen Freunden, etwa Theodor Fontane und Paul Heyse, teilte.
Die Ausstellung beleuchtet das erste Mal die gesamte künstlerische Vielfalt von Menzels ideenreicher Auseinandersetzung mit Shakespeare und dessen Werken. Die meisten Leihgaben aus Museen und Bibliotheken in Bamberg, Berlin, Meiningen und Weimar, aber auch zahlreiche Objekte aus dem Bestand des Museum Georg Schäfer werden erstmals überhaupt in Deutschland gezeigt. Zu sehen sind Arbeiten des schweizerisch-englischen Malers und Publizisten Johann Heinrich Füssli (1741–1825), des Malers und Dekorationskünstlers Hans Makart (1840–1884) sowie Entwürfe zum Shakespeare- Denkmal in Weimar.
Abgerundet wird die Präsentation durch das Beispiel des Meininger Hoftheaters, das einen weiteren fulminanten Höhepunkt in der Shakespeare-Begeisterung des 19. Jahrhunderts bildet. Dies gilt insbesondere für die Arbeiten des „Theaterherzogs“ Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914), der die deutsche Schauspielkunst reformierte. Mit eigenen Figurinen und Bühnenbildern wurde er auch als Entwerfer bekannt. Sein Hoftheater schickte er auf ausgedehnte Tourneen, unter anderem nach Berlin und Odessa.

Was 1836 mit einer Arabeske für eine Gesamtausgabe anfing, wurde zu einem Faden des Werkes von Adolph von Menzel, der in den darauf folgenden Jahrzehnten Zeichnungen nach Aufführungen von Shakespeare-Stücken schuf, Schlüsselszenen der Stücke festhielt, die berühmtesten Figuren porträtierte und Illustrationen für die Shakespeare-Gallerie der seinerzeit populären Grote’schen Verlagsbuchhandlung entwarf. Auch Shakespeares Geburtshaus und die Grabbüste aus der Holy Trinity Church in Stratford zeichnete Menzel nach Reproduktionen nach. Auch vor dem Porträts schreckte Menzel nicht zurück und fertigte auf der Grundlage des berühmten Shakespeare-Bildes in der Folio-Ausgabe von 1632 ein eigenes, geradezu rembrandteskes Porträt: mit geballter rechter Faust steht der Dichter im weißen Hemd und schwarzer Weste an einem Tisch und blickt am Betrachter vorbei, die Haare am Hinterkopf und der spitze Bart aufgewühlt – rechts hinter ihm ein Holzstuhl, dahinter ein Fenster, durch das ein schwaches Licht hereindrängt, am unteren Bildrand quer der schwarze Tisch, am linken Rand die weiße Wand. Es ist ein meisterhaftes Spiel mit Licht und Schatten, mit Hell und Dunkel und vermittelt etwas von der Energie der Stücke, denen Menzels Begeisterung galt.
So heißt die Schweinfurter Ausstellung, die Menzels bis jetzt kaum oder gar unbekannte Zeichnungen und Illustrationen nach Shakespeare zeigt, „gezeichnete Begeisterung“ – und eröffnet nicht nur einen neuen Blick auf Menzels Schaffen, sondern liefert auch einen Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, zu der die Shakespearomanie gehörte.
Stefana Sabin

Museum Georg Schäfer

Im Jahr 2000 wurde das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt eröffnet und erregt bis heute internationale Aufmerksamkeit – auch als architektonisches Meisterwerk von Volker Staab.
Es beherbergt eine einzigartige Sammlung deutscher Malerei und Zeichenkunst von 1760 bis 1930. Dazu zählen bedeutende Werkgruppen einzelner Maler wie z.B. Caspar David Friedrich, Carl Spitzweg, Ferdinand Waldmüller, Adolph von Menzel bis zu den Impressionisten Max Slevogt, Lovis Corinth und Max Liebermann.
Anspruchsvolle Wechselausstellungen mit Leihgaben beleuchten zudem eine Epoche unserer Geschichte, die voller gesellschaftlicher und politischer Spannungen war. Auch in der Kunstwelt gab es unterschiedliche, oft geradezu gegensätzliche Strömungen. Zeitgleich zum Ruf nach einem neuen deutschen Nationalstil entstand etwa die L’art-pour-l’art-Bewegung; es folgten Umbrüche, Umwertungen, ein mehrfacher Stilwandel – und nicht zuletzt die Geburt der Moderne.
Angelegt wurde die Sammlung ab den 1950er Jahren von dem Schweinfurter Großindustriellen und Sammler Dr.-Ing. e.h. Georg Schäfer (1896-1975). Zu seinen Lebzeiten wurden bereits viele Kunstwerke als Leihgaben in bedeutenden Museen gezeigt, dagegen konnten seine Museumsplanungen, u.a. von Ludwig Mies van der Rohe, noch nicht realisiert werden. Von seinen Erben wurden rund 1000 Gemälde und 4650 Zeichnungen, der Kern seiner Kollektion, in die 1997 gegründete Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung eingebracht und seither durch umfangreiche Zustiftungen (2005, 2016, 2017) und weitere wichtige Leihgaben vermehrt. Damit beherbergt das Museum Georg Schäfer die bedeutendste Privatsammlung der Kunst des 19. Jahrhunderts aus dem deutschsprachigen Raum.

Letzte Änderung: 06.09.2023  |  Erstellt am: 06.09.2023

SHAKESPEAREHYPE
im 19. Jahrhundert

Dauer der Ausstellung:
13.8. – 22.10.2023

Museum Georg Schäfer
Brückenstraße 20
97421 Schweinfurt

www.museumgeorgschaefer.de

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