"Radical Cheerleading" von Zufit Simon
Ab Ende Januar zeigt Zufit Simon ihr neues Gruppenstück "Radical Cheerleading" in Berlin und München. Entwickelt wurde "Radical Cheerleading" von queer-feministischen Aktivist:innen in den 1990er Jahren. Codes des "Cheerleading", bekannt aus sportlichen Wettkämpfen, werden in dieser Produktion benutzt und unterlaufen, um eigene Botschaften zu übermitteln. "Let me hear your voice - we know there is a need" - Glamour, Glitter und ein Mix diverser Slogans sind Elemente dieser freudvollen, ironischen Alternative zu militanten Protestformen.
In den letzten, großen Auseinandersetzungen innerhalb kapitalistischer Demokratien hat Tanz als Demonstrationsform einen festen Platz eingenommen. Sei es der „Standing Man“ im Gezi Park, Yoga Sessions während Occupy oder die Tänzer:innen des ägyptischen Nationalballetts, immer hat sich tänzerischer Ausdruck als probates Mittel für einen friedlichen Protest erwiesen. „Embodied protest“ und „protest choreographies“ sind deshalb längst Teil eines neuen Selbstverständnisses zeitgenössischer Tanzpraktiker:innen. „Radical Cheerleading“ ist eine dieser Ausdrucksformen, die in den verschiedensten Kontexten benutzt wird. Entwickelt wurde es von queer-feministischen Aktivist:innen in den 1990er Jahren. Codes des „Cheerleading“, bekannt aus sportlichen Wettkämpfen, werden in dieser Produktion benutzt und unterlaufen, um eigene Botschaften zu übermitteln. Glamour, Glitter und ein Mix diverser Slogans sind Elemente dieser freudvollen, ironischen Alternative zu militanten Protestformen.
Zufit Simon im Gespräch mit Beate Zeller
Was war für dich die Initialzündung zu dem Thema?
Es war ein längerer Prozess. Ich habe verschiedene Szenen von Demonstrationen gesehen, aber zunächst nur als Beobachter. Erst als ich Radical Cheerleading entdeckt habe, entstand die Idee, darüber ein Stück zu machen. Es ist eine sehr positive Protestform und das ist etwas, was mich sehr anspricht. Der Fakt, dass man obwohl es um ernste Themen geht, die Freude und auch den Spaß nicht verliert, finde ich sehr beeindruckend.
Du hast ein sehr heterogenes und internationales Ensemble um dich versammelt,
wie habt ihr euch gefunden?
Einige von den Tänzer:innnen kannte ich bereits von früheren Arbeiten. Ansonsten hatte ich einige Empfehlungen bekommen und bin damit sehr zufrieden. Ich bin kein Freund von den in unserer Branche immer noch üblichen Auditions mit vielen Menschen. Für mich ist das intime Gespräch oftmals wichtiger als Anfang einer Zusammenarbeit. Daraus entwickelt sich dann ein Dialog: verbal und physisch.
In der Inszenierung eurer Körperlichkeit gibt es viele Anklänge an aktuelle Proteste, seien es die Frauen im Iran, die für mehr Freiheit auf die Strasse gehen, die Amerikanerinnen, die gegen den neuen Abtreibungsparagraphen demonstrieren, … wie seid ihr vorgegangen bei der Erarbeitung der Choreografie?
Wir haben sehr viele verschiedene Materialien gesichtet: Videos, Fotos und auch persönliche Erfahrungsberichte. Dabei ist oft der kulturelle Unterschied entscheidend bei der Bewertung einzelner Szenen. All diese Dinge sind als Kontext immer präsent und kreieren letztendlich wie etwas gelesen wird. Aus diesen Materialien haben wir zunächst einfache Bewegungen extrahiert und diese dann angefangen zu wiederholen. Dann kamen nach und nach Texte, Musik und Kostüme dazu und schaffen hoffentlich neue Bezüge.
Es ist sehr kraftvoll und belebend zu sehen, und zu spüren, was es für eine Selbstermächtigung bedeutet, die Ressourcen des eigenen Körpers zu nutzen, Stimme und Auftreten, konzertierte Bewegung in der Gruppe, was sind eure Erfahrungen?
Wir sind erst wenige Wochen vor der Premiere zu einer richtigen Gruppe geworden denn zwei der Darsteller:innen kamen erst später dazu. Da konnte man gut sehen, wie sich die Energie der einzelnen Szenen erhöht hat. Es macht einen großen Unterschied, ob es eine Stimme oder mehrere sind. Selbst bei professionellen Tänzer:innen werden die Stimmen lauter und die Bewegungen schneller. Man traut sich einfach mehr. Das hat dann auch das Zusammenspiel von Stimme, Mimik und Rhythmus stark beeinflusst.
Wofür würdest du auf die Strasse gehen?
Inhaltlich für viele Sachen. Aktuell sicher der Klimawandel und die damit einhergehenden Probleme. Allerdings habe ich mich bis jetzt in großen
Menschengruppen immer ein wenig unwohl gefühlt. Wenn es keinen “personal space” mehr gibt, der physische Abstand zwischen den Körpern schwindet, dann hat mich das eher verunsichert. Allerdings sehe ich nach diesem Stück auch, wie viel Kraft eine Demonstration erreichen kann und wie viel Aufmerksamkeit man mit einfachen Mitteln bekommt. Durch das Projekt habe ich mir durchaus solche Fragen nochmal neu gestellt. Das Recht auf Demonstrationen und freie Meinungsäußerungen ist ein hohes Gut. Vielleicht sollten wir es alle auch öfter wahrnehmen.
Letzte Änderung: 22.12.2022 | Erstellt am: 20.12.2022
Zufit Simon
Radical Cheerleading
Ein Stück über Tanz als Protestform
27. + 28. Januar 2023
Uferstudios Berlin
16. Februar 2023 (München-Premiere)
17. + 18. Februar 2023
Schwerer Reiter, München
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