Decoding the Black Box
Die Galerie Stadt Sindelfingen eröffnet Ende Januar die Gruppenausstellung DECODING THE BLACK BOX. Digitale Technologien durchdringen jeden Winkel unseres Lebens. Realität ist zu einer berechenbaren Entität geworden, in der alles und jeder zur Information wird. Die Informationsflut entleert sich in der Daten- und Bilderflut des World Wide Webs, die uns überschwemmt und ein unkontrollierbares Eigenleben führt. Egal ob Smartphone, Smart Home, Social Software, Bonus-, Navigations-, Verkehrs- oder Überwachungssystem – sie sammeln persönliche Informationen in Form von Big-Data.
Die in der Ausstellung versammelten dreizehn Künstlerinnen und Künstler entschlüsseln die Prozesse, die in unseren Endgeräten – den Black Boxen – ablaufen. Sie legen die Funktionsweisen digitaler Technologien offen und visualisieren zugleich die Auswirkungen, die sie auf unsere Wahrnehmung von Realität haben.
Evan Roths Strands Serie ist das Ergebnis einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kartographie und der digitalen Infrastruktur. Die Arbeiten der Serie basieren auf der von Roth konzipierten Software Worlds in Figure, die das Ergebnis dieser Recherche ist. Mit seiner eindrücklichen Installation “Since you were born” führt er außerdem die Bilderflut vor Augen, der wir im Internet tagtäglich ausgesetzt sind. Ab dem Tag, an dem seine Tochter geboren wurde, sammelte er für vier Monate alle in seinem Browser Cache gespeicherten Bilder. Der Ausstellungsraum ist vom Boden, über die Wände, bis zur Decke mit diesen Bildern übersät und lässt so ein digitales Tagebuch entstehen, das veranschaulicht, wie unser Suchverhalten Zugriff auf die persönlichsten und intimsten Bereiche unseres Lebens gewährt.
Mimi Onuoha kombiniert in ihrer Videoarbeit “Machine Sees More Than It Says Archivvideos” miteinander, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren entstanden sind. Die Zusammenführung dieser Bilder erzählt die Geschichte von rechengesteuerten Technologien, unmittelbar vor dem Aufbruch in die digitale Welt. “Us Aggregated” beschäftigt sich währenddessen mit den Algorithmen von Googles Reverse-Image Suchmaschine und zeigt anhand von Fotos aus der Familiensammlung der Künstlerin, wie Milliarden im Internet
verfügbarer privater Bilder ausgewertet, kategorisiert und gespeichert werden müssen, um eine solche Suche zu ermöglichen.
Adam Harveys Arbeit “TODAY’S SELFIE IS TOMORROWS BIOMETRIC PROFILE. Think Privacy.” beruht auf Erkenntnissen aus seinem Forschungsprojekt Exposing.ai und soll ein Bewusstsein dafür schaffen, wie Selfies ohne Zustimmung der Betroffenen von der Industrie als Trainingsdatensätze genutzt werden, um Gesichtserkennung und andere biometrische Analysetechniken zu entwickeln und zu kommerzialisieren.
“I’ll be There in 30 Minutes” von Anonymous nimmt einen Vorfall als Ausgangspunkt, der sich 2011 in New York ereignete, als ein Postkartenständer, der im Sichtfeld der Earthcam 2 am Times Square stand, absichtlich von zwei Passanten umgeworfen wurde und im Netz ein Eigenleben entwickelte.
Die raumgreifende Installation “Alexiety” der !Mediengruppe Bitnik untersucht anhand von drei Songs, die mit dem Musiker Low Jack entwickelt wurden, die zwiespältigen Beziehungen, die mit intelligenten persönlichen Assistenten wie Alexa, Google Home und Siri entstehen.
Aram Bartholls Serie “Are you human?” bezieht sich auf die CAPTCHAS von Google und Yahoo, die genutzt werden, um festzustellen, ob es sich bei Interaktionen im Internet um Menschen oder Bots handelt und die gleichzeitig auch dazu dienen, Bilderkennungsalgorithmen zu trainieren. Bartholls Dead Drop besteht aus einem in die Wand eingelassenen USB-Stick und basiert auf dem Konzept eines toten Briefkastens. Der Dead Drop ist ein offline basiertes Peer-to-File-Sharing-Network, was bedeutet, dass die Daten auf dem USB-Stick frei zugänglich sind und jeder sie abrufen und neue hinterlassen kann.
Eryk Salvaggios “Flowers Blooming Backward Into Noise” ist ein 20-minütiges animiertes “Dokumanifest” über KI-Bilder. Sein Deepfake-Kurzfilm Sarah Palin Forever beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie politische Meinungen propagiert, medial verbreitet und von der Gesellschaft internalisiert werden.
James Bridles “Cloud Index” wurde mit riesigen Mengen politischer Umfrage- und Wetterdaten trainiert, um den Einfluss des Wetters auf das Wahlverhalten der britischen Bevölkerung hinsichtlich des Brexits zu studieren.
Chino Moyas Videoinstallation “Deemona” gibt eine Vorstellung davon, was passieren könnte, wenn „[…] der Mensch von seinen eigenen Schöpfungen in den Schatten gestellt wird und keine Kontrolle mehr hat.”
Jonas Lunds “A User Friendly Exhibition” führt die sogenannte Nutzerfreundlichkeit digitaler Interfaces ad absurdum, indem sie auf die Interaktion der Ausstellungsbesucherinnen und -besucher abzielt, die nach algorithmisch festgelegten Regeln Einfluss auf die Zusammensetzung der gezeigten Werke nehmen.
Das Kollektiv Metahaven zeigt in einer immersiven Installation den Film “Information Skies”, eine im Schwarzwald gedrehte Science-Fiction-Erzählung, die thematisiert, wie unsere globalisierte digitale Kommunikation der Wirklichkeit eine gänzlich neue Qualität verleiht, in der die Wahrheit zur Disposition steht und Kategorien wie richtig und falsch aufgelöst erscheinen.
Grundlage für Femke Herregravens raumgreifende Installation “Murmur of the Dying” ist eine umfangreiche Recherche, die den unmöglich erscheinenden Versuch unternommen hat, einer künstlichen Sprachintelligenz namens Elaine Geräusche wie „hm“, Seufzer oder Keuchen beizubringen. Dazu trainierte Herregraven Elaine mit einer Auswahl unterschiedlicher Audioaufnahmen sowohl von Menschen, die an einer Lungenerkrankung leiden, als auch von Menschen, die im Sterben lagen.
Die interaktive Installation “Digitales Schlaraffenland – eine Odé an die Binärarchitektur” von Olsen besteht aus 50.000 modifizierten Würfeln, deren Seiten lediglich Nullen und Einsen zeigen – den Bits der Binärarchitektur, Grundlage jeglicher digitalen Datenverarbeitung. Die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, mit den Würfeln zu interagieren, um so den Code metaphorisch umzuschreiben und nach den eigenen Vorstellungen zu programmieren.
Letzte Änderung: 22.01.2024 | Erstellt am: 22.01.2024
Decoding the Black Box
mit:
Anonymous, Aram Bartholl, James Bridle, Adam Harvey, Femke Herregraven, Jonas Lund, !Mediengruppe Bitnik, Metahaven, Chino Moya, Olsen, Mimi Onuoha, Evan Roth, Eryk Salvaggio
Ausstellungseröffnung:
Freitag, 26. Januar 2024 um 19 Uhr
Ausstellungsdauer:
27. Januar – 16. Juni 2024
Galerie Stadt Sindelfingen
Marktplatz 1
71063 Sindelfingen
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